GASTBEITRAG

Anleger und politische Risiken im Jahr 2018

Börsen-Zeitung, 27.1.2018 Im vergangenen Jahr verzeichneten die US-Aktienmärkte trotz Schlagzeilen über eine mögliche Einflussnahme Russlands auf die US-Präsidentschaftswahlen, Raketentests in Nordkorea und zahlreicher weiterer besorgniserregender...

Anleger und politische Risiken im Jahr 2018

Im vergangenen Jahr verzeichneten die US-Aktienmärkte trotz Schlagzeilen über eine mögliche Einflussnahme Russlands auf die US-Präsidentschaftswahlen, Raketentests in Nordkorea und zahlreicher weiterer besorgniserregender Ereignisse beträchtliche Zugewinne. Eine derartige Sorglosigkeit an den Märkten ist nicht sonderlich ungewöhnlich. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist der US-Leitindex, der S & P 500, in Reaktion auf Schockereignisse wie etwa die Kubakrise 1962 oder den Krimkonflikt 2014 im Durchschnitt um gerade einmal 3,5 % gefallen und konnte diese Verluste binnen fünf Tagen auch wieder wettmachen.Derzeit agieren die Finanzmärkte dank der Liquiditätsspritzen der Zentralbanken sicherlich ruhiger, als dies gewöhnlich der Fall wäre. Generell stimmt die Gewissheit, dass starke Institutionen wie Zentralbanken in Krisenzeiten eingreifen (etwa mit Zinssenkungen nach den Terrorangriffen vom 11. September), die Anleger zuversichtlich. Der Energiemarkt spielt vielleicht auch eine gewisse Rolle. Der Ölpreis – einst ein wesentlicher Faktor, um Schocks auf Märkte und Volkswirtschaften zu übertragen, – ist mittlerweile gegenüber Ereignissen im Nahen Osten und in anderen ölproduzierenden Ländern und Regionen wesentlich weniger anfällig. Die Schieferöl-Revolution hat die globalen Ölmärkte in den letzten zehn Jahren aufgemischt, indem sie den langjährigen Rückgang der Fördermengen in den USA umgekehrt, den Einfluss der Opec geschmälert und seit 2014 dazu beigetragen hat, dass die Ölpreise deutlich rückläufig sind.Trotzdem gibt es politische Risiken, die es 2018 im Auge zu behalten lohnt. Das gegenwärtige globale Wachstum könnte nicht von Dauer sein und dürfte Anlegern darüber hinaus keine Abschirmung vor politischen und geopolitischen Schocks garantieren. Die jüngste globale Erholung ist nach wie vor nicht so robust, um einige der Spannungen, die dem aufkeimenden Populismus zugrunde liegen, abzubauen. Der Aufstieg des PopulismusDie hinter dem Populismus steckenden Kräfte “gären” seit Jahren und unter Umständen wird ihre Überwindung auch ebenso viel Zeit in Anspruch nehmen. In den vergangenen Jahrzehnten haben gemäßigte Regierungen auf wirtschaftliche und politische Ereignisse im Allgemeinen ähnlich reagiert. Der Aufstieg des Populismus scheint jedoch mit diesem politischen Konsens gebrochen zu haben. Populistische Regierungen zeichnen sich in der Regel durch enger gefasste, nationalistische Interessen aus, die nur schwer mit internationaler Zusammenarbeit vereinbar sind. In diesem Umfeld tun sich Einrichtungen wie die G 20, deren Aufgabe darin besteht, für internationale Probleme internationale Lösungen zu finden, schwer. Dies ist bereits in einem ruhigen globalen Umfeld nicht unproblematisch, ganz zu schweigen davon, wenn es zu einer besorgniserregenden Wende der Ereignisse kommen sollte. Probleme für ZentralbankenAber auch andere institutionelle Fundamente könnten 2018 auf die Probe gestellt werden. So haben die Zentralbanken durchaus geholfen, die Märkte zu beruhigen. Mittlerweile stehen sie aber vor einer möglichen Vertrauenskrise. Angesichts eines wesentlich niedrigeren Inflationsdrucks als erwartet stellen die Märkte nun in Frage, ob die Zentralbanken die Funktionsweise ihrer Volkswirtschaften noch gut genug kennen oder wissen, wie sie auf Schocks reagieren sollen.Wenn die Rückführung der außergewöhnlichen Maßnahmen an den Finanzmärkten für Unruhe sorgt, können sich die Zentralbanken nicht unbedingt der Unterstützung durch die Politik sicher sein. Populisten wie Präsident Trump könnten Zentralbanken im Falle eines Schocks als bequeme politische Sündenböcke nutzen.Die Gefahr besteht, dass die institutionelle Glaubwürdigkeit genau dann Schaden nimmt, wenn sie am meisten gebraucht wird. Selbst scheinbar vertraute Risiken müssen genau beobachtet werden. Ereignisse mit Wiederholungspotenzial, etwa die Raketentests von Nordkorea oder die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern, können einen abschwächenden Effekt auf die Finanzmärkte haben.Ein Schock fühlt sich weniger wie ein Schock an, wenn er vertraut ist. Anleger schütteln sie dann generell im wahrsten Sinne des Wortes ab. Sich wiederholende Ereignisse sind jedoch eventuell die Symptome eines größeren, noch bevorstehenden Schocks.Die rationale Antwort auf diese Risiken besteht darin, die Ruhe zu bewahren. Letztlich könnten die Anleger nur deshalb hoffnungsfroh erscheinen, weil sie ganz einfach über die kurzfristigen Störfaktoren hinausblicken und sich stattdessen auf die fundamentalen Stärken von Volkswirtschaften und Unternehmen konzentrieren. Das ergibt Sinn. Eine Portfolioanpassung, um auf bestimmte Risiken einzugehen, kann kostspielig sein und eventuell die längerfristige Anlagestrategie aufs Spiel setzen. Fundamentales im BlickAngesichts der globalen Erholung und weiterhin relativ ungehinderter Mittelflüsse dürfte das fundamentale Wirtschaftsumfeld gegenüber politischen Risiken auf längere Sicht wohl die Oberhand behalten. Politik ist nicht alles. Allerdings ist davon auszugehen, dass sie 2018 eine große Rolle spielen wird.—-Lucy O’Carroll, Chefvolkswirtin bei Aberdeen Standard Investments