Anleger sind für die IBM-Aktie skeptisch
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Der bereits 1911 gegründete Computerkonzern IBM war einmal das mit Abstand wichtigste Hightech-Unternehmen der USA. In den 1960er Jahren war praktisch die gesamte Welt abhängig von den Großrechnern „System/360“ des „Big Blue“ genannten Konzerns. Die von IBM beherrschte Ära ist aber längst vorbei. Seine beherrschende Stellung in der Welt der Technologie hat der Konzern in einem in den 1990er Jahren begonnenen Niedergang längst verloren, was sich auch an der Marktkapitalisierung zeigt. IBM kommt derzeit auf lediglich 112 Mrd. Dollar, ein fast schon verschwindend kleiner Wert, wenn man die heutigen Anführer der Technologiebranche betrachtet: Apple kommt auf 2,47 Bill. Dollar, die Google-Muttergesellschaft Alphabet auf 1,86 Bill. Dollar und selbst der Branchenveteran Microsoft, der den Sprung ins Internet- und Cloud-Zeitalter glänzend geschafft hat, auf 2,31 Bill. Dollar.
Dies muss allerdings aus Anlegersicht kein Problem darstellen, denn es lässt sich auch mit kleineren Technologieunternehmen durchaus Rendite erwirtschaften, wenn diese erfolgreich und gut geführt sind. Danach sieht es allerdings bei IBM derzeit nicht unbedingt aus, zumindest haben die Anleger erhebliche Zweifel, denn erst vor wenigen Tagen gab es einen Kursrutsch von 9,6% auf ein Siebenmonatstief nach der Vorlage des jüngsten Quartalsergebnisses. Im dritten Jahresviertel kletterten die Erlöse um lediglich 0,3% auf 17,6 Mrd. Dollar, was extrem enttäuschend ist, weil die Analystenerwartungen um 190 Mill. Dollar verfehlt wurden.
Bereinigt man die Erlöse um Desinvestitionen und Veränderungen der Währungskurse, ergibt sich sogar ein kleiner Umsatzrückgang um 0,2%. Das nach den offiziellen amerikanischen Bilanzierungsregeln GAAP berechnete Ergebnis je Aktie fiel um 34% auf 1,25 Dollar. Wenn man allerdings der Berechnungsweise von IBM folgt, die bestimmte Kosten ausblendet, ergibt sich lediglich ein Ergebnisrückgang um 2% auf 2,52 Dollar, womit dann die Konsensschätzung um immerhin 1 Cent übertroffen wird. IBM wird immer wieder eine gewisse Kreativität beim Umgang mit Zahlen vorgeworfen, ein Umstand, der aber auch für viele andere US-Konzerne gilt.
Amerikanische Analysten sind derzeit von IBM ebenfalls nicht begeistert. Zwar gibt es nur eine einzige Verkaufsempfehlung, von insgesamt 17 Häusern raten aber nur fünf zum Kauf der Aktie, während elf Analysten ihren Kunden lediglich empfehlen, die Aktie im Portfolio zu behalten. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 149,52 Dollar, was gegenüber dem aktuellen Kurs einen Anstieg binnen zwölf Monaten von immerhin 19% bedeuten würde. Im bisherigen Jahresverlauf hat die Aktie mit einem Quasi-Stillstand enttäuscht, während der technologielastige Nasdaq Composite um 19% nach oben stürmte. Auf Sicht von einem Jahr hat die Aktie rund 15% zugelegt, der Nasdaq jedoch 37%.
IBM ist ein Konzern, der über eine Vielzahl von Geschäftsfeldern und Aktivitäten verfügt, die aus Jahrzehnten von Geschäftstätigkeit stammen und nur geringe Gewinnmargen aufweisen. Mit dem IT-Service-Geschäft beispielsweise lässt sich heute keine Begeisterung wecken und keine überzeugende Equity Story für Technologieinvestoren basteln, weshalb diese Bereiche nun unter dem seltsamen neuen Namen „Kyndryl“ zusammengefasst und im November per Spin-off an die eigenen Aktionäre entsorgt werden sollen. Das neue Unternehmen umfasst den Betrieb von IT-Infrastruktur wie Netzwerke, Großrechner, Datenspeicher, PCs und Rechenzentren für rund 4600 Kunden in über 100 Ländern mit 90000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von rund 19 Mrd. Dollar. Hier werden also große Teile der „alten IBM“ entsorgt. Als „neue IBM“ bleibt ein Unternehmen zurück, das rund die Hälfte seines Umsatzes aus wiederkehrenden Einnahmen erzielt. Zentraler Bestandteil ist die Open-Source-Linux- und Cloud-Firma Red Hat, die 2018 für 34 Mrd. Dollar erworben wurde. Mit den nun noch übrig bleibenden vier Sparten Consulting, Software, Infrastruktur und Finanzierungen werden die Bäume ebenfalls nicht in den Himmel wachsen, aber es soll ein jährliches Wachstum mit einem mittleren einstelligen Prozentsatz herauskommen. Dies liegt daran, dass mit Kyndryl der Bereich entfernt wird, der entscheidend dafür sorgte, dass die Konzernerlöse von 106,9 Mrd. Dollar im Jahr 2011 auf nur noch 73,6 Mrd. Dollar im Jahr 2020 zurückgingen. IBM setzt nun unter anderem auf das Modethema Cloud, in dem Hybrid-Cloud-Dienstleistungen und Services im Bereich Artificial Intelligence angeboten werden, die sich in die Clouds großer Dienstleister wie Amazon Web Services und Azure von Microsoft integrieren lassen. Damit erkennt das IBM-Management um CEO Arvind Krishna an, dass der Konzern sehr spät im Cloud-Bereich angekommen ist und kaum noch Chancen gegen die etablierten Platzhirsche Amazon und Microsoft hat. Allerdings kann IBM mit einer großen Basis an Unternehmenskunden und mit der Open-Source-Software von Red Hat glänzen. IBM engagiert sich im Bereich von Hybrid-Clouds, also dem gemischten Einsatz von öffentlichen und privaten Clouds. Hinzu kommen Aktivitäten des Konzerns in neuen Technologien wie dem Quanten-Computing, die aber derzeit lediglich Hoffnungswerte darstellen.
Niedriges KGV
Inwieweit sich all dies als neue Wachstumsmaschine herausstellen kann, steht aber noch in den Sternen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Prognosen für das kommende Jahr 2022 ist mit 11 für ein Technologieunternehmen niedrig, was die Zweifel der Analysten und Anleger widerspiegelt.
Der erhoffte Wachstumsbereich Cloud ist noch relativ klein mit weniger als einem Drittel der Konzernerlöse, während der Konzern auch nach Abgabe von Kyndryl noch über jede Menge historisch gewachsener Geschäftsfelder mit geringen Wachstumsaussichten verfügt, wie etwa dem IT-Beratungsgeschäft. Es ist gut denkbar, dass IBM auch diese Bereiche noch per Spin-off an die Aktionäre loszuwerden versucht, um sich so auf die neuen Wachstumsbereiche zu konzentrieren. Vielleicht können diese Abspaltungen und die dann folgende Konzentration auf zukunftsfähige Aktivitäten mit höheren Gewinnmargen doch noch einmal so etwas wie Fantasie in der Aktie wecken.