IM INTERVIEW: BERNHARD EBERT, BETHMANN BANK

"Bei Enttäuschungen würde ein Rückschlag drohen"

Anlagestrategieleiter: Stark gestiegene Kursniveaus müssen durch gute Ergebnisentwicklung untermauert werden - Anleihen sind kein Selbstläufer

"Bei Enttäuschungen würde ein Rückschlag drohen"

Vor allem aufgrund der ultralockeren Geldpolitik haben die Finanzmärkte der Industrienationen eine enorme Aufwärtsbewegung erlebt. Für die Investoren macht dies mittlerweile aber nicht mehr unbedingt das Leben leichter. Sowohl an den Aktien- als auch an den Rentenmärkten sind die Bewertungen auf sehr anspruchsvolle Höhen gestiegen. Die Börsen-Zeitung hat Bernhard Ebert, Leiter der Anlagestrategie der Bethmann Bank, zu seiner Einschätzung der Märkte befragt.- Herr Ebert, der Dax hat stark zugelegt und im internationalen Vergleich eine Spitzen-Performance gezeigt. Wie weit kann das noch gehen?Der Dax und die europäischen Aktienmärkte insgesamt befinden sich in einem Aufholprozess. Die Region vollzieht das nach, was die USA in den zurückliegenden zwei Jahren gemacht haben. Das betrifft die Konjunktur, aber beispielsweise auch das Marktverhalten. Letzteres sehen wir etwa in Form von nun auch hier einsetzenden stärkeren M & A-Aktivitäten und von anziehenden Aktienrückkäufen. Im Grunde genommen haben wir einen normalen Zyklus wie nach früheren Rückschlägen, in denen die USA ebenfalls früher in die Gänge gekommen sind. Der feste Dollar beginnt nun die US-Wirtschaft zu belasten, während er in Europa stimulierend wirkt. Damit wirkt er als Korrektiv.- Sind die Bewertungen nun nicht sehr anspruchsvoll geworden? Was sollen Investoren tun?Die Beurteilung wird jetzt schwieriger. In den zurückliegenden Jahren sind die Aktien, aber auch die Kurse von Renten stark gestiegen. Am Aktienmarkt brauchte man nur in der relativen Übergewichtung der USA beziehungsweise Europas richtigzuliegen. Nun ist der Markt aber kein Selbstläufer mehr. Das KGV des Dax auf Basis des abgeschlossenen Jahres liegt bei 20. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis ist mit rund 2 so hoch wie zuletzt 2007, allerdings noch deutlich niedriger als in der Dotcom-Blase, als es bei 3,5 lag. Aus historischer und technischer Sicht haben wir mit dem deutlichen Abstand zur 200-Tage-Linie ein Warnsignal. Das darf man nicht wegdiskutieren.- Spielt die Gewinnentwicklung überhaupt noch eine Rolle?Wir brauchen eine Untermauerung der stark gestiegenen Kursniveaus. Eine gute Ergebnisentwicklung wäre nach unserer Einschätzung daher auch nicht unbedingt der Treibstoff für deutlich weiter steigende Kurse. Sie ist notwendig zur Stützung der aktuellen Indexniveaus beziehungsweise zur Verhinderung eines Rückschlags. Dazu könnten ebenfalls die Entwicklung des Euro und des Ölpreises beitragen. Sie haben sich im zweiten Halbjahr abgeschwächt, und so etwas braucht sechs bis neun Monate, bis die Wirkung eintritt. Das heißt, wir sollten jetzt davon in den Gewinnausweisen etwas sehen. Bei Enttäuschungen würde ein Rückschlag drohen.- Rechnen Sie mit einer enttäuschenden Gewinnentwicklung?Wir glauben nicht, dass es dazu kommen wird. In den zurückliegenden vier Jahren wurden die anfänglichen Gewinnerwartungen stets im Verlauf des Jahres nach unten revidiert. Nun aber revidieren die Analysten ihre Gewinnschätzungen insgesamt nicht mehr nach unten. Der von Bloomberg erfasste Konsens geht für den Dax von einem Anstieg des aggregierten Indexgewinns um etwas weniger als 30 % aus, was ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 15 ergibt. Wenn die Ergebnisentwicklung so eintritt, besteht keine große Rückschlagsgefahr. Vielmehr ergibt sich dann noch ein gewisser Spielraum nach oben. Darauf deutet die relative Bewertung zu Anleihen oder auch Immobilien, also letztlich der Mangel an Alternativen, hin. Aktien bieten derzeit im Vergleich zu anderen Anlageformen auch eine relative Sicherheit.- Wie beurteilen Sie die Stimmungslage der Marktteilnehmer? Sehen Sie Anzeichen für zu viel Optimismus?Crashs der Vergangenheit sind aus ganz anderen Situationen heraus entstanden. Marktteilnehmer waren überoptimistisch und wähnten sich wie insbesondere während der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende in einem Zeitalter neuer Bewertungen. Unsere Kunden sind auf den aktuellen Kurshöhen dagegen zurückhaltend. Sie wollen erst bei Rückschlägen einsteigen. Die Stimmung der Anleger ist eher unsicher. Wir haben eben nicht das typische Stimmungsbild, das man üblicherweise vor Crashs sieht.- Welche Bedeutung hat QE, die quantitative Lockerung der EZB durch Anleihekäufe, für den Aktienmarkt?Es gibt durchaus einen Zusammenhang zwischen QE und Aktien. So läuft zum Beispiel demnächst eine 7-Prozent-Anleihe der Fresenius aus. Dadurch, dass das Unternehmen die Anleihe zu den aktuell sehr günstigen Konditionen ersetzen kann, wird es eine jährliche Zinsersparnis von 90 Mill. Euro erzielen. In den USA haben die Unternehmen in den zurückliegenden QE-Jahren massiv Aktienrückkäufe getätigt. Dadurch wurden die Gewinne je Aktie erhöht, was erheblich zum Höhenflug des S & P 500 beigetragen hat. Dies erwarten wir nun auch für Europa. Die Unternehmen haben hohe Liquiditätsbestände, die Investitionen entwickeln sich aber zögerlich. Sie werden ihre Liquidität verstärkt in eigene Aktien investieren. Zudem bedeutet QE billiges Geld für M & A-Aktivitäten. Nicht von ungefähr kam es zuletzt zu den Geboten etwa für TNT Express oder BG Group. Zudem sind europäische Unternehmen durch den gesunkenen Euro-Kurs für ausländische Firmen günstig geworden.- Kann man der Europäischen Zentralbank somit schon Erfolg bescheinigen?Durchaus über die indirekten Einflüsse von QE. QE funktioniert aber nicht so, wie sich Mario Draghi das vorstellt, das heißt, dass Banken das Geld für die Vergabe von Krediten verwenden.- Wie reagieren Sie auf die niedrigen Renditen?Sie machen uns das Leben zunehmend schwer. Bis dato haben wir auf der Anleiheseite viel Geld verdient, und zwar mehr als erwartet. Auch in diesem Jahr sind die Renditen bislang gesunken. Nun wird es mit jedem Tag schwerer, noch Rendite zu erwirtschaften. Das geht nur noch in sehr langen Laufzeiten. Und je länger die Laufzeiten, in die die Investoren anlegen, desto kritischer wird es, wenn irgendwann einmal die Zinswende einsetzt. Wir haben zwei Arten von Rentenportfolios, ein reines Euro-Renten-Portfolio und eines mit einem Anteil aktienähnlicher Risiken von bis zu 15 %. In starken Rückschlägen haben Anleger nicht deswegen “Haus und Hof” verloren, weil sie viele Aktien hielten, sondern weil sie zu viele aktienähnliche Risiken in den Rentenportfolios hatten. So etwas erleben wir auch derzeit. Wir sind auf der Rentenseite viel konservativer. Nach unserer Meinung ist es nicht sinnvoll, die aktienähnlichen Risiken zu erhöhen. Denn bei starken Marktrückschlägen reagieren Rentenmandate dann wie Aktien.- Gibt es derzeit für Renten denn ein hohes Risiko?Man darf auf keinen Fall davon ausgehen, dass Renten ein Selbstläufer sind. Was im Falle eines Schockereignisses geschehen kann, haben wir zuletzt beim Schweizer Franken oder wegen der Ölpreisentwicklung bei der norwegischen Krone gesehen.- Wie positionieren Sie sich mit Ihrem sicheren Rentenportfolio?Wir haben unter anderem Peripherieanleihen, in die rund 150 % der Mittel angelegt sind. Seit dem Jahr 2012 sind wird in Irland, Italien und Spanien investiert. Damit sind wir sehr gut gefahren. Wir denken, dass das Anleihekaufprogramm dort wirkt, anders als in den USA. Dort sind seinerzeit die Renditen gestiegen. Die USA hatten ein hohes Defizit und dadurch ein hohes Emissionsvolumen. Hier aber wird ein Austeritätskurs gefahren, die Emissionsaktivität ist nicht so hoch. Wir denken, darauf bauen zu können, dass die Renditen niedrig bleiben werden, und glauben, dass die Spreads Spaniens und Italiens noch von derzeit 1,4 auf 0,5 Prozentpunkte sinken können. Wenn Griechenland wackelt, gibt es allerdings gewisse Risiken für Peripherieanleihen. Außerdem haben wir zuletzt inflationsgestützte Anleihen aufgestockt.- Warum?Die Inflation Eurolands ist im Januar auf – 0,6 % gesunken, vor allem wegen des Ölpreises. Im März waren es noch 0,1 %. Im vierten Quartal erwarten wir eine Inflation von 1 %. Zum einen läuft der Ölpreiseffekt aus, zum anderen gibt es durchaus ordentliche Lohnsteigerungen. Durch die Euro-Schwäche importieren wir Inflation, die Inflationserwartungen, die jahrelang gesunken sind, beginnen zu steigen. Dagegen müssen wir uns wappnen. Neben den Linkern, in die wir rund 10 % der Mittel angelegt haben, sind 40 % in Unternehmensanleihen angelegt. Der Rest entfällt auf lange Staatsanleihen, die im Falle einer Zinswende zur Disposition stehen.- Wie gestalten Sie die risikoreichere Variante?Wir gestalten sie stark über die Währungsseite, derzeit vor allem über den Dollar und die norwegische Krone. Der größte Teil der Euro-Abwertung liegt zwar hinter uns. Wir erwarten aber noch Euro-Kurse unterhalb der Dollar-Parität, wenn die Zinsdifferenz steigt. Ende 2016 erwarten wir den Euro wieder bei 1,10 Dollar. Auch hier ist wieder die Korrektivfunktion spürbar. Die US-Konjunktur wird 2016 gegenüber 2015 nicht weiter zulegen, während Euroland weiter aufholt.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.