IM INTERVIEW: ANDREW MILLIGAN, STANDARD LIFE INVESTMENTS

"Anleihen stehen vor schwerer Phase"

Chefstratege hält politische Risiken für begrenzt und empfiehlt Übergewichtung von Aktien

"Anleihen stehen vor schwerer Phase"

Dank der Rekordjagd der Wall Street geht der Aktien-Bullenmarkt in diesem Monat in sein neuntes Jahr. Zuletzt zeigten sich die Aktienmärkte allerdings eher gehemmt; die vielfältigen politischen Unsicherheiten sorgen für Zurückhaltung. Andrew Milligan, Head of Global Strategy bei Standard Life Investments, hält die politischen Risiken für begrenzt und rät zur Übergewichtung von Aktien.- Herr Milligan, die Aktienmärkte werden von vielfachen politischen Unwägbarkeiten gehemmt. Wie sollen Investoren mit diesen schwer kalkulierbaren Risiken umgehen?Wir sagen unseren Kunden: Das P, das für Profite steht, ist wichtiger als das P für Politik. Investoren sind verständlicherweise über die politischen Risiken in den USA, Europa oder auch China besorgt. Sie laufen dabei aber Gefahr, zu viel über Politik nachzudenken und dadurch den Aufschwung der Weltwirtschaft zu verkennen. In den USA, Europa und China sehen wir gutes Wachstum. Die Unternehmen erwirtschaften gute Gewinne. Die Gewinnrezession scheint im Herbst 2016 geendet zu haben, und die Aufwärtsbewegung wird sich unserer Einschätzung nach in diesem Jahr fortsetzen.- Und was kommt danach?Ob sich die bessere Gewinnentwicklung auch im kommenden Jahr fortsetzt, hängt eben von der Politik ab. Was Trump macht, könnte die Gewinnaussichten ebenso stark beeinflussen wie der Ausgang der französischen Präsidentschaftswahlen. So könnten die Steuersenkungen in den USA enttäuschen. Auch eine neue Explosion Griechenlands ist vorstellbar.- Wie positionieren Sie sich?Wir sind zurzeit in Aktien übergewichtet, vor allem in den USA. Uns gefallen aber auch europäische und japanische Aktien sowie einzelne Werte aus den Schwellenländern. In Staatsanleihen sind wir untergewichtet. Anleihen stehen angesichts der Leitzinserhöhungen und der anziehenden Inflation vor einer schweren Phase. Wir können aber auch nicht ganz auf sie verzichten, weil Portfolios eine Portion Sicherheit brauchen. Wir empfehlen Income-Strategien und in diesem Zusammenhang Hochzinsanleihen und Immobilien.- Was erwarten Sie von der Fed?Wir sind ziemlich sicher, dass die Fed in dieser Woche den Leitzins erhöhen wird. Die Arbeitsmarktzahlen vom Februar bestätigen uns in dieser Annahme, die implizite Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung liegt bei annähernd 100 %. Die Märkte preisen zwei weitere Erhöhungen in diesem Jahr sowie jeweils drei Anhebungen 2018 und 2019 ein. Das scheint vernünftig, aber die große Ungewissheit ist das Ausmaß des fiskalischen Impulses, den Donald Trump und die Republikaner zustande bringen werden. Die US-Notenbank will die Zügel ohnehin anziehen, das Timing und das Tempo werden im wesentlichen von den fiskalischen Entscheidungen abhängen.- Wie realistisch ist das 4-Prozent-Wachstumsziel der US-Regierung?Das Wachstumsziel ist nicht unrealistisch. Trump kann in erheblichem Umfang Stimuli setzen. Aber es ist ungewöhnlich, so etwas in einer derart späten Phase des Konjunkturzyklus zu machen. Damit drohen Zweitrundeneffekte. Die Arbeitslosenrate ist bereits sehr niedrig, und die Ankurbelungsmaßnahmen könnten die Fed, die den Leitzins ohnehin normalisieren will, veranlassen, ihn schneller zu erhöhen. Ob 4 % erreicht werden, wird man sehen. Aber wenn die Arbeitslosenrate weiter sinkt, werden die Löhne stärker steigen, und das ist nicht gut für die Unternehmensgewinne.- Muss die Trump-Euphorie in Teilen des Marktes somit überdacht werden?Wir raten dazu, in Bezug auf die Wirtschaftspolitik von Trump zwischen einer ersten und einer zweiten Phase zu unterscheiden. In der ersten Phase wird es aufgrund der Ankurbelung höheres Wachstum geben. In der zweiten Phase wird es möglicherweise eine anziehende Inflation, einen steigenden Dollar und höhere Zinsen geben. Das könnte 2018 oder 2019 geschehen. Man kann klar erkennen, dass Trump derzeit die Saat für zukünftige Probleme in den Boden setzt.- Wissen das er und seine mit ökonomischer Expertise ausgestatteten Kabinettsmitglieder und Berater denn nicht?Trump wurde von amerikanischen Wählern gewählt, deren Problem es ist, dass ihr Lebensstandard in den zurückliegenden Jahren immer weiter gesunken ist. Er hat ein auf diese Wähler zugeschnittenes Paket geschnürt. Dazu zählen die Einwanderungspolitik, Zölle et cetera. Das Problem wird sein: Haben wir nur höheres Wachstum oder folgen unweigerlich höhere Inflation beziehungsweise höhere Zinsen? Beide Nebeneffekte würden seinen Wählern wehtun. Trump interessiert sich aber nicht für die zweite Phase. Er hält sie für beherrschbar und fokussiert sich auf seine Wahlversprechen. Als Immobilienentwickler ist er es gewöhnt, Schulden aufzunehmen nach dem Motto: Schulden machen und bauen. Seine Annahme ist, dass die Verschuldung steigen kann, weil die US-Volkswirtschaft größer wird.- Manche blicken mit Sorgen auf die Bewertungen am US-Aktienmarkt. Wie schätzen Sie die Lage ein?Die Bewertungen sind moderat teuer, aber nicht sehr teuer. Im vierten Quartal 2016 sind die Unternehmensgewinne im S & P 500 im Vorjahresvergleich um nahezu 8 % gestiegen. Das war ein sehr gutes Wachstum, das beste seit rund zwei Jahren. Natürlich spielte dabei die Erholung im Öl- und Ressourcenbereich eine maßgebliche Rolle. Ohne diese Bereiche läge das Wachstum eher bei der Hälfte. Wenn die Steuersenkung kommt, könnten die Unternehmensgewinne in diesem Jahr auch um 10 bis 15 % steigen. Sie ist noch nicht vollständig eingepreist, weil nicht klar ist, was letztlich im Einzelnen geschehen wird. Unternehmen, die eine hohe Steuerlast haben, haben noch keine Outperformance gegenüber Unternehmen mit niedriger Steuerlast gezeigt. Wenn die Margen der Unternehmen durch Zweitrundeneffekte unter Druck geraten sollten, würden wir allerdings beginnen, uns Sorgen zu machen. Wir würden dann in von höheren Zinsen profitierende Finanzwerte umschichten, eventuell zu Lasten von Autoaktien.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.