DEVISENWOCHE

Atempause für Lateinamerikas Devisen

Von Stefan Grothaus *) Börsen-Zeitung, 22.1.2019 Währungen aus den Emerging Markets (EM) sind immer für größere Bewegungen gut. Nachdem im letzten Jahr hier Verluste überwogen, wird die Hitliste der Währungen in diesem (noch kurzen) Jahr angeführt...

Atempause für Lateinamerikas Devisen

Von Stefan Grothaus *)Währungen aus den Emerging Markets (EM) sind immer für größere Bewegungen gut. Nachdem im letzten Jahr hier Verluste überwogen, wird die Hitliste der Währungen in diesem (noch kurzen) Jahr angeführt vom russischen Rubel und vom südafrikanischen Rand, die das letzte Jahr im Tabellenkeller abgeschlossen hatten. Dicht gefolgt werden die beiden von den Währungen Brasiliens und Mexikos.Individuelle Faktoren sind zwar meist die entscheidenden Triebfedern, allerdings zeichnen sich EM-Währungen auch durch gemeinsame Einflussgrößen aus. An erster Stelle ist dabei die allgemeine “Risikoneigung” zu nennen, wie auch immer sie genau zu quantifizieren ist. Diese hat sich in diesem Jahr merklich erhöht. Eine zentraler Einflussfaktor für die Stimmung sind dabei die US-Zinsen, die über mehrere Kanäle die Finanzmärkte in den EM-Ländern auch fundamental bewegen können.Zum einen finanzieren sich viele Staaten und Unternehmen aus dem EM-Segment am internationalen Markt in US-Dollar und sind daher bei steigenden US-Zinsen höheren Finanzierungskosten ausgesetzt. Die hohe und steigende US-Dollar- Verschuldung des Unternehmenssektors in vielen EM-Ländern wurde im letzten Jahr zunehmend als ein Risikofaktor ausgemacht. Vorsicht gegenüber einem Engagement in der Währung kann dann zu einem Teufelskreis aus steigender Belastung für Unternehmen und Wirtschaft und weiterer Währungsschwäche führen.Zum anderen sind Anlagen in Emerging Markets eine oftmals willkommene höher verzinsliche Anlagealternative, deren Attraktivität von der Renditedifferenz zu den USA abhängt. Allein die Aussicht auf höhere Zinsen in den USA hatte in der Vergangenheit bereits zu Belastungen für EM-Währungen geführt. Die sogenannte Tapering-Diskussion 2013 ist nur ein Beispiel von vielen. Das letzte Jahr war daher keine Ausnahme. Diese Argumentation gilt allerdings allenfalls in einem eingeschränkten Maße für die mittel- und osteuropäischen Länder, die wirtschaftlich eng in die EU integriert sind und deren Wohl und Wehe sich damit stärker am Euroraum und an der Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) orientiert. Deren Währungen konnten sich daher in diesem Jahr der verbesserten Stimmung für EM-Währungen nicht anschließen, hatten sich 2018 aber auch stabiler gehalten. SeitwärtsbewegungFür die Gruppe der EM-Währungen ist die nun zu erwartende Seitwärtsbewegung der US-Zinsen (wir gehen für zehnjährige US-Staatsanleihen von Renditeniveaus um 2,75 % aus) zwar grundsätzlich ein eher positiver Faktor, allerdings fiel die zinspolitische Umorientierung in den USA nicht vom Himmel, sondern ist Ausdruck eines veränderten wirtschaftlichen Umfelds.Der nun wahrscheinliche Verzicht der Fed auf weitere Zinserhöhungen resultiert aus Fragezeichen hinter der Fortsetzung eines starken US-Wachstums. Neben den auslaufenden fiskalischen Impulsen der US-Steuersenkung sorgen vor allem auch die Handelskonflikte für eine Revision der weltweiten Wachstumserwartungen nach unten. Weiterer “Eskalationsspielraum” besteht hierbei nicht nur zwischen den USA und China, auch die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU stehen derzeit auf dem Prüfstand. Mit den neu aufgenommenen Gesprächen hochrangiger Vertreter der USA und Chinas haben sich aktuell allerdings die Aussichten auf eine Entspannung verbessert. Eine Abkühlung der weltweiten wirtschaftlichen Dynamik kann nicht im Interesse der Emerging Markets sein, bei denen die Rohstoffexporteure insbesondere von der wirtschaftlichen Dynamik Chinas abhängen. Die Entwicklung der Rohstoffpreise in der zweiten Hälfte des letzten Jahres war hier ein warnendes Zeichen.Insbesondere lateinamerikanische Finanzmärkte dürften aufgrund der traditionell engen Beziehungen von stabilen US-Zinsen profitieren. Die beiden größten Märkte Brasilien und Mexiko befinden sich derzeit in einer spannenden Phase. In beiden Ländern haben Anti-Establishment-Kandidaten das Präsidentenamt übernommen.In Mexiko ist der eher linke López Obrador seit dem 1. Dezember im Amt. Er hat zudem den Vorteil, dass seine Partei eine klare Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments hält. Mit einigen Maßnahmen hatte er dabei zunächst die Finanzmärkte verschreckt. Während der Devisenmarkt ihm inzwischen wieder weitgehend verziehen hat, notiert der Aktienmarkt noch merklich unter dem Stand vor den Wahlen (1. Juli 2018), und am Anleihenmarkt liegen die Risikoaufschläge gegenüber US-Renditen deutlich höher als damals. Chancen für den Peso ergeben sich vor allem aus einer insgesamt niedrigen Bewertung, die vor allem an einem deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt liegenden (realen) Außenwert erkennbar ist. Brasilien auf ReformkursIn Brasilien trat der neue Präsident Bolsonaro zum Jahresauftakt mit einem wirtschaftsfreundlichen Programm sein Amt an. Er kann sich aber nicht auf eine eigene Mehrheit im Parlament verlassen. Derzeit warten die Finanzmärkte auf die konkreten Entwürfe für wichtige Reformprogramme. Besonders Augenmerk wird auf die Reform der Alterssicherung gelegt, die der letzten Regierung nicht gelang. Nach Medienberichten hat Bolsonaro mehrere Entwürfe für die Reform mit auf seinen Weg zum Weltwirtschaftsforum nach Davos bekommen. Wichtige Stellgrößen bei der Reform sind das Renteneintrittsalter, die Übergangsfrist und wie der bisher privilegierte öffentliche Dienst (insbesondere das Militär) einbezogen wird. Fiskalische Notwendigkeit und Durchsetzungschancen im Parlament sind dabei gegeneinander abzuwägen.Bisher zeigte sich der Markt noch etwas vorsichtig bezüglich des fiskalischen Ehrgeizes, was die Erholung des Real zuletzt gebremst hat. Anders der brasilianische Aktienindex Bovespa, der von der Aussicht auf eine wirtschaftsfreundliche Politik profitierte und auf ein neues Allzeithoch kletterte. Ein überzeugendes Reformprogramm könnte den Real zwar deutlich Auftrieb verleihen, die große Präsenz ehemaliger Militärs in der Regierung lässt aber an einem großen Wurf zweifeln, zumal eine wirtschaftsfreundliche Politik nicht notwendigerweise auch eine marktwirtschaftliche Politik bedeutet.Die aktuell gute Stimmung gegenüber EM-Währungen ist zu einem guten Teil der Aussicht auf unveränderte US-Zinsen zu verdanken, im weiteren Jahresverlauf sollten aber vor allem individuelle Faktoren wieder die Richtung bestimmen.—-*) Stefan Grothaus ist Devisenanalyst bei der DZ Bank.