GASTBEITRAG

Anlageerfolg steigt mit ESG

Börsen-Zeitung, 14.5.2016 Institutionelle wie private Investoren engagieren sich zunehmend in Anlagen, die einen gesellschaftlichen Nutzen verfolgen. Allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben verantwortungsvolle Investments nach Daten...

Anlageerfolg steigt mit ESG

Institutionelle wie private Investoren engagieren sich zunehmend in Anlagen, die einen gesellschaftlichen Nutzen verfolgen. Allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben verantwortungsvolle Investments nach Daten des Forums Nachhaltige Geldanlagen inzwischen ein Volumen von gut 200 Mrd. Euro erreicht. Einer Vielzahl von Anlagekonzepten ist dabei gemein, dass sie systematisch ESG-Faktoren (environmental, social, corporate governance) in die traditionelle Finanzanalyse miteinbeziehen.Ob und inwieweit sich verantwortungsvolles Investieren auch im Vergleich zu konventionellen Geldanlagen rechnet, wird dabei weiterhin diskutiert. Zwar ist diese Frage längst Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, doch fehlte bisher eine umfassende Analyse internationaler Portfolios auf Basis der verschiedenen ESG-Kriterien. In der Mehrzahl konzentrierte sich die Forschung auf US-amerikanische Aktien und einfache Anlagekonzepte ohne Berücksichtigung des Investmentstils oder der Branchengewichtung. Vor allem lag der Fokus bislang lediglich auf einer statischen Betrachtung der absoluten ESG-Scores – aus Sicht des Investors können aber gerade auch Veränderungen in Bezug auf die Einhaltung der Standards wichtig sein. Gemeinsam mit dem European Center for Corporate Engagement (ECCE) an der Universität Maastricht, Niederlande, hat NN Investment Partners deshalb eine Studie durchgeführt, die die Zusammenhänge zwischen ESG und Anlage-Performance aufzeigt. Dafür wurden Daten von über 3 000 börsennotierten Unternehmen rund um den Globus und über eine Zeitspanne von Januar 2010 bis September 2014 untersucht.Tatsächlich ergab die Auswertung, dass absolute ESG-Werte – entgegen der landläufigen Meinung – kein besonders verlässlicher Indikator für die voraussichtliche Wertentwicklung von Aktien sind. Die Unternehmen mit den höchsten ESG-Scores, also den besten Ergebnissen in Bezug auf die Einhaltung von Umwelt-, Sozial- und Managementstandards, schnitten sogar meist schlechter ab als jene mit niedrigeren Werten.Dagegen wies die Studie eine eindeutig positive Korrelation zwischen allmählichen Veränderungen von ESG-Scores und der Kursentwicklung nach. Je nachdem, wie sehr ein Unternehmen bereits die ESG-Kriterien erfüllt, fällt auch die Reaktion der Anleger auf Veränderungen aus. Bei Unternehmen, die bereits hohe ESG-Werte erzielen, werden weitere Verbesserungen als weniger bedeutend wahrgenommen als in Firmen, die den Erwartungen nachhaltig orientierter Investoren bisher kaum entsprochen haben. Intuitiv nachvollziehbar zeigte sich darüber hinaus, dass Unternehmen mit positiver Dynamik besser abschnitten als solche mit negativer Dynamik. Interessanterweise wiesen jedoch Unternehmen mit positiver Dynamik und mittleren ESG-Scores die besten Ergebnisse auf – und zwar insbesondere dann, wenn Verbesserungen im Bereich der Unternehmensführung und -kontrolle erzielt werden. Nur diese Portfolios erzielten eine Sharpe Ratio über eins und damit eine signifikante Mehrrendite gegenüber der risikolosen Geldmarktanlage.Die Studie untersuchte außerdem, wie der Ausschluss von Unternehmen mit kontroversen Geschäftspraktiken, die etwa mit Umweltverschmutzung, Korruption oder der Verletzung von Menschenrechten einhergehen, die Wertentwicklung nachhaltiger Portfolios beeinflusst. In der ESG-Anlage werden diese in verschiedene Abstufungen von niedrig bis schwerwiegend klassifiziert. Für den untersuchten Zeitraum zeigte sich, dass Ausschlüsse zu einer besseren Performance der Portfolios führten – vor allem, wenn nicht nur schwerwiegende Kontroversen, sondern bereits moderate Risiken ausgeschlossen werden. In diesem Fall lag die erzielte Sharpe Ratio sogar 10 % höher als bei Portfolios, für die das gesamte Investmentuniversum herangezogen wurde. Verfeinerte AnalyseIn der Praxis können Investoren die Ergebnisse der Studie nutzen, um die Unternehmensanalyse und Portfoliokonstruktion zu verfeinern und damit die risikobereinigte Wertentwicklung ihrer Anlagen zu verbessern. Zum einen gilt es, Unternehmen nicht nur nach einem – möglichst hohen – ESG-Wert auszuwählen, sondern darüber hinaus den Blick auf ESG-Verbesserungen und deren mögliche Auswirkungen auf den Aktienkurs zu richten. Zwar lässt sich nicht eindeutig vorhersagen, welcher ESG-Bereich für die Rendite letztlich entscheidend sein wird. Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung weisen jedoch darauf hin, dass Verbesserungen im Management und der Kontrollorgane eines Unternehmens, also der Corporate Governance, besonders positiv wirken. Zum anderen ist das Herausfiltern von ESG-Kontroversen eine relativ einfach anzuwendende Methode, um die Performance zu steigern. Dabei widersprechen die Studienergebnisse der verbreiteten Ansicht, dass Ausschlüsse sich eher negativ auf die Wertentwicklung auswirken. Allerdings kommt es hier auch auf die jeweiligen Themen an, wie oben bereits erwähnt.Bei NN Investment Partners nutzen wir diese Forschungsergebnisse bereits, um die Unternehmensanalyse und Portfolio-Positionierung weiter zu verfeinern. So haben wir in unseren nachhaltigen Aktienportfolios zum Beispiel Titel mit einer positiven ESG-Dynamik übergewichtet. Außerdem prüfen wir Unternehmen kontinuierlich auf mögliche kontroverse Geschäftspraktiken.Noch besteht viel Raum für weitere Untersuchungen zu ESG-Themen, der Portfoliokonstruktion und den angewandten Methoden. Je stärker die Nachfrage nach verantwortungsvollen Investments zunimmt, desto mehr dürfte auch das Interesse an systematischen Analysen zu einzelnen Branchen, Regionen wie Schwellenländeraktien, und weiteren Anlageklassen wachsen.—-Nina Hodzic, ESG-Expertin bei NN Investment Partners