Best Execution - Wunsch und Wirklichkeit
Die Grundidee klingt überzeugend: Banken sollen die Wertpapierorders ihrer Kunden an denjenigen Handelsplatz leiten, der für die Anleger die bestmögliche Ausführung bietet. Sichergestellt wird dies durch fest definierte und nachvollziehbare Kriterien. Sie gilt es zu berücksichtigen, falls Anleger den Handelsplatz nicht selbst auswählen. Ziele sind mehr Transparenz und Anlegerschutz sowie ein intensiverer Wettbewerb der Handelsplätze. Mifid-Ziele nicht erreichtSo weit die Intention des Gesetzgebers zur “Best Execution”, wie sie 2007 in der EU-Richtlinie Mifid niedergelegt und auch im Wertpapierhandelsgesetz WpHG verankert wurde. 2014 ist die Überarbeitung der Mifid in vollem Gange: Derzeit laufen die Konsultationen der EU-Aufsichtsbehörde ESMA mit der Finanzbranche. Da Mifid II auch die Best Execution wieder in den Fokus rückt, bietet sich eine gute Gelegenheit, die bisherigen Ergebnisse der Regulierung zu beleuchten.Es zeigt sich, dass die gesteckten Ziele nicht erreicht wurden. Im Mittelpunkt steht dabei der Kriterienkatalog der Mifid, nach dem Banken den Handelsplatz für die bestmögliche Ausführung ermitteln sollen. Besondere Bedeutung kommt zwei Kriterien zu: Den Kosten der Ausführung, die sich aus Transaktionsentgelten und Gebühren von Handelsplatz und Bank ergeben, sowie dem Preis des Finanzinstruments am jeweiligen Handelsplatz, also dem dortigen Spread. Zusammen ergeben Kosten und Preis das Gesamtentgelt, an dem sich laut WpHG das bestmögliche Ergebnis zu orientieren hat. Daneben sind Geschwindigkeit, Wahrscheinlichkeit und Umfang der Ausführung sowie Art und Abwicklung des Auftrags zu berücksichtigen.Die Realität sieht anders aus: Statt sieben wird häufig nur ein Kriterium eingehend betrachtet, nämlich die expliziten Kosten. Sie sind für unterschiedliche Handelsplätze ohne großen Aufwand zu berechnen und zu vergleichen – viele Banken gehen hier den für sie einfachsten Weg. Schon die Untersuchung des zweiten zentralen Aspekts, des Preises eines Finanzinstruments, ist nämlich deutlich komplexer: Zur Ermittlung des jeweils günstigsten Spreads müssen umfangreiche Daten von Handelsplätzen beschafft und ausgewertet werden. Am aufschlussreichsten wäre natürlich eine zeitnahe und fortlaufende Analyse der Handelsspannen; dies ist jedoch kaum umsetzbar. Deshalb setzen Banken auf Stichproben, um die Preisqualität eines Handelsplatzes zu ermitteln. Allerdings sind diese punktuellen Prüfungen häufig auf einen isolierten Zeitpunkt und wenige Wertpapiere beschränkt. Entsprechend gering ist die Aussagekraft.Findet eine Stichprobe etwa in der Haupthandelszeit statt, kann das Ergebnis und damit die Rangfolge der Handelsplätze bei der Best Execution grundlegend von der Realität im Früh- und Späthandel abweichen, wenn weniger Liquidität im Markt ist. Im Klartext: Systematisch breiter gestellte Spreads in den Nebenhandelszeiten, die zu Lasten der dann ausgeführten Anleger gehen, bleiben unberücksichtigt. Nicht nur die Kosten zählenDass es Mängel in der Umsetzung der Best Execution gibt, zeigt auch das aktuelle Diskussionspapier der ESMA zu Mifid II deutlich. Es postuliert, dass Finanzdienstleister ihre Best-Execution-Policies detaillierter formulieren und deren Wirksamkeit besser überwachen sollten. Die verbreitete Praxis von Banken, sich auf die expliziten Kosten zu fokussieren, führt häufig zu einem weit überproportionalen Gewicht dieses Kriteriums in der Gesamtbetrachtung.Dies widerspricht der Idee der Best Execution: Die Order des Anlegers gelangt dadurch nicht an den besten, sondern an den kostengünstigsten Handelsplatz. Dass gerade dort das niedrige Kostenniveau wohl nur durch erweiterte Spreads und Abstriche bei der Servicequalität erreicht werden kann, liegt auf der Hand. Auch qualitative FaktorenDie Folge sind Fehlentwicklungen am Markt: Handelsplätze, die sich auf besonders liquide Wertpapiere konzentrieren oder bewusst auf eine niedrige Preis- und Servicequalität bei gleichzeitig geringen expliziten Kosten setzen, werden unverhältnismäßig bevorzugt.Dies kann jedoch nicht im Sinne der Anleger sein. Zur besten Ausführung gehören laut Mifid eben auch ein möglichst enger Spread, die Vermeidung von Teilausführungen oder unterschiedliche Ordertypen. Ein hochwertiges Dienstleistungspaket, das diesen Kriterien Rechnung trägt und auf die Bedürfnisse privater Anleger eingeht, verursacht jedoch auch mehr Aufwand für den Handelsplatz und schlägt sich in höheren expliziten Kosten nieder. Welchen Gestaltungsspielraum Banken bei ihren Best-Execution-Policies eigentlich haben, macht ein Rundschreiben der deutschen Finanzaufsicht BaFin deutlich.Zusätzlich zu den Mifid-Kriterien könnten auch qualitative Faktoren zur Auswahl des besten Handelsplatzes herangezogen werden – etwa die Kontrolle durch eine Handelsüberwachungsstelle, die Handelszeiten, die Beschwerdebearbeitung und das Informationsangebot. Gerade für private Anleger besitzen diese Aspekte und daraus resultierende Unterschiede zwischen Handelsplätzen sicherlich Relevanz und sollten daher stärkere Berücksichtigung finden.Mit Blick auf Transparenz und Anlegerschutz ist der von der Mifid forcierte Wettbewerb der Handelsplätze um die bestmögliche Ausführung wünschenswert. Allerdings müssen die regulatorischen Vorgaben konkretisiert, konsequenter umgesetzt und genauer überprüft werden, damit tatsächlich Chancengleichheit herrscht. Schließlich geht es um ein erhebliches Orderaufkommen: Viele Anleger wählen den Handelsplatz nicht selbst aus. Ihnen sollten Banken diese Aufgabe in möglichst sinnvoller und nachvollziehbarer Weise abnehmen.Oliver Hans ist Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Oliver HansDer kostengünstigste Börsenhandelsplatz ist nicht automatisch der beste Handelsplatz.——-