DEVISENWOCHE

Bei der Euro-Schwäche bleibt alles anders

Von Lars Edler und Hans-Ulrich Mayer *) Börsen-Zeitung, 24.2.2015 Der Euro ist seit Ende 2014 deutlich unter Druck gekommen. Wenn man von einigen exotischen Währungen absieht, konnte die europäische Gemeinschaftswährung nur gegenüber der...

Bei der Euro-Schwäche bleibt alles anders

Von Lars Edlerund Hans-Ulrich Mayer *)Der Euro ist seit Ende 2014 deutlich unter Druck gekommen. Wenn man von einigen exotischen Währungen absieht, konnte die europäische Gemeinschaftswährung nur gegenüber der schwedischen Krone ihr Niveau halten. Gegen alle anderen Währungen hat sie an Wert verloren. Der von der Bank of England berechnete Index für den handelsgewichteten Wechselkurs zeigt für den Euro seit Mitte Dezember 2014 eine Abwertung von ca. 7,5 %. Der Euro ist damit gegenwärtig so schwach wie zuletzt im Juli 2012, dem damals vorläufigen Höhepunkt der europäischen Verschuldungskrise. Zwischen der Situation im Sommer 2012 und heute besteht eine Parallele, aber auch ein wesentlicher Unterschied. Mangelndes VertrauenDie Parallele ist das mangelnde Vertrauen in den Euro. Damals wie heute steht die Währungsunion vor dem Risiko einer Zäsur. Seinerzeit war der Fortbestand der Union als Ganzes in Frage gestellt. Heute steht dagegen “nur” die Zusammensetzung der Währungsunion in Frage. Die Beschlüsse des jüngsten Griechenlandgipfels haben an der konkreten Frage nichts geändert: Bleibt Griechenland in der Union, und wenn ja, wie lange? Heute wie damals belastet diese Unsicherheit die gemeinsame Währung. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Belastung heute tendenziell geringer ist als damals, weil eben nur ein Teil der Union zur Disposition steht. Zudem haben Maßnahmen wie das Outright-Monetary-Transactions-Programm der EZB, der Europäische Stabilitätsmechanismus und die Schritte zur Bankenunion die Ansteckungsgefahren reduziert, die der Austritt eines Landes auf den Rest der Union hätte. Dass die Gefahr derzeit weitgehend auf Griechenland konzentriert ist, zeigt sich am Rentenmarkt, genauer an der unterschiedlichen Entwicklung der Risikoaufschläge der Peripheriestaaten gegenüber Bundesanleihen. Der gleichgewichtete Risikoaufschlag 10-jähriger Staatsanleihen Portugals, Irlands, Italiens und Spaniens gegenüber Bundesanleihen hat sich seit dem ersten Wiederaufleben von Sorgen um Griechenland im Herbst nahezu nicht bewegt – allenfalls hat sich die seit Sommer 2012 fortschreitende Verringerung der Risikoaufschläge nicht fortgesetzt. Demgegenüber ist der Risikoaufschlag griechischer Anleihen massiv gestiegen. Der erneute Vertrauensverlust in den Euro geht also offenbar mit geringerer Unsicherheit einher als damals. Wenn man gleichzeitig unterstellt, dass sich am Ende das europäische Primat des Kompromisses durchsetzt, scheint der aktuelle Kursverfall des Euro zu stark und ein Anhalten der Euro-Schwäche unwahrscheinlich zu sein. Fokus rückt von Anleihen …Die Wechselkursentwicklung vom Sommer 2012 lehrt schließlich, wie rasch ein Trend drehen kann, wenn das Vertrauen zurückkehrt. Drei Worte von EZB-Präsident Mario Draghi (“Whatever it takes”) genügten, um den Euro-Verfall zu beenden und eine mehrmonatige Euro-Rally auszulösen.Der wesentliche Unterschied zwischen Sommer 2012 und heute ist, dass die Euro-Schwäche damals keine besondere Beachtung durch die EZB erfuhr. Anleger mieden den Euroraum und lenkten ihr Kapital in sichere Häfen. Im Fokus der europäischen Bemühungen um Beruhigung standen deshalb fast ausschließlich die Anleihemärkte der europäischen Peripherie; hier sollten die Risikoaufschläge gemindert werden. … zum WechselkursHeute steht dagegen der Außenwert des Euro im Blickpunkt und stellt ein mehr oder weniger explizites Politikziel dar – er ist damit zu einem geldpolitischen Instrument geworden. Erstmals wurde dies durch die EZB-Beschlüsse vom 4. September 2014 deutlich, als eine erhebliche Ausweitung der EZB-Bilanz durch Ankäufe von Asset-Backed Securities und gedeckte Anleihen (Private QE) angekündigt wurde. Ein wesentliches Ziel dieser Maßnahme war es, dem – auch krisenbedingt – bedrohlichen Rückgang der Inflation beziehungsweise der Inflationserwartungen entgegenzuwirken. Hierzu soll der Wechselkurs beitragen. Ziel ist dabei, durch eine “signifikante und zunehmende Divergenz der Geldpolitik” zwischen der Eurozone und anderen wichtigen Industrienationen einer Euro-Schwäche den Weg zu bereiten und so die Disinflation quasi zu exportieren. Dieses von der EZB mehrfach erwähnte Kalkül einer Euro-Abwertung durch geldpolitische Impulse ist empirisch plausibel. Mit welchem Nachdruck die EZB dieses Ziel verfolgt, wurde am 22. Januar 2015 nochmals sehr deutlich: Da sich die bisherigen Maßnahmen zur Bilanzausweitung als unzureichend erwiesen, wurde das Ankaufprogramm mit unerwartet hohem Volumen und ohne zeitliche Begrenzung auf Staatsanleihen (Sovereign QE) ausgeweitet.Angesichts der enormen Unterauslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten in der Währungsunion und dem Abwärtsdruck auf die Inflation durch die Strukturreformen in Euroland ist mit einer andauernden Phase sehr niedriger Inflation zu rechnen. Die EZB wird demnach noch in absehbarer Zukunft das Kalkül einer Euro-Abwertung zur Abkehr fallender Inflationsraten verfolgen müssen. Ob und inwieweit sie damit Erfolg hat, hängt natürlich vom Verhalten der übrigen Zentralbanken ab. Bei niedrigen Inflationsraten – derzeit kein spezifisch europäisches Problem – ist eine Aufwertung der eigenen Währung kontraproduktiv und deshalb im Zweifelsfall nicht erwünscht. Wenn und solange sich andere Zentralbanken der Euro-Abwertung widersetzen, neutralisieren sich die expansiven geldpolitischen Impulse gegenseitig.Die jüngsten Entwicklungen beispielsweise in Schweden, Norwegen, Dänemark und Kanada machen dies sehr deutlich. Alle diese Länder haben ihre Geldpolitik expansiver gestaltet, nicht zuletzt um einer Aufwertung der eigenen Währung entgegenzuwirken. Im Ergebnis blieben diese Währungen bisher verhältnismäßig stabil gegenüber dem Euro. Wir gehen jedoch davon aus, dass sowohl der Wille und die Notwendigkeit als auch die Möglichkeiten zur gezielten Abwertung der eigenen Währung im Euroraum am größten sind. Daher mag die gegenwärtige Euro-Schwäche im historischen Vergleich zwar extrem sein; ausgereizt scheint sie noch nicht.—-*) Lars Edler ist Leiter Investmentstrategie und Hans-Ulrich Mayer Fondsmanager Investmentstrategie von Sal. Oppenheim.