Argentinien vor Lösung des Schuldenstreits
Von Mauro Toldo *)Das Ende der argentinischen Default-Saga ist in Sicht. Noch vor seiner Amtseinführung im Dezember hatte Präsident Mauricio Macri erste Gespräche mit Gläubigergruppen geführt. In den vergangenen Monaten hat er sie wiederholt getroffen und unermüdlich mit den verschiedenen Gruppen verhandelt. Die Arbeit der zurückliegenden Monate hat nun Früchte getragen: In der vergangenen Woche konnte eine vorläufige Einigung mit einem Großteil der Investoren verkündet werden. Diese Übereinkunft wurde vom US-Gericht als Grundlage genommen, um den im Jahre 2014 in den USA eingeführten Zahlungsstopp aufzuheben. Das Ende des Zahlungsstopps ist eine notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Umschuldungsprozess. Die wichtigsten Weichen für eine endgültige Einigung mit den “Hold-outs” sind damit gestellt. Zwar ist die Lösung des Schuldenstreits noch nicht in trockenen Tüchern, doch noch nie war das Land so nah an einer Lösung wie heute.Dass der neue Präsident innerhalb kürzester Zeit solche Fortschritte bei den Verhandlungen erreichen konnte, ist bemerkenswert. Es zeigt seinen Willen, die Isolation Argentiniens so schnell wie möglich zu beenden. Und es hat auch damit zu tun, dass er sich ein Team von erfahrenen Ministern zusammengestellt hat, für die eine Einigung mit den Gläubigern hohe Priorität hat. Macri verfügt zwar nicht über eine Mehrheit im Parlament, doch er schwimmt auf einer Welle der Unterstützung in der Bevölkerung, was ihm bis auf weiteres die notwendige Unterstützung im Parlament sichern sollte. Gesetze geändertBereits am vergangenen Freitag trat der argentinische Finanzminister Alfonso Prat-Gay vor das Parlament und stellte die zwei Gesetzesänderungen vor, die vom US-Gericht als notwendige Bedingungen erachtet werden, um eine Einigung möglich zu machen. Erstens steht die Aufhebung des “Ley Cerrojo” auf dem Plan. Dieses Gesetz wurde bei der ersten Umschuldung Argentiniens im Jahre 2005 verabschiedet. Damals wurde in der argentinischen Verfassung eine Klausel eingefügt, die das Land gezwungen hätte, jede nachträgliche Verbesserung des damaligen Umschuldungsangebots für alle Anleger wirksam zu machen. Diese Klausel diente dazu, die Anreize für eine Teilnahme an der Umschuldung zu erhöhen.Ebenfalls muss das Gesetz “Ley de Pago Soberano” geändert werden. Dieses Gesetz wurde im Jahr 2014 eingeführt, um den vom US-Gericht eingeführten Zahlungsstopp zu überlisten. Nach Aussagen des Finanzministers hat sich die Regierung eine Mehrheit der Stimmen im Parlament für diese Änderungen bereits gesichert. Der Zeitpunkt für die Abstimmung ist zwar noch nicht beschlossen, doch nach Angaben der argentinischen Presse dürfte dieses Votum innerhalb der kommenden vier Wochen stattfinden. Positiv zu bewerten ist, dass Macri zumindest die Mehrheit im Parlament hinter sich hat, nachdem Anfang Februar achtzehn Abgeordnete der Partei der früheren Präsidentin Kirchner ihre Fraktion verließen. Die Parlamentarier hatten eine moderatere Fraktion gegründet und der Regierung eine größere Bereitschaft zur Zusammenarbeit in Aussicht gestellt.Nachdem eine Einigung erreicht wurde, muss die Regierung die Gelder zur Zahlung an die “Hold-outs” beschaffen. Finanzminister Alfonso Prat-Gay hat die Emission von 15 Mrd. Dollar in Aussicht gestellt. Das Volumen der Anleihen entspricht etwa einem Zehntel der gesamten Auslandsverschuldung Argentiniens oder etwa der Hälfte des aktuellen Niveaus der internationalen Reserven des Landes, die bei rund 30 Mrd. Dollar liegen. Hohe Rendite in SichtLuis Caputo, Staatssekretär im Finanzministerium, hat sich nach Gesprächen mit international agierenden Investmentbanken optimistisch geäußert, dass Argentinien in der Lage sein sollte, ein so großes Volumen sicherzustellen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Risikoaversion internationaler Anleger keinen erneuten Anstieg wie zu Jahresanfang verzeichnet. Für einen Emittenten mit der schwachen Bonität Argentiniens ist es keineswegs einfach, ein so großes Volumen zu emittieren. Eine Anleihe ähnlicher Größenordnung hatte seitens der Emerging Markets zuletzt Mexiko vor zwei Jahrzehnten aufgelegt. Sicher scheint, dass Argentinien eine sehr hohe Rendite bieten muss, um das notwendige Interesse zu schaffen. Das Ende der Isolation wird für Argentinien damit zunächst eine kostspielige Angelegenheit. Erst mittel- bis langfristig dürften die Argentinier in Form von niedrigen Finanzierungskosten für den Staat und die Unternehmen profitieren. Reformen verabschiedetPräsident Macri prescht seit seiner Amtseinführung mit Reformen voran. Innerhalb kürzester Zeit wurden wichtige Reformen verabschiedet. So wurden Exportzölle für wichtige landwirtschaftliche Produkte abgebaut. Die Freigabe des Wechselkurses und der Abbau der Kapitalverkehrsbeschränkungen folgten. Ein wichtiges Signal setzte die Regierung bei der Stärkung von Institutionen wie Zentralbank und Statistikamt. Die Einigung mit den “Hold-outs” und die Rückkehr an die internationalen Kapitalmärkte wären weitere bedeutsame Erfolge für Macri.Allerdings wäre seine Arbeit damit längst nicht beendet. Um Argentinien zur Normalität zu führen, müssen weitere schwierige Ziele erreicht werden. Der erste Schritt in Richtung Budgetsanierung wurde mit der unpopulären Kürzung der Energiesubventionen gemacht. Ebenfalls schwierig gestaltet sich die Bekämpfung der Inflation. Die Hoffnungen ruhen auf Verhandlungen mit den Gewerkschaften, um moderate Forderungen nach Lohnerhöhungen zu erreichen. Hier erhofft sich die Regierung einen Vertrauensvorschuss. Aber die Gewerkschaften scheinen in dieser Hinsicht weniger kooperativ als die US-Gerichte. Rückhalt könnte schwindenPräsident Macri muss die Euphorie, die die ersten Monate seiner Amtszeit begleitend dazu nutzen, um eine gute Grundlage für seine ganze Regierungsperiode zu schaffen. Denn viele der bereits angekündigten Reformen werden in den kommenden Monaten zu einem Anstieg der Unzufriedenheit in der Bevölkerung führen. Ohne die Unterstützung in der Bevölkerung dürfte auch der Rückhalt im Parlament schwinden. Auch deswegen wird das, was die Regierung in den kommenden Wochen erreicht, für die Zukunft Argentiniens entscheidend sein.Die große Herausforderung, die Fehler der Politik seiner Vorgängerin zu korrigieren, muss Präsident Macri in einem schwierigen internationalen Umfeld meistern: So werden die sehr niedrigen Rohstoffpreise voraussichtlich nur langsam steigen. Auch die schwere Krise in Brasilien – Argentiniens wichtigster Handelspartner – wird in den kommenden Monaten wohl nur ganz allmählich überwunden werden. Trotz dieser schwierigen Lage dürfte Präsident Macri die Feuertaufe erfolgreich überstehen.—-*) Mauro Toldo ist Leiter Emerging Markets/Länderrisikoanalyse im Makro-Research der DekaBank.