IM INTERVIEW: MICHAEL HAUER, PWC

"Ansatz mit EU-weiter Bedeutung"

Luxemburgs Aufsicht mit neuen Vorgaben für die Emission von grünen Pfandbriefen auf Gesetzesgrundlage

"Ansatz mit EU-weiter Bedeutung"

Luxemburg verfügt über ein gesetzliches Rahmenwerk für die Emission von Pfandbriefen der erneuerbaren Energien. Die Aufsicht CSSF hat klare Vorgaben für die Umsetzung in der Praxis gemacht. Dabei geht es unter anderem um eine Beleihungswertermittlung. Michael Hauer von PwC Luxemburg geht im Interview der Börsen-Zeitung auf wesentliche Elemente ein. Herr Hauer, die Luxemburger Finanzaufsicht CSSF hat die Vorkehrungen für die Emission von Pfandbriefen der erneuerbaren Energien konkretisiert. Dazu zählt auch eine Markt- und Beleihungswertermittlungsverordnung für erneuerbare Energien. Was sind die generellen Grundprinzipien dieser Verordnung?In ihrem Rundschreiben vom Dezember 2018 legt die CSSF Standards zur Bewertung von Erneuerbare-Energie-Anlagen und zugehöriger Infrastrukturen fest, die sich als Deckungsmasse für den Erneuerbare-Energie-Pfandbrief Lettre de Gage d’Energies Renouvelables qualifizieren. Neben den Begriffsbestimmungen definiert die Verordnung Mindeststandards und Anforderungen an Gutachter, Prozesse und Verfahren, Daten- und Methodenkonsistenz, den Umgang mit Risikofaktoren sowie mit notleidenden Krediten. Um es vorwegzunehmen: Im Vergleich zur deutschen Beleihungswertverordnung erfordert ihr Luxemburger Pendant meines Erachtens eine intensivere Auseinandersetzung mit den zu Grunde liegenden Cash-flow-Prognosen. In der Beleihungswertverordnung werden im Rahmen des normierten Ertragswertverfahrens die Kapitalisierungszinssätze in Form von Bandbreiten vorgegeben. Für Schiffe und Flieger gilt primär das Marktwertverfahren unter Berücksichtigung von Marktpreisstatistiken. Die CSSF verpflichtet in ihrer Verordnung hingegen zu einer differenzierten Risikoanalyse, um daraus einen risikoorientierten Kapitalisierungszins zur Diskontierung des assetspezifischen Free Cash-flows abzuleiten. Wie ist die generelle Herangehensweise bei der Ermittlung des Beleihungswertes, und welchen speziellen Rahmen gibt das Luxemburger Pfandbriefgesetz für eine individuelle Risikoanalyse und Bewertung von Assets der erneuerbaren Energien vor?Laut der CSSF-Verordnung bildet der nach IFRS 13 ermittelte Fair Value die Basis zur Ableitung des sogenannten nachhaltigen Beleihungswertes ERV. Abzüglich der im Luxemburger Pfandbriefgesetz definierten gesetzlichen Abschläge ergibt sich der Besicherungswert, der bis zur Höhe des ausgezahlten Kredites als Deckungswert in den Deckungsstock eingestellt werden kann. Vor dem Hintergrund ihres immobilen Charakters ist für Erneuerbare-Energien-Assets ein Cash-flow-basiertes Ertragswertverfahren anzuwenden. Damit hat die Luxemburger Finanzaufsicht ihr Rundschreiben an internationale Bewertungsstandards herangeführt, womit zum Beispiel aber auch Abschreibungs- und Steuereffekte bei der Beleihungswertermittlung zu berücksichtigen sind. Das heißt konkret?Für die Berechnung des ERV dürfen ausschließlich Laufzeiten und Cash-flows berücksichtigt werden, die nachvollziehbar prognostiziert werden können. So ist zum Beispiel eine lineare Extrapolation vor dem Hintergrund fehlender Evidenz ausgeschlossen. Die Abzinsungsätze müssen dabei alle spezifischen Produktions-, Länder-, Inflations-, Technologie-, Markt- und Zinsrisiken als Aufschlag berücksichtigen. Das heißt, man muss die Risiken für jedes Projekt einzeln analysieren und bewerten. Die Nachhaltigkeit der Annahmen ist durch nachvollziehbare Dokumentation zu unterlegen. Wie ist der luxemburgische Ansatz im Hinblick auf die Diskussionen zur Weiterentwicklung der deutschen Beleihungswertverordnung zu sehen?Das vom VdP unterstützte Long-Term Sustainable Value Network hat in ihrem im vorigen Jahr veröffentlichten Diskussionspapier angeregt, dass auf Basis definierter Grundprinzipien auf vorgegebene Kapitalisierungszinssätze in der Beleihungswertverordnung verzichtet werden kann. Grundprinzipien dafür sind zum Beispiel das Abstellen auf fundierte Marktdaten als Bewertungsgrundlage sowie die Transparenz und Dokumentation zu allen Wertparametern. Kapitalisierungssätzen sollen länderspezifische Bewertungsmethoden zugrunde liegen, wobei auch die länderspezifische Qualität und Verfügbarkeit von Daten und Marktinformationen berücksichtigt werden soll. Gut vorstellbar, dass der Luxemburger Ansatz hierzu einen substanziellen Diskussions- und Entwicklungsbeitrag leisten kann. Im Rahmen eines sogenannten Health Checks soll der gewählte risikoadäquate Zinssatz gegen eine sogenannte All Risks Yield gestellt werden. Was verbirgt sich dahinter?Im Rahmen des Ertragswertverfahrens reflektiert die All Risks Yield sämtliche Objekt- und Markteigenschaften. Der so abgeleitete Diskontierungssatz soll darüber hinaus mit historischen Transaktionsdaten, Marktdaten und/oder eigenen Portfoliokennzahlen verglichen werden. Hierzu macht die Aufsicht keine konkreten Vorgaben, führt jedoch Beispiele auf wie das CAPM. Was ist dabei zu berücksichtigen?Neben dem risikolosen Basiszins und dem grundsätzlichen Geschäftsrisiko sind alle bekannten projektspezifischen Risiken im Diskontierungssatz zu berücksichtigen. Dessen Vergleich mit projekttypischen statistischen Standardrisiken kann darüber hinaus weitere Risikoaufschläge erforderlich machen. Dies bedingt natürlich eine hinreichend große Datenbasis. Im Falle von fehlenden eigenen repräsentativen Datenbanken bietet es sich hier an, die ermittelten Abzinsungssätze mit Statistiken aus größeren Transaktions- und Bewertungsdatenbanken abzugleichen, die klassischerweise auch von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vorgehalten werden. Anlagenhersteller könnten sicherlich auch Aussagen dazu treffen, da sie die entsprechende Datenbasis eigentlich haben sollten. Bewerten lassen sich viele Projekte auch aus der Ferne, das heißt vom Schreibtisch aus. Das hat mitunter schon zu erheblichen Problemen und Diskussionen mit Anlegern geführt. Wie geht die CSSF mit dem Verfahren der Bewertung solcher Assets der erneuerbaren Energien um?Die CSSF macht auch hierzu klare Vorgaben. Die Prüfung und Kontrolle des zu bewertenden Projektes muss zwingend auch vor Ort erfolgen. Die Kontrolle, dass das über den Pfandbrief refinanzierte Projekt dem Finanzierungsplan entsprechend realisiert wurde, kann entweder der ausgewählte Gutachter der Bank oder aber ein qualifizierter und unabhängiger Dritter, zum Beispiel ein technischer Berater, ausüben. Welche Häufigkeit der Neubewertung ist seitens der CSSF vorgesehen?Die Neubewertung hat mindestens einmal jährlich zu erfolgen. Wenn sich jedoch aktuelle Rahmenbedingungen im Vergleich zu den Bewertungsannahmen bei der vorangegangenen Bewertung deutlich geändert haben, wird eine Ad-hoc-Neubewertung erforderlich. Wie ist es um die Konsistenz der Bewertungsmethoden bestellt sowie um die Stichhaltigkeit der prognostizierten Cash-flows, der verwendeten Annahmen und der diesbezüglichen Dokumentation der Daten und Berechnungen?Das beschriebene risikobasierte DCF-Verfahren zur Ermittlung des Beleihungswertes darf laut der Verordnung nur dann zur Anwendung kommen, wenn die zu erwartenden Cash-flows auf eine zuverlässige Art und Weise prognostiziert werden können. Der Gutachter muss dabei die Eignung und Überprüfbarkeit der verwendeten Daten und Annahmen belegen, zum Beispiel durch Zeitreihen, Ertragsgutachten, Due-Diligence-Berichte, Verträge, Protokolle et cetera. Des Weiteren sind die angewendeten Verfahren präzise zu beschreiben. Eine Änderung der Bewertungsmethode ist nur dann akzeptiert, wenn objektive Gründe und Notwendigkeiten nachvollziehbar vorliegen und für den externen Treuhänder dokumentiert werden können. Ex-post-Abweichungsanalysen zwischen prognostizierten und realisierten Cash-flows geben dabei konkrete Hinweise auf einen eventuellen Anpassungsbedarf. Kommen Gutachter in diesen Prozessen zum Einsatz, und was umfasst ihr Aufgabenbereich?Gesetzlich vorgeschrieben ist die Einsetzung eines unabhängigen und für die Bewertung von Erneuerbare-Energie-Assets sowie von Zielmärkten qualifizierten Gutachters durch die Pfandbriefbank. Der Gutachter ist dabei verantwortlich für die Ermittlung des Beleihungswertes. Dabei stützt er sich unter anderem auch auf vorangegangene Gutachterergebnisse, wie zum Beispiel Ertragswertgutachten, Marktpreisgutachten, Rechtsgutachten, Versicherungsgutachten, technische Gutachten et cetera. Der bankinterne Gutachter ist dabei nicht in die Finanzierungsprozesse involviert und in seiner Funktion lediglich gegenüber der Geschäftsleitung rechenschaftspflichtig. Darüber hinaus fungiert der gesetzlich bestellte Treuhänder als externe Kontrollinstanz im Verfahren. Wie wird in der Deckungsmasse mit ausgefallenen Krediten – ausstehende Zinszahlungen und Tilgungszahlungen – umgegangen?Mit dieser Verordnung hat die CSSF die Chance genutzt, auch den Umgang mit notleidenden Krediten zu regeln, die Teil der Deckungsmasse von Pfandbriefen für erneuerbare Energien sind. Im Einklang mit EU-Recht hängt das Eintreten eines Zahlungsausfalls somit vom Kriterium der 90-tägigen Überfälligkeit zur Begleichung der Verbindlichkeiten ab. Sollten ausstehende Verbindlichkeiten mehr als 1 % des Einzelkreditwertes ausmachen, wird dieser als Deckungsmasse ausgeschlossen. Welche künftigen Anwendungen lassen sich aus der Luxemburger Beleihungswertverordnung ableiten, und zwar für Bewertungen anderer Assets, das heißt auch außerhalb des Luxemburger Pfandbriefsektors?Mit der vorliegenden Beleihungswertverordnung gibt es weltweit zum ersten Mal einen regulatorisch verbindlichen Rahmen zur Bewertung von Erneuerbare-Energie-Assets, der zudem auch auf internationale Bewertungsstandards referenziert. Dies könnte über die Grenzen des Pfandbriefwesens hinaus vor allem für die Bewertung von SPV im Fondsgeschäft und Transaktionswesen relevant werden. Auch dort ist die Sicherstellung der Nachhaltigkeit von Fair-Value-Berechnungen eine Herausforderung für jeden Assetmanager. Darüber hinaus bietet der vorliegende Ansatz auch einen substanziellen Rahmen zur Bewertung von Infrastrukturprojekten im Bereich der erneuerbaren Energien, wie zum Beispiel Energiespeicher, E-Mobility-Infrastruktur, Netze oder Transformation. Nebenbei bemerkt: Die neue Luxemburger Pfandbriefklasse bietet für diese Langläufer übrigens auch die Chance einer laufzeitkongruenten Refinanzierung. Hat das EU-weit Bedeutung?Ja, ich sehe die neue Beleihungswertverordnung durchaus als ein potenzielles Unterstützungsinstrument für die Umsetzung der EU-Klima- und -Energieziele. Im Rahmen der europäischen Sustainable Finance Initiative werden jährliche Investitionen in Höhe von 230 Mrd. Euro bis 2030 angestrebt, wovon 20 % aus dem EU-Haushalt selber fließen sollen. Solche Investitionen bedürfen einer transparenten Risikosteuerung, vor allem durch klare Bewertungsstandards, wozu der vorliegende CSSF Ansatz wesentlich beitragen kann.Das Interview führte Kai Johannsen.