Technologieaktien

Apples vierte Billion liegt weit in der Zukunft

Apple ist als erstes Unternehmen an der Börse 3 Bill. Dollar schwer. Die vierte Billion dürfte dem Technologiekonzern allerdings deutlich schwerer fallen.

Apples vierte Billion liegt weit in der Zukunft

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Apple hat wieder einmal einen bedeutenden Meilenstein gesetzt: Erstmals in der Geschichte der Menschheit hat ein Unternehmen einen Börsenwert von 3 Bill. Dollar erreicht – zumindest kurzzeitig. Es gibt zahlreiche Stimmen, die schon die nächste Billion voraussagen. Die Größenordnung, in die Apple vom Marktwert her vorgestoßen ist, ist nur noch schwer zu begreifen: Wäre der Konzern ein Staat und die Börsenkapitalisierung mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) gleichzusetzen, so wäre Apple gemäß den BIP-Schätzungen des Internationalen Währungsfonds für 2021 das siebtgrößte Land der Welt – nach Indien und noch vor Frankreich, Italien, Kanada, Südkorea und Russland. Und sollte Apple auf 4 Bill. Dollar bzw. knapp darüber vorrücken, könnte der Konzern sogar Deutschland hinter sich lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Apple für die neueste Billion gerade einmal sechs Monate benötigt hat. Zugegebenermaßen hinken die genannten Vergleiche, weil sich die Börsenkapitalisierung keinesfalls mit dem Bruttoinlandsprodukt vergleichen lässt.

Bemerkenswert an dieser Entwicklung ist, dass es sich bei Apple keinesfalls um den global größten PC-Produzenten handelt oder um den größten Smartphone-Hersteller. Dies sind jeweils die chinesische Lenovo mit 14 Mrd. US-Dollar Marktwert und Samsung Electronics mit 440 Mrd. US-Dollar Börsenkapitalisierung. Dies lässt die Frage aufkommen, ob sich ein derart astronomischer Marktwert von Apple rational begründen lässt.

Angehobene Bewertung

Sieht man sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Zahlen der vergangenen zwölf Monate an, ergeben sich mit 32 im Gegensatz zu der oft als Schneeballsystem qualifizierten Tesla-Aktie (KGV von 372) keinesfalls außerirdische Be­wertungsrelationen. Allerdings ist die aktuelle Bewertung doppelt so hoch wie der langfristige Durchschnitt von 15. Vom Umsatz her war Apple 2021 mit 260,2 Mrd. Dollar nur das sechstgrößte Unternehmen der Welt mit Walmart (524 Mrd. Umsatz und einem Kapitalisierung von 401 Mrd. Dollar) an der Spitze. Es ist stattdessen die Ertragskraft, die Apple an die Spitze treibt. Die Kunden sind bereit, deutlich mehr zu zahlen, wenn auf den Erzeugnissen das Apfel-Symbol des Konzerns zu sehen ist.

Es geht aber bei weitem nicht nur um die zumindest bei der Konkurrenz eher niedrigmargigen Computer und Mobiltelefone. So veranschlagt Analyst Daniel Ives von Wedbush Securities das schnell wachsende Dienstleistungsgeschäft mit einem Marktwert von allein 1,5 Bill. Dollar. Aufgrund der Konkurrenzangebote diskriminierenden Ausgestaltung der Betriebssysteme der Apple-Geräte werden von den Kunden hauptsächlich Zusatzdienstleistungen wie Musik-Streaming aus dem Hause Apple in Anspruch genommen. Dies garantiert aufgrund der großen installierten Basis an Geräten ein stetiges und ansprechendes Wachstum im Dienstleistungsgeschäft. Wurden 2021 rund 68 Mrd. Dollar mit hochmargigen Dienstleistungen – der App Store soll auf eine operative Marge von mehr als 70% kommen – erwirtschaftet, sollen es nach Schätzung von Ives 2024 bereits 100 Mrd. Dollar sein. Der Analyst rechnet für 2022 mit einem weiteren Anstieg von Aktienkurs und Marktkapitalisierung um rund 10% – damit würde allerdings die nächste Billion 2022 noch nicht erreicht. Im abgelaufenen Jahr betrug das Wachstum des Dienstleistungsgeschäfts 25,6% bei einem Anstieg der Gesamterlöse von 33,4%. Allerdings legte der Nettogewinn des Konzerns 2021 um 65% zu, womit der Anstieg von Aktienkurs und Marktwert von 37% sogar noch deutlich übertroffen wird.

Dementsprechend ist die Analystengemeinde auch Feuer und Flamme für die Aktie. Von 43 Aktienspezialisten plädieren 28 für den Kauf, während sechs den Titel mit „Overweight“ einschätzen. Nur acht Häuser stufen Apple mit „Hold“ ein und ein einziger Analyst mit „Underweight“. Verkaufsempfehlungen gibt es gar keine. Das harmonische Bild wird dadurch gestört, dass das durchschnittliche Kursziel der Analysten bei 175,81 Dollar liegt, also leicht unter dem aktuellen Preis von rund 180 Dollar. So mancher Analyst ist hingegen deutlich optimistischer. Gov Capital beispielsweise veranschlagt das Zwölf-Monats-Kursziel mit 262,88 Dollar und die Fünf-Jahres-Zielgröße gar mit 734,26 Dollar.

Zusätzliche Chancen für Apple werden dabei von Analysten im entstehenden Geschäft mit Geräten für Augmented/Virtual Reality gesehen oder bei einem Eintauchen von Apple ins Metaverse der zu Meta Platforms umbenannten Facebook. Nicht übersehen werden sollte auch, dass bei Apple möglicherweise noch Luft in der Bewertung enthalten ist. Auf Basis der Erwartungen für die kommenden zwölf Monate liegt das KGV bei 31, bei Microsoft als dem zweitwertvollsten Unternehmen weltweit aber bei 42. Ein Anstieg der Bewertung auf das Niveau von Microsoft würde Apple die vierte Billion bringen.

Apple-Pessimisten verweisen al­lerdings auf den Herdentrieb der Anleger, der sich auch wieder umdrehen kann, sowie darauf, dass auch bei Apple spekulative Adressen mit kurzfristigen Call-Optionen am Werk sind. Mit Blick auf den Herdentrieb ist auch die starke Vereinheitlichung der Analystenmeinungen ein Kontraindikator für die weitere Kursentwicklung der Aktie. Zudem werden die Analystenprognosen zunehmend abstrakt, wenn sie die Aussicht auf künftige Kursanstiege mit der virtuellen Realität des Metaverse begründen.

Enger Aktienmarkt

Ein weiteres Problem für Apple könnte die Enge des amerikanischen Aktienmarktes sein. Im vergangenen Jahr waren die fünf größten Aktien in US-Benchmark-Index S&P500 für 27% des Anstiegs des Index verantwortlich. Eine Abkehr von dieser sehr engen Fokussierung oder auch Turbulenzen bei einer der anderen führenden Aktien im Technologiebereich könnten für die Apple-Aktie zum Problem werden.

Danach sieht es derzeit aber noch nicht aus. Allerdings könnte das Jahr 2022 eine Abschwächung der weltweiten Konsumkonjunktur bringen, weil die Staaten ihre Coronahilfen zurückfahren. Außerdem müssen die Notenbanken die Alimentierung der Finanzmärkte mit den enormen Liquiditätsmengen reduzieren, da die Inflation weltweit aus dem Ruder läuft. Das alles sollte die weiteren Anstiege der Apple-Aktie im neuen Jahr deutlich begrenzen.