Auto-Credits 2023 wohl auf der Überholspur
Von Markus Roß *)
Aus konjunktureller Sicht dürfte der Jahresstart für die Automobilbranche äußert holprig verlaufen. Das Verbrauchervertrauen hat sich in den Kernmärkten deutlich eingetrübt. Angesichts der hartnäckig hohen Inflation werden viele Konsumenten einen Autokauf erstmal aufschieben. Zudem dürfte das gestiegene Zinsniveau in Form verteuerter Finanzierungsbedingungen ein Verkaufsdämpfer sein. Dennoch zeigen sich die meisten Automobilkonzerne vorsichtig optimistisch für 2023. Dies liegt vor allem an dem außergewöhnlichen Status quo bei einigen zentralen operativen Parametern.
Auf niedrigen Niveaus
Ein bloßer Blick auf die zurückliegende Entwicklung der Automobilabsätze in den Hauptmärkten würde nahelegen, dass die Branche bereits in den vorigen Jahren eine äußerst ausgeprägte Rezession durchlaufen hat. Auch 2022 verharrten die Verkäufe in den meisten Regionen auf historisch niedrigen Niveaus. Eine sichtbare Erholung von dem „Corona-Schock“ 2020 blieb erneut aus, mitunter waren sogar weitere Absatzrückgänge zu konstatieren. Schuld daran war nicht die Nachfrage, sondern das Angebot. Bei einer Wahl zum Unwort des Jahres im Autosektor hätte „Chip-Mangel“ 2021 und 2022 vermutlich gute Chancen auf einen Doppelsieg gehabt. Obwohl sich jüngst eine Verbesserung abzeichnete, konnte die enorme Versorgungslücke bei Halbleitern auch im zurückliegenden Jahr nicht annähernd geschlossen werden. Zudem verschärfte der Ukraine-Krieg die Lieferkettenprobleme der Hersteller. Die unterliegende Automobilnachfrage zeigte sich 2022 indes grundsätzlich solide.
Da diese angesichts der Fertigungshindernisse nur unzureichend bedient werden konnte, wuchs der ohnehin bereits hohe Auftragsbestand stetig an. Dieser Nachfragestau dürfte nun als willkommenes Polster für die bevorstehende wirtschaftliche Schwächephase dienen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Abarbeitung der Orderbestände ist ein nachlassender Lieferkettenstress. Diesbezüglich sollte der Abschwung des Welthandels weiter für Entspannung sorgen. Die Aussagen der Automobilhersteller deuten ebenfalls auf nachlassende Beeinträchtigungen hin, obschon die Engpässe bei manchen Materialen nur langsam abgebaut werden dürften.
Fulminante Rally
Die sich öffnende Schere zwischen Angebot und Nachfrage sorgte vor allem 2021 für eine fulminante Rally bei den Fahrzeugpreisen. Zuletzt ging dieser zwar etwas die Puste aus, die Niveaus sind jedoch weiterhin sehr hoch. Eine vorausschauend wieder anziehende Produktion und die damit einhergehende Erhöhung des Fahrzeugangebots sollte sich 2023 zwar bemerkbar machen. Eine schnelle Rückkehr zu den vorherigen Rabattschlachten ist unseres Erachtens aber kurzfristig nicht zu erwarten. Die Hersteller ließen in den jüngsten Berichterstattungen eindeutig durchblicken, bei einer anziehenden Fertigung einen besonderen Fokus auf ein diszipliniertes Vorratsmanagement zu legen. Ziel ist es dabei, die derzeit mitunter leer gefegten Händlerbestände eng an der Nachfrage auszurichten und somit kein deutliches Angebotsübergewicht entstehen zu lassen. Dies spricht für einen kontrollierten Rückgang der Verkaufspreise.
Positive Effekte
Als weitere positive Nebeneffekte einer konjunkturellen Eintrübung sind für die Autokonzerne zum Teil Entlastungen bei der zuletzt saftigen Inputkostenrechnung zu erwarten. Einige Rohstoffpreise sind ausgehend von hohen Niveaus auf dem Rückzug, wenngleich es auch weiter teure Ausnahmen gibt – vor allem bei Batteriematerialien. Die Logistikkosten dürften sich angesichts rapide gesunkener Frachtraten zunehmend normalisieren. Dagegen ist für die Konzerne von anhaltend hohen Abgaben für Energie – vor allem in Europa – sowie inflationsbedingt steigenden Löhnen auszugehen.
Schwieriges Umfeld
Zusammenfassend steht den Automobilkonzernen 2023 zwar zunächst ein schwieriges Konjunkturumfeld bevor. Dank der üppig gefüllten Orderbücher verfügen die Unternehmen aber über „volle Tanks“. Die Volumina und damit auch die Preise dürften sich erst allmählich wieder ausbalancieren. Die Kostenbasis sollte 2023 zwar hoch bleiben, aber zumindest nicht weiter zunehmen.
Neben diesen operativen Trends bestimmt vor allem die mit großen Schritten voranschreitende Elektrifizierung des Modellportfolios das Geschehen. Auf dem – noch langen – Weg in das vollelektrische Zeitalter stellt sich für die Konzerne auch die Frage, ob die bisher auf Verbrennungsmotoren basierende Konzernarchitektur angepasst werden muss. Die meisten Hersteller setzen auf einen parallelen Aufbau des Elektrogeschäfts, finanziert durch die Cashflows der „klassischen“ Aktivitäten. Der technologische Schwerpunkt soll dann sukzessive verschoben werden. Doch es gibt auch revolutionäre Ansätze wie das Beispiel Renault zeigt. Die Franzosen erwägen, die neu geschaffene Elektrosparte (Ampère) abzuspalten und an die Börse zu bringen. Einen Königsweg gibt es unseres Erachtens aber nicht. Dafür sind die finanziellen Ausgangspositionen, der Segmentfokus und der regionale Fußabdruck zu unterschiedlich. Der Separierungsgedanke hat den Charme eines schlanken und „unbelasteten“ Set-ups, welches attraktive Bedingungen für externe Finanzierungen sowie Kooperationen schaffen kann. Ausreichende interne Ressourcen vorausgesetzt, kann indes auch ein schrittweiser Übergang Erfolg versprechend sein.
Ungewisse Dynamik
Potenzielle Geschwindigkeitsnachteile beim Ausbau der Marktpositionen gegenüber „Pure Playern“ sind zwar zu beachten. Angesichts der ungewissen Marktdynamik kann allerdings auch eine höhere Flexibilität im Produktangebot vorteilhaft sein. An den Credit-Märkten sind die zyklischen Eigenschaften des Sektors derzeit anhand von überdurchschnittlichen Risikoaufschlägen ablesbar. Das Spreadlevel des Subindex für Automobilanleihen präsentierte sich bereits 2022 im Vergleich zum Gesamtmarkt überwiegend erhöht. Insbesondere mit dem Beginn des Ukraine-Krieges war eine deutliche Underperformance der Branche zu beobachten. Nachdem sich die Risikoprämien bis Mitte November wieder angenähert hatten, stieg anschließend die Spread-Differenz zum Gesamtmarkt erneut an. Die Investoren fordern angesichts der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten somit eine höhere Risikokompensation für Anleiheengagements im Autosektor. Das aktuelle Niveau spiegelt allerdings kein Krisenszenario wider. Insgesamt erscheint uns die moderat vorsichtige Marktbewertung für die Branche derzeit angemessen. Sollte sich das konjunkturelle Bild im Jahresverlauf 2023 langsam aufhellen, dürften Auto-Credits jedoch eher auf der Überholspur zu finden sein.
*) Markus Roß ist Senior Corporate Bond Analyst bei der DZ Bank.