GASTBEITRAG

Besser richtig diversifizieren - Risikofaktoren helfen

Börsen-Zeitung, 13.2.2016 Über eine breite Streuung der Anlagen lässt sich das Risiko bekanntlich reduzieren. Doch die Finanzkrise von 2008 hat auch gezeigt, dass Diversifikation nicht immer den erhofften Schutz bietet, da die Korrelationen zwischen...

Besser richtig diversifizieren - Risikofaktoren helfen

Über eine breite Streuung der Anlagen lässt sich das Risiko bekanntlich reduzieren. Doch die Finanzkrise von 2008 hat auch gezeigt, dass Diversifikation nicht immer den erhofften Schutz bietet, da die Korrelationen zwischen Anlageklassen insbesondere in Stressphasen nach oben schießen. Das führte nach der Krise so weit, dass sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch in der Praxis die Vorzüge der Portfoliodiversifikation – und damit auch die moderne Kapitalmarkttheorie – in Frage gestellt wurden.Das Problem liegt dabei nicht an der Diversifikation an sich, sondern an der Art, wie diversifiziert wird. Denn vermeintlich unterschiedliche Anlageklassen weisen oftmals ähnliche oder gleiche Risikofaktoren auf. Ein Beispiel: In normalen Marktphasen mit gewöhnlichen Volatilitätsniveaus wird das Gesamtrisiko eines traditionellen Mischportfolios, das zu 60 % in Aktien, zu 40 % in Anleihen investiert, zu über 80 % von der Aktienallokation erklärt. Aktien dominieren also das Risiko des Portfolios – und damit die Wertentwicklung.In Phasen höherer Volatilität steigt nicht nur das Gesamtrisiko des Portfolios, sondern auch der Risikobeitrag von Aktien. Sollte das Portfolio auch noch Unternehmensanleihen beinhalten, nehmen die Diversifikationseffekte nochmals ab.Grund sind die Risikofaktoren der Anlageklassen, die sich hier überlappen. Aktien- und aktienähnliche Faktoren, die sich gerade bei Anlagen mit Kreditrisiko wiederfinden, dominieren. Gerade in der aktuellen Niedrigzinsphase beinhalten viele Portfolios, bewusst oder unbewusst, einen hohen Anteil an aktienähnlichen Risiken und sind deshalb nicht ausreichend diversifiziert. Um Portfolios vor größeren Kursverlusten zu schützen, sollte über Risikofaktoren gestreut werden, anstatt allein über Anlageklassen.Denn das Aufnehmen von zusätzlichen Anlageklassen allein reicht nicht aus. Als Risikofaktor werden dabei die kleinsten systematischen Bestandteile einer Anlageklasse verstanden, die das Rendite-Risiko-Profil erklären.An Risikofaktoren wird seit über 40 Jahren geforscht, und es gibt mittlerweile eine große Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten, die die langfristige Rendite von Portfolios durch bestimmte, systematische Faktoren dokumentieren. Eugene Fama und Kenneth French, zwei Professoren aus den USA, zeigten etwa in einem 1992 veröffentlichten Artikel das Verhältnis zwischen den Eigenschaften von Aktien und deren Renditen auf. Seitdem sind Faktoren wie Size (Marktkapitalisierung) und Value (günstige Bewertung) bekannt. Andere Studien beschäftigten sich mit den Faktoren Momentum (vergangene Performance), Low Volatility (niedrige Volatilität) sowie weiteren Phänomenen. Gemeinsam ist diesen Risikoprämien, die über die Zeit Überrenditen aufweisen, dass sie persistent und systematisch sind. Proprietärer KatalogDiese Eigenschaften haben nicht alle Risikofaktoren. In der Praxis gestaltet sich zudem die Definition von Risikofaktoren nicht ganz unproblematisch, da es keine einheitliche Auslegung gibt und auch jedes Risikomanagementsystem einen proprietären Katalog an Faktoren führt. Generell kann aber zwischen makroökonomischen, aktien- und anleihespezifischen sowie weiteren Risikofaktoren unterschieden werden. Zu den makroökonomischen Faktoren können etwa Inflation und Wirtschaftswachstum (etwa in Form des Bruttoinlandsprodukts) zählen. Beide haben auf bestimmte Weise Einfluss auf die Renditen – und somit das Risiko – von Aktien und Anleihen, aber etwa auch Rohstoffen. Aktienspezifische Faktoren können sehr vielfältig sein, wie die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem Sektor, die Bewertung der Aktie als auch die Bilanzqualität. Diese aktienspezifischen Faktoren werden sich in ähnlicher Form auch in Unternehmensanleihen wiederfinden. So sind insbesondere Hochzinsanleihen stärker mit Aktien korreliert.Eine einfach nachzuvollziehende Größe, die aber von ihrem Risikobeitrag nicht zu unterschätzen ist, ist der Fremdwährungsfaktor. Ein Investor, der in einem Mischportfolio aus Euro-Sicht Anlagen in US-Aktien und US-Anleihen tätigt, kann das Portfolio einem hohen Währungsrisiko aussetzen. Dies kann im Portfolio schnell die Überhand gewinnen und am Ende die Wertentwicklung maßgeblich beeinflussen – positiv wie negativ. Einem Investor ist das Risiko beim Blick auf die US-Dollar-Positionen eventuell bekannt, aber erst eine Betrachtung, die auch die Korrelation zu anderen Anlagen im Portfolio berücksichtigt, liefert ein besseres Bild über die Risiken. Denn die prozentuale Allokation entspricht nicht dem Risikobeitrag, da der Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen nicht linear ist. So können selbst kleine Portfoliopositionen überproportionale Risikobeiträge aufweisen. Praktische ProblemeGezielt in Risikofaktoren zu investieren, kann sich in der praktischen Umsetzung aber als problematisch erweisen. Zum einen ist es nicht möglich, in alle makroökonomischen Faktoren, etwa das Bruttoinlandsprodukt, direkt zu investieren. Zum anderen ist oft der Einsatz von Derivaten nötig. Gewisse systematische Risikoprämien lassen sich heutzutage aber relativ einfach isolieren, so dass Erträge generiert werden, die weniger an dem Auf und Ab der Märkte hängen. Der Value-Faktor etwa kann über eine Long/Short-Aktienstrategie extrahiert werden, so dass Anleger nur die Risikoprämie, nicht jedoch das Marktrisiko erhalten.Auf der einen Seite kann durch das Hinzunehmen von systematischen Risikoprämien die Diversifikation auch in traditionellen Portfolios deutlich verbessert werden. Auf der anderen Seite hilft der Risikofaktoransatz, das Portfolio besser zu verstehen. Denn die einzelnen Anlageklassen werden in ihre Risikobausteine zerlegt und die Faktoren dann wiederum aggregiert. So kann verhindert werden, dass ein oder wenige Faktoren das Gesamtrisiko dominieren. Der Vorteil gegenüber der traditionellen (und einfachen) Streuung über Anlageklassen liegt in den Korrelationseigenschaften von Faktoren. Denn Faktoren sind im Allgemeinen untereinander niedrig korreliert, und die Korrelationen sind im Zeitablauf deutlich stabiler als bei Anlageklassen. Traditionelle AnlageklassenSo kann aber auch ein Portfolio, das vorwiegend traditionelle Anlageklassen enthält, unter dem Risikofaktoransatz gemanagt werden – vorausgesetzt, das Risikomanagementsystem kann die einzelnen Positionen in ihre Risikofaktoren aufspalten. Gerade die aktuelle Niedrigzinsphase führt dazu, dass Anleger höhere Risiken eingehen müssen, um noch eine attraktive Rendite zu erzielen. Sie sollten deshalb wissen, welche Risiken sie eingehen. Der Risikofaktoransatz sollte zu einer besseren Diversifikation führen, da er hilft, Portfoliorisiken besser zu identifizieren und zu verstehen.—-Matthias Hoppe, Portfolio Manager bei Franklin Templeton Solutions in Frankfurt