Anleger vertrauen auf den Kuroda-Put
Die neuen geldpolitische Lockerungsmaßnahmen der Bank of Japan haben dem Aktienmarkt des Landes einen kräftigen Schub verliehen. Vor allem zinssensitive Titel profitieren; exportorientierten Aktien kommt das Absacken des Yen auf ein Siebenjahrestief zugute. Experten beurteilen die Aussichten des Aktienmarkts optimistisch.Von Martin Fritz, TokioDie unerwartete Beschleunigung der Wertpapierkäufe durch die Bank of Japan am vergangenen Freitag hat die japanische Börse elektrisiert. Vor dem langen Wochenende mit dem Feiertag am Montag sprang der Nikkei 225 um 4,8 % auf 16 414 Yen. Das war der höchste Stand seit sieben Jahren. Der marktbreite Topix kletterte um 4,3 % auf 1 334 Punkte. Das Handelsvolumen von 4 Milliarden Aktien lag um 75 % über dem 30-Tages-Schnitt. Die größten Gewinner waren zinssensitive Werte wie der Immobilien-Entwickler Mitsubishi Estate (+ 16 %), die Finanzgruppe Sumitomo Mitsui (+ 7,2 %) und das Brokerhaus Nomura (+ 6,8 %). Außerdem reagierten Exportwerte wie Toyota (+ 3,8 %) auf das Siebenjahrestief des Yen zum Dollar. Seit Jahresanfang liegen Nikkei und Topix nun mit 0,8 % bzw. 2,4 % im Plus.Der wichtigste Faktor für die Blitz-Rally waren die neuen Geldspritzen der Bank of Japan (BoJ). Relativ zur Wirtschaftsleistung weitet keine andere Zentralbank ihre Bilanzsumme so rasch aus. Jetzt wird das Tempo der Wertpapierkäufe um 23 % erhöht. Zum Jahresende werden in der BoJ-Bilanz 297 Bill. Yen (2,1 Bill. Euro) stehen. Das entspricht 56 % des Bruttoinlandsprodukts. Carry Trade angekurbeltAus Anlegersicht bedeutet diese weiter gelockerte Geldpolitik zweierlei: Erstens wächst der Abstand der Anleihenrenditen zu den US-Treasuries, was den Yen schwächt. Dies ist ein klassischer Treiber für die Aktienkurse von Exportfirmen, da mit jeder Abwertung ihre Gewinne bei der Repatriierung der Auslandseinnahmen zunehmen. Zudem kurbelt die schwache Währung den Carry Trade an, wodurch sich die Spirale aus Abwertung, Gewinnanstieg und Kurszuwachs weiter dreht.Zweitens hilft die Verdreifachung der Fondskäufe durch die BoJ dem Aktienmarkt direkt. Jährlich erwirbt die Notenbank nun Indexfonds für 3 Bill. Yen (21,5 Mrd. Euro) sowie börsennotierte Immobilienfonds für 90 Mrd. Yen (643 Mill. Euro). Im Vergleich zur Marktkapitalisierung der Tokioter Börse von 4,5 Bill. Dollar (Ende 2013) ist das nicht dramatisch viel, aber in unsicheren Zeiten können diese BoJ-Käufe den Markt stabilisieren.Vor diesem Hintergrund sprach das Brokerhaus Nomura von einem Kuroda-Put für den Yen-Dollar-Wechselkurs und den Aktienmarkt. Denn der 70-jährige BoJ-Chef stellte am Freitag erneut klar, dass er “alles” tun werde, um sein Inflationsziel von 2 % zu erreichen. Auch wenn sein Zeitrahmen von “rund” zwei Jahren nicht (mehr) in Stein gemeißelt ist, bedeutet dies, dass im Fall einer schwächeren Wirtschaft und sinkenden Inflationsrate die Bank of Japan eine weitere Bazooka abfeuern wird. Anders als die Fed-Chefs Greenspan und Bernanke will Kuroda jedoch nicht einen Bullenmarkt bei Aktien stützen, sondern den zwei Jahrzehnte dauernden Bärenmarkt für Risikoanlagen in Japan beenden. Tatsächlich war das vorlaufende Kurs-Gewinn-Verhältnis des Topix noch nie so niedrig wie heute. Und der Nikkei müsste bis zum Rekordhoch vom 29. Dezember 1989 noch 137 % zulegen. Dennoch müssen sich Japan-Anleger fragen, wie viel von diesen Entwicklungen bereits eingepreist ist.Einen anderen Grund für Optimismus liefert die neue Portfolio-Struktur des Mega-Pensionsfonds GPIF mit einem Vermögen von 127 Bill. Yen (907 Mrd. Euro) Ende Juni zugunsten von risikoreicheren Anlagen. Der staatliche Rentenfonds reduziert seine Quote für Staatsanleihen um knapp die Hälfte auf 35 %. Der Anteil für japanische und ausländische Aktien verdoppelt sich auf jeweils 25 %. 1 Prozentpunkt an Verlagerung bedeutet eine Bewegung von 1 Bill. Yen (7 Mrd. Euro) am Finanzmarkt. Notenbank-Chef Kuroda bestritt einen Zusammenhang zwischen der weiteren Lockerung und der neuen GPIF-Anlagestrategie. Aber de facto kann die Bank of Japan nun die Staatsanleihen des Fonds absorbieren, während das Geld an den Aktienmarkt fließt. Allerdings ist noch nicht bekannt, in welchem Ausmaß der Fonds die Umschichtung von Bonds in Aktien schon vollzogen hat. Gewinne auf RekordniveauAnalysten nennen noch weitere Argumente für japanische Aktien: Zum einen steigen die Gewinne der Unternehmen pro Aktie in diesem Jahr auf ein Rekordhoch. 2015 dürfte der schwache Yen erneut stützen. Zum anderen behalten die Unternehmen ihren eigenen Aktienkurs neuerdings viel mehr im Auge als früher. So verdreifachte soeben der hochprofitable, aber bisher knauserige Elektronikspezialist Keyence die Dividende.Sorgen bereitet lediglich die schwache Konjunkturentwicklung. Für das laufende Jahr zeichnet sich ein Nullwachstum ab. Nach Ansicht von BNP Paribas wächst daher die Wahrscheinlichkeit einer Stagflation in Japan.