Anleger hoffen auf Brasilien

Lateinamerikas Finanzmärkte stehen vor einem schwierigen Jahr - Argentinien bereitet Sorgen

Anleger hoffen auf Brasilien

Nach einem enttäuschenden Jahr 2018 müssen sich die lateinamerikanischen Finanzmärkte auf ein unwägbares 2019 einstellen. Positive Ausnahme könnte Brasilien sein, wenn die marktfreundliche Regierung ihre Reformagenda schnell umsetzen kann. Argentinien dürfte weiter enttäuschen, darum droht gar die Rückkehr von Cristina Kirchner an die Macht.Von Andreas Fink, Buenos AiresPolitische Unsicherheiten sowie die Folgen internationaler Entwicklungen könnten den Subkontinent im neuen Jahr belasten, befürchtet etwa die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik Cepal. Ende Dezember präsentierten die Experten der UN-Organisation ihren Ausblick auf das neue Jahr, in dem sie die “weltweiten Unsicherheiten größer als im Vorjahr” einschätzten. Zudem drohten Risiken “von mehreren Fronten”. Demnach wird das südliche Amerika mit einem Rückgang der Wachstumsdynamik sowohl der Industrie- als auch der Schwellenländer konfrontiert sein, verbunden mit einer Zunahme der Volatilität der internationalen Finanzmärkte. Dazu komme die strukturelle Schwächung des internationalen Handels infolge der Handelsspannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China. Das größte Risiko für die Wirtschaftsleistung der Region wäre eine abrupte Verschlechterung der finanziellen Bedingungen für die Schwellenländer, fügt der Bericht hinzu.Für Lateinamerika und die Karibik prognostiziert die Cepal ein Wirtschaftswachstum von 1,7 % im Jahr 2019, dabei wird davon ausgegangen, dass Mittelamerika (ohne Mexiko) um 3,3 % zulegen kann, die karibischen Staaten um 2,1 %, Südamerika jedoch allenfalls um 1,4 %. Mexikos Wirtschaft könnte um 2,1 % wachsen und jene Brasiliens um 2 %, so die UN-Kommission. In Brasilien, wo seit dem Neujahrstag erstmals seit drei Jahrzehnten eine dezidiert liberale Regierung an der Macht ist, sehen viele die Wachstumschancen freilich größer, so die UBS, die von 3 % ausgeht.”Die zyklische Lage begünstigt die Wiederbelebung des Wachstums”, sagt der Chefökonom der Großbank Bradesco, Fernando Honorato Barbosa. Niedrige Inflation und Zinssätze, moderate Verschuldung von Unternehmen und Verbrauchern, hohe freie Kapazitäten auf dem Arbeitsmarkt und in der verarbeitenden Industrie sowie ein geringes Defizit in den Leistungsbilanzen der Länder bildeten eine solide Grundlage für einen Aufschwung, der sich einstellen werde, wenn die Regierung ihre ehrgeizige Reformagenda über die parlamentarischen Hürden bringe. Reformen entscheidendAls Schlüssel für ein Durchstarten Brasiliens sehen in- und ausländische Anleger die Verabschiedung der längst überfälligen Reform des Pensionswesens, das hauptverantwortlich für massive Budgetdefizite in den letzten Jahren war. Präsident Bolsonaro und sein Finanzminister Paulo Guedes brauchen für diese Reform drei Fünftel der Abgeordneten in Kongress und Senat, ihre Partei PSL stellt jedoch nur 10 % der Mandatare. Die Regierung muss um Zustimmung anderer Parteien werben, was sich angesichts der Unpopularität der Reform mühsam gestalten könnte.Sollten die Reformpläne durchkommen, dürften die in den letzten Monaten beobachteten Verbesserungen der finanziellen Rahmenbedingungen das Wachstum befördern, sagt Barbosa. Die kurz- und längerfristigen Zinsen fielen, der Real legte zu, die Aktienkurse stiegen und das Länderrisiko sank, betont er. Das schaffe Raum für ein Wachstum von 2,8 % im Jahr 2019. Hohe GewinnerwartungenAn den Börsen könnte sich der Kurswechsel in Brasília sehr positiv niederschlagen, glauben die meisten Finanzmarktexperten. Der Index Bovespa könnte bis Ende 2019 um 22 % auf rund 106 425 Zähler (derzeit 90 162 Punkte) steigen, prognostizierten acht Börsenstrategen laut der Agentur Bloomberg. Ihre Ziele reichen von 100 000, was einem Plus von 15 % entspricht, bis hin zu 120 000, was einem Anstieg von 38 % gleichkäme. Grundlage dieser Projektionen sind höhere Unternehmensgewinne infolge der Reformagenda. Die Konzerngewinne werden 2019 in lokaler Währung um 20 % zulegen, so die UBS Group, die prognostiziert, dass der Bovespa Ende 2019 bei 103 000 Zählern liegen wird. “Ein solches Wachstum dürfte die Skepsis gegenüber der Politik zerstreuen und erhebliche Kapitalströme nach Brasilien auslösen”, sagte AllianceBernsteins Senior Portfolio Manager Morgan Harting Bloomberg.Auf eine Beschleunigung bei seinem wichtigsten Handelspartner Brasilien hofft vor allem Argentinien, dessen Wirtschaft auch 2019 unter dem brutalen Absturz des Vorjahres leiden wird, der die Gesamtwirtschaftsleistung 2018 um 2,6 % reduzierte. Der Währungseinbruch konnte nur durch einen 57-Mrd.-Dollar-Kredit vom Internationalen Währungsfonds und mit einem brutalen Sparkurs gestoppt werden, der jedoch – bei Zinssätzen von über 60 % – die Inlandsnachfrage abwürgte, die traditionell mehr als 80 % der Konjunktur trägt. Schrumpfendes BIPWeil die Preise trotz des Einbruchs weiter steigen – nach 50 % Inflation 2018 sind aufgrund von Gebührenerhöhungen in Verkehr und Energie 35 % Zunahme 2019 wahrscheinlich – muss sich die Regierung auf massive Probleme einstellen, die sich im Ergebnis der Präsidentschaftswahl im Oktober niederschlagen könnten. An den Finanzmärkten ist das Länderrisiko, gemessen an den Credit Default Swaps, auf über 800 Basispunkte gestiegen, weil Investoren eine Rückkehr der Ex-Präsidentin Cristina Kirchner befürchten. Argentinien kann 2019 nicht auf neue Kredite von den Finanzmärkten zählen, aber zumindest die Zuteilungen des IWF dürften das Land vor einem neuerlichen Bankrott bewahren. Die Regierung hofft auf eine deutlich bessere Ernte als im Dürrejahr 2018, was zumindest im Vorjahresvergleich eine Zunahme suggerieren könnte. Tatsächlich dürfte aber die Gesamtwirtschaftsleistung schrumpfen. Der Internationale Währungsfonds prognostizierte Argentinien kürzlich eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 1,62 % 2019. Damit liegt das Land im globalen Wachstumsranking des Fonds auf Rang 188. In Südamerika steht nur Venezuela noch schlechter da – mit einem weiteren Einbruch des BIP um 5 %.Den restlichen Ländern Südamerikas sagt der Währungsfonds ein moderates Wachstum voraus. Peru, Bolivien und Paraguay könnten um mehr als 4 % zulegen, Kolumbien, Uruguay und Chile um mehr als 3 %. Allein im hoch verschuldeten Ecuador dürfte das Wachstum mit 0,73 % gering ausfallen, so die Prognose des IWF.