LEITARTIKEL

Augen auf beim Anleihekauf

Der Emittent einer Mittelstandsanleihe hat in dieser Woche per Pressemitteilung folgendermaßen auf sich aufmerksam gemacht: "Erste Anleihe-Zinszahlung erfreut Anleger" war dort gleich in der Überschrift der Mitteilung zu lesen, in der noch ein...

Augen auf beim Anleihekauf

Der Emittent einer Mittelstandsanleihe hat in dieser Woche per Pressemitteilung folgendermaßen auf sich aufmerksam gemacht: “Erste Anleihe-Zinszahlung erfreut Anleger” war dort gleich in der Überschrift der Mitteilung zu lesen, in der noch ein positiver Ausblick auf das Geschäftsjahr 2012/13 gegeben wurde. Selbstverständlich erfreut es die Anleger, wenn ein nicht in Konkurs befindliches Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Und so werden sich die Anleger wohl auch über die nächsten, korrekt erteilten Zinsgutschriften seitens der depotführenden Banken freuen. Und was wird das erst für ein Riesen-Hallo, wenn die Anleger am Ende der Laufzeit ihr eingesetztes Nominal zurückerhalten und somit alle Zahlungen des Bond pünktlich und in voller Höhe geleistet wurden. Sie schmunzeln? Das ist leider traurige Realität. Viele Emittenten von Mittelstandsbonds teilen jedes – im Grunde genommen selbstverständliche – Detail der Anleihe separat mit, ganz so als wäre es die ganz große Nachricht. Das hat nichts mit der Erfüllung von Transparenzvorschriften zu tun, sondern erinnert einfach nur noch an den Neuen Markt, als Ad-hoc-Mitteilungen fürs Marketing missbraucht wurden. Zur Erinnerung: Am Neuen Markt waren die Unternehmen aber nur so lange ausgesprochen mitteilsam, wie es bei ihnen insgesamt gut lief.Und wenn es nicht mehr so gut läuft, dann werden diejenigen, die sich nur allzu gern lautstark in Szene setzen, sehr ruhig, um nicht zu sagen fast schon stumm. Abzulesen ist das ebenfalls im Mittelstandssegment, und zwar jüngst bei Windreich. Auch hier erinnert einiges an den Neuen Markt: Performance des Assets – die Anleihen notieren noch bei weniger als einem Drittel des Nominals -, Regelwerksverletzungen, Durchsuchungen von Büros und Privatwohnungen, staatsanwaltliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Manipulation und Betrug. Darüber hinaus versichern die Beschuldigten, dass alles vollkommen haltlos sei und sich schon alles aufklären werde. Ansonsten sind sie aber nicht mehr so mitteilsam.Was die Anleger im Bereich der Mittelstandsanleihen erleben, ist schon recht heftig, und so langsam sollten die Zeichner dieser Bonds beginnen, die Lehren aus dieser wohl erst am Anfang stehenden Entwicklung zu ziehen. Eines sei in diesem Zusammenhang aber vorweggeschickt: Das Prinzip der Mittelstandsfinanzierung via Anleihen ist uneingeschränkt zu befürworten. Und es gibt hier auch seriöse Unternehmen. Aber das sind offenkundig nicht alle Adressen, die hier Bonds emittieren. Viele Anleger lassen sich wohl blenden. Unternehmen aus dem Bereich der alternativen oder erneuerbaren Energien sind stark in Mode. Aber nur weil ein Unternehmen auf diesen Zug aufgesprungen ist, hat es noch keine Gelddruckmaschine erfunden. Zunächst einmal müssen sehr umfangreiche Investitionen getätigt werden. Und nicht alle haben dabei offenbar ein sehr glückliches Händchen.Die Anleger lassen sich vermutlich aber auch noch von einem anderen Aspekt blenden. In das Segment der Mittelstandsbonds strömen auch sehr viele Unternehmen mit einem bekannten Markennamen. Der Anleger kennt das Unternehmen vielleicht schon seit zehn, zwanzig oder noch mehr Jahren. Was soll dann bei einer fünfjährigen Anleihe schon schiefgehen, wird sich mancher denken. Eine Garantie für pünktliche Zinszahlungen und ausbleibenden Konkurs ist das allerdings nicht. Apropos fünfjährige Laufzeit: Fast durchgängig wählen die Emittenten diese Laufzeit. Haben diese Adressen wirklich alle ausgerechnet einen Kapitalbedarf in der fünfjährigen Frist, passt das tatsächlich bei allen in die Refinanzierungsstruktur? Zweifel sind angebracht.Genau durchlesen sollten die Anleger vielleicht auch mal die Ratingberichte. Wenn dort von mangelnden Erfahrungen des Managements, unzureichendem Versicherungsschutz, Interessenkonflikten bei Unternehmensgründern/Vorständen, starken Abhängigkeiten von einzelnen Akteuren oder ähnlichem die Rede ist, sollte man als Anleger schon hellhörig wer den. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für den Fall, wenn Assets hin und her geschoben werden sollten, um sie womöglich vor der Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger zu “schützen”. Ganz laut schrillen sollten die Alarmglocken allerdings, wenn Vorstände ihre privaten Hobbys im Anlagevermögen der Firma verbuchen oder Partys veranstalten, die so gar nichts mit Investor Relations zu tun haben. Und merke: Prominente, mit denen sich Firmengründer umgeben und die womöglich in Beratergremien oder Kontrollinstanzen aufgenommen werden, sind nicht zwingend auch immer Experten auf dem Geschäftsgebiet des Unternehmens oder in Sachen Finanzen.Von Kai Johannsen ——- Bei den Mittelstandsanleihen erinnert einiges an den Neuen Markt. Anleger sollten so langsam einmal genauer hinsehen, wem sie noch Geld geben.