GASTBEITRAG

Aufzinsungseffekt bei Qualitätsaktien nutzen

Börsen-Zeitung, 3.9.2016 Die moderne Finanztheorie postuliert, dass Anleger nur in solche Firmen investieren sollten, deren Management eine Rendite erzielen kann, die über den Kapitalkosten liegt. Wenn dieses Renditeziel konsequent verfolgt und auch...

Aufzinsungseffekt bei Qualitätsaktien nutzen

Die moderne Finanztheorie postuliert, dass Anleger nur in solche Firmen investieren sollten, deren Management eine Rendite erzielen kann, die über den Kapitalkosten liegt. Wenn dieses Renditeziel konsequent verfolgt und auch erreicht wird, steigt der für die Aktionäre geschaffene Wert.Der Ertrag auf das eingesetzte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC) misst, wie effektiv das Management beim Kapitaleinsatz im eigenen Unternehmen vorgegangen ist. Eine Gesellschaft mit beständig hohem ROIC kann in Produkte und Dienstleistungen investieren, die künftiges Wachstum ermöglichen, sowie gleichzeitig Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber errichten.Das Nonplusultra für Aktionäre ist eine Firma mit hohem ROIC, starker Bilanz und der Fähigkeit zu schnellem Wachstum. Diese Eigenschaften bedeuten, dass im Vergleich zu einer Firma mit niedrigerem ROIC weniger investiert werden muss, um dasselbe Wachstumsniveau zu zeigen. Folglich ist sie in der Lage, mehr Geld an ihre Aktionäre auszuschütten, über Dividenden und Aktienrückkäufe, ohne das künftige Wachstum zu beeinträchtigen. Ungewöhnliche RenditenNatürlich lockt die hohe Rentabilität Wettbewerber an, was unweigerlich die Rentabilität des Platzhirschs herausfordert. In der Folge sinkt dessen ROIC oder schwingt zumindest zurück auf das Niveau der Kapitalkosten. Hohe Renditen sind in der Tat “ungewöhnlich” und werden daher am Ende “wegkonkurriert”.Allerdings gibt es Unternehmen, die einen hohen ROIC über einen längeren Zeitraum halten können. Folglich müssen diese Firmen einen oder mehrere Wettbewerbsvorteile besitzen, die nur schwer zu kopieren sind und damit eine wirksame Verteidigung darstellen. Dabei handelt es sich häufig um immaterielle Vermögensgegenstände wie Marken, Patente, Vertriebsnetzwerke, extrem feste Kundenbeziehungen und andere Formen von einzigartigem Inhalt oder Kundenbeziehungen. Wir glauben, dass – unter sonst gleichen Bedingungen – eine Firma mit hohem ROIC eine Bewertungsprämie gegenüber einer Firma mit niedrigem ROIC verdient. Allerdings hängt die Wertentwicklung dieser beiden Firmengruppen von der Einschätzung des Marktes ab, über welchen Zeitraum die Rentabilität wieder zum Durchschnitt zurückschwingen wird (Mean Reversion). Der Markt neigt dazu, Qualitätsaktien mit hohem und nachhaltigem ROIC einen zu niedrigen inneren Wert zuzubilligen. Deren Aktienkurse sollten auf lange Sicht besser abschneiden als der Markt.Wir haben diese Hypothese anhand der Unternehmen des MSCI All Countries World Index im Zeitraum 1988 bis Ende 2014 getestet. Wir fanden heraus, dass Mean Reversion innerhalb von fünf Jahren stattfindet, es aber bestimmte Unternehmen in bestimmten Sektoren gibt, die dem standhalten können. Eines unserer Ergebnisse zeigt, dass 72 % der Unternehmen, die mit einem hohen ROIC starteten, diesen auch über einen rollierenden Fünfjahreszeitraum verteidigen konnten. Deren Performance übertraf den Gesamtmarkt um 4,5 % im Durchschnitt. Mehr MöglichkeitenDa diese Qualitätsunternehmen tendenziell “capital light” operieren, also minimale Investitionsausgaben für den Geschäftsbetrieb benötigen, wandeln sie ihren Gewinn fast vollständig in Cash. Dieser Barmittelzufluss ist entscheidend für die Beständigkeit des Unternehmenswachstums, da das Management mehr Möglichkeiten erhält. Es kann gleichzeitig in organisches Wachstum investieren oder Zukunftspotenzial über externe Zukäufe realisieren und dabei trotzdem noch die Aktionäre mit einer steigenden Dividende bedienen.Eine Politik steigender Dividenden ist wichtig; sie bringt zum Ausdruck, dass die Unternehmensstrategie auf Kapitaldisziplin basiert. Auch signalisiert sie Stärke des Geschäftsmodells und Zuversicht in den Geschäftsverlauf. Obendrein ist damit ein klares Bekenntnis gegenüber dem Aktionär verbunden. Allerdings muss die Dividende aus dem freien Cash-flow gezahlt werden und nicht aus der Substanz oder etwa durch Verkäufe bzw. Schuldenaufnahme finanziert werden.Ein weiteres Merkmal von Qualitätsunternehmen sind die diversifizierten Erlösströme, die üblicherweise aus dem Verkauf eher großer Mengen von niedrigpreisigen Gütern resultieren. Daraus wiederum ergibt sich eine relativ geringe Abhängigkeit von Makrofaktoren wie Konjunktur, Regionen und Kundengruppen. Unter dem Strich weisen die Aktien von Qualitätsunternehmen deshalb eine geringere Volatilität auf. Schwankungsreduzierend wirkt zudem, dass ihr Firmensitz überwiegend in den Industrieländern ist, womit eine Börsennotiz an großen, liquiden und regulierten Märkten mit hohen Standards hinsichtlich Corporate Governance und Transparenz einhergeht. Bleibt abschließend noch die Frage nach der Bewertung von Qualitätsunternehmen. Wir bevorzugen dafür die Free Cash-flow Yield, weil sie die Cash-flow-Stärke am besten widerspiegelt. Unserer Einschätzung nach macht es nur dann Sinn, in Qualitätsunternehmen zu investieren, wenn die Free Cash-flow Yield über der der langfristigen Anleiherendite liegt. Dieser Vergleich ist naheliegend, weil die Cash-flows dieser Unternehmen denen einer Anleihe ähneln. Teure UnternehmenZweifellos sind Qualitätsunternehmen in den vergangenen Jahren teurer geworden. Die Fähigkeit, ihren Aktionären Wachstum und Kapitalertrag in Zeiten von Unsicherheit und niedrigen Zinsen zu liefern, machen sie aber unserer Meinung nach weiterhin attraktiv. Dabei spekulieren wir nicht auf eine Fortsetzung des Re-Ratings. Wir setzen vielmehr auf die Kraft des Aufzinsungseffektes, den der Eigentümer von Qualitätsunternehmen genießen kann, weil seine Firma den hohen Mittelzufluss jedes Jahr reinvestieren kann und auf diese Weise nachhaltig Wert schafft. Dieser Aufzinsungseffekt ist in unserer aktuellen Welt mit anämischem Wachstum, ultraniedrigen Zinsen und nicht mehr billigen Aktienbewertungen umso wichtiger und wirkungsvoller.—-Clyde Rossouw, Co-Head of Quality und Portfolio Manager der Global Franchise Strategy bei Investec AM