ANSICHTSSACHE

Beschert die EZB dem deutschen Aktienmarkt eine Bubble?

Börsen-Zeitung, 9.11.2013 Am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer Senkung des Zinssatzes für Hauptrefinanzierungsgeschäfte um 25 Basispunkte (BP) auf 0,25 % sowie des Zinssatzes für die Spitzenrefinanzierungsfazilität um...

Beschert die EZB dem deutschen Aktienmarkt eine Bubble?

Am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer Senkung des Zinssatzes für Hauptrefinanzierungsgeschäfte um 25 Basispunkte (BP) auf 0,25 % sowie des Zinssatzes für die Spitzenrefinanzierungsfazilität um ebenfalls 25 BP auf 0,75 % für eine Überraschung an den Märkten gesorgt. Es mehren sich die Stimmen, die vor einer Blasenbildung auf den Aktienmärkten warnen. Diese sehen die rasante Kursentwicklung wesentlich von der lockeren Geldpolitik der Federal Reserve und der EZB angetrieben, die zu überschüssigen Liquiditätsreserven führt und die Anleger wegen der Niedrigzinspolitik in die Aktie treibt. Ambivalente DatenDenn der Aufwärtstrend des Dax ist ungebrochen, obwohl die Fundamentaldaten ambivalent sind. Die jüngsten GfK-Zahlen zeigen auf hohem Niveau einen leichten Rückgang beim Konsumklima. Ähnliches gilt für den Ifo-Geschäftsklimaindex, der für die gewerbliche Wirtschaft erstmals nach fünf Anstiegen wieder leicht gesunken ist. Andererseits senden die führenden Einkaufsmanagerindizes positive Signale aus. Bekanntlich können solche Einschätzungen unabhängig davon, ob sie gerechtfertigt sind oder nicht, eine Eigendynamik entfalten und als sich “selbst erfüllende Prophezeiung” Realität werden. Daher lohnt ein Blick auf die Fakten.Natürlich warten die Marktteilnehmer immer gespannt auf die geldpolitischen Entscheidungen von EZB und Fed. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die Beibehaltung oder gar weitere Lockerung der Geldpolitik ursächlich oder maßgeblich für die aktuelle Kursentwicklung des Dax ist. Geldmenge im ZielkorridorWenn man sich die Auswirkungen der geldpolitischen Entscheidungen der EZB auf die Dax-Performance seit Jahresbeginn ansieht – in der der Dax von etwa 7 700 auf über 9 000 Punkte zulegen konnte -, erkennt man, dass keine nennenswerte Korrelation zwischen den Zinsentscheidungen der EZB und der Dax-Performance besteht. Dies bestätigt auch die gestrige Reaktion der Märkte. Der Dax reagierte kurzfristig mit einem Sprung, sank dann aber wieder und bewegte sich tendenziell seitwärts. Eine Ausnahme stellt lediglich der letzte Zinsschritt der EZB vom 2. Mai dieses Jahres dar. Aber auch dieser Effekt war nur sehr kurzfristig bei der Dax-Entwicklung spürbar.Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Politik der EZB trotz entsprechender Stabilisierungsmaßnahmen wegen der Euro-Krise bei Weitem nicht so expansiv ausgefallen ist, wie dies zuweilen suggeriert wird. So wächst die Geldmenge M3 zurzeit mit einer Rate von circa 2,1 % und damit im Zielkorridor. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die EZB insgesamt ihre Bilanzsumme, die zeitweise durch die Anleihenkäufe und Sondermaßnahmen zur Liquiditätssicherung des europäischen Bankensystem auf über 3 Bill. Euro gewachsen war (Juni 2012), seither erheblich auf derzeit 2,3 Bill. Euro zurückgefahren hat. Schließlich muss man bedenken, dass die großen institutionellen Investoren ohnehin seit geraumer Zeit über hohe Liquiditätsbestände verfügen, völlig unabhängig von der Politik der EZB und der Fed, so dass der Anlagedruck auch bei einer restriktiveren Geldpolitik erhalten bliebe.Dass der Dax seit Jahresbeginn primär durch Fundamentaldaten getrieben wird, erkennt man auch, wenn man sich die Ergebnisentwicklung und die Ergebniserwartungen der Dax-Unternehmen ansieht. Das Dax-KGV liegt derzeit auf der Basis der Konsensusschätzungen der Analysten für das Jahr 2014 bei circa 13 und damit keineswegs in einem Bereich, den Vermögensverwalter als kritisch ansehen. Von großen Asset Managern wird als Benchmark häufig auch das sogenannte Graham-Dodd-KGV herangezogen (zyklusbereinigtes KGV auf Basis der durchschnittlichen Gewinne der vergangenen zehn Jahre). Hier liegt der Wert je nach Kalkulation derzeit bei etwa 16 und damit ebenfalls in einem Bereich, der eher für ein faires Bewertungsniveau spricht. Fed treibt die BondmärkteDie absolute Höhe des Dax-KGV ist allein kein geeigneter Indikator für eine Blasenbildung. Daher lohnt ein Blick auf die aktuelle Einschätzung führender Investoren. So hat die Bank of America in ihrer jüngsten monatlichen Umfrage unter 183 führenden Fund Managern mit insgesamt 643 Mrd. Dollar Assets under Management festgestellt, dass vor allem die positiven Einschätzungen über die erwartete Ergebnisentwicklung europäischer Unternehmen und die sich verbessernden Konjunkturdaten den weiteren Mittelzufluss in europäische Aktien befördern. Es gibt also derzeit keine Indizien für eine Überhitzung auf dem deutschen Aktienmarkt. Etwas differenzierter ist die Geldpolitik der Fed zu sehen, die während des gesamten Jahres US-Staatsanleihen in Höhe von bis zu 45 Mrd. Dollar pro Monat kauft. Hinzu kommen Käufe von Mortgage-Backed Securities (MBS) von bis zu 40 Mrd. Dollar pro Monat. Die Bilanzsumme der Fed ist daher auch seit Jahresbeginn um mehr als 900 Mrd. Dollar gestiegen. Diese Maßnahmen tragen maßgeblich dazu bei, dass die langfristigen Zinsen auf einem niedrigen Niveau bleiben und die Kurse auf den Bondmärkten entsprechend hoch sind.Für US-Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit erzielt man derzeit weniger als 2,5 % Rendite, für 10-jährige Bundesanleihen weniger als 2 %. Vor diesem Hintergrund ist es eher verständlich, eine Blase auf den internationalen Anleihemärkten zu befürchten als auf den Aktienmärkten. Denn die Renditen sind über die verschiedenen Laufzeitbänder und Ratingklassen hinweg oftmals nicht mehr in Übereinstimmung mit einer risikoadäquaten Verzinsung. Auch wegen der wachsenden Sorgen über ein Rückschlagspotenzial auf den Anleihemärkten schichten Investoren vermehrt in Aktien um.———Dr. Volker Brühl ist Geschäftsführer des Center for Financial Studies (CFS) in Frankfurt.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Volker BrühlZwischen den Zinsbeschlüssen der EZB und der Performance des Dax ist keine nennenswerte Korrelation feststellbar.——-