IM INTERVIEW: FRANK HAGENSTEIN, DEKA INVESTMENT

"Beim Euro ist bereits viel passiert"

Chefanlagestratege bevorzugt Substanzaktien mit nachhaltigen Dividenden - Chancen in Emerging Markets

"Beim Euro ist bereits viel passiert"

Auch das nächste Jahr stellt die Investoren vor große Heraus- forderungen. So hat sich das Niedrigrenditeproblem im zu Ende gehenden Jahr zusätzlich verschärft. Die Börsen-Zeitung hat den Frank Hagenstein, Chefanlagestratege der Deka Investment, zur Asset-Allokation und zu seiner Einschätzung der Märkte im kommenden Jahr befragt.- Herr Hagenstein, wie sieht Ihre Asset-Allokation im derzeitigen Niedrigrenditeumfeld aus?Wir bevorzugen defensivere Substanzaktien mit nachhaltigen Dividenden gegenüber Staatsanleihen. Unter nachhaltigen Dividenden verstehen wir dabei zuverlässige Ausschüttungen. Aktien mit dieser Eigenschaft haben in der Vergangenheit deutlich überdurchschnittliche Erträge erbracht. Darüber hinaus sehen wir in den nächsten Monaten Aufholpotenzial bei zyklischen Standardwerten. Dafür sprechen die niedrigen Zinsen, der gefallene Euro sowie der schwache Ölpreis, was zu einer Konjunkturverbesserung führen sollte. Für Investoren wird es darauf ankommen, diesen Favoritenwechsel, den wir im Verlauf des ersten Halbjahres erwarten, zu adaptieren bzw. ihre Positionierung anzupassen. Einbrüche am Aktienmarkt würden wir nutzen, um unsere Positionen auszubauen.- Was erwarten Sie für den Dax?Das Potenzial des Dax veranschlagen wir vom aktuellen Niveau aus mit 5 bis 8 %.- Auf welche weiteren Alternativen zu Staatsanleihen sollten Investoren Ihrer Meinung nach noch zurückgreifen?Wir raten mittelfristig auch zu europäischen Hochzinsanleihen. Mit rund dreieinhalb Prozent werfen sie deutlich mehr ab als Bundesobligationen, bei denen die Rendite bei null liegt. Wir haben im positiven Ausfallzyklus mittlerweile das Ende der Fahnenstange erreicht. Die Ausfälle werden in den kommenden Jahren tendenziell eher steigen. Bei einem breit gestreuten Portfolio von hundert und mehr Titeln würden ein oder zwei Ausfälle nicht zu stark ins Gewicht fallen. Der Ertrag läge dann bei ca. 3,2 %, und das wäre immer noch deutlich mehr als 0 %. Bei US-Hochzinsanleihen liegt die Rendite derzeit rund 100 Basispunkte höher als in Europa. Das liegt vor allem am Energiesektor, der durch die Schwäche des Ölpreises unter Druck steht. Allerdings halten wir bei einer Bodenbildung des Ölpreises auch US-Hochzinspapiere für interessant.- Wie stehen Sie zu Investment-Grade-Unternehmensanleihen?Bei diesem Segment hat die Attraktivität deutlich abgenommen. Die laufende Rendite ist auf magere 1 % geschrumpft. Wenn es nur zu einem leichten Zinsanstieg oder zu einer geringfügigen Spread-Ausweitung kommt, ist mit diesen Papieren, anders als im Hochzinssegment, kaum noch etwas zu holen.- Was halten Sie von Emerging-Market-Anleihen?Unserer Meinung nach werden sich bei den auf Hartwährungen lautenden Schwellenländeranleihen im Verlauf des ersten Quartals 2015 interessante Einstiegsgelegenheiten ergeben. Derzeit würden wir aber angesichts des dynamischen Kursverfalls in den Lokalwährungen noch abwarten. Geopolitische Ursachen, der Ölpreisverfall sowie in einigen Ländern auch interne Gründe sorgen derzeit für erheblichen Druck beispielsweise bei den Währungen Brasiliens, Mexikos und Russlands.- Wie bewerten sie den heftigen Einbruch des Ölpreises?Der Einbruch des Ölpreises um 40 % ist übertrieben. Mittelfristig sollte er sich auf einem etwas höheren Niveau einpendeln. Allerdings ist der Ölpreis schwer zu prognostizieren, da er zurzeit stark von politischen Entscheidungen abhängig ist. Die Entscheidung des Förderkartells Opec, die Produktion auf unverändertem Niveau zu belassen, hat die meisten überrascht. Für viele Länder kommt der niedrigere Ölpreis einer Steuerentlastung gleich. Allerdings wird er aus Aktienmarktsicht derzeit eher als Belastung empfunden, weil der Preisverfall zu schnell ist. Das schafft Probleme in Ländern wie Mexiko und Russland, und Probleme in den Schwellenländern könnten auch die entwickelten Volkswirtschaften belasten.- Was halten Sie von Russland?Russland ist ein strukturschwaches Land, das man nicht am niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis messen kann. Derzeit ist der Markt stark vom Verhalten Putins in der Krise abhängig. Das Ausland hat Sanktionen verhängt und zieht Kapital ab. Es gibt keine Basis für ein solides und nachhaltiges Investment in dem Land. Alle Wirtschaftsdaten zeigen zurzeit in die falsche Richtung. Mangelnde Rechtssicherheit und die Eingriffe der Regierungen in die großen Staatskonzerne wirken ebenfalls eher abschreckend.- Wie weit kann der Euro noch fallen?Beim Wechselkurs des Euro zum Dollar ist bereits viel passiert. Wir glauben, dass sich jetzt eine neue Range ausbildet. Eine Bewegung des Euro innerhalb einer Bandbreite von 1,20 bis 1,28 halten wir für das nächste Jahr für wahrscheinlicher als ein Durchlaufen auf 1,15 und 1,10 Dollar. Der Markt ist bereits Dollar-bullish. Die ganze Welt ist hier investiert.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.