Bitcoin-Charttechnik weiter eingetrübt
Von Timo Emden*)
Ein Cocktail mehrerer Unsicherheitsfaktoren, bestehend aus geldpolitischen Risiken und dem Kollaps der Kryptobörse FTX, hat dem Kryptosektor kurz vor Ende der zweiten Jahreshälfte stark zugesetzt. Das nach Marktgröße bedeutendste und gleichzeitig bekannteste Krypto-Asset Bitcoin (BTC) verliert aus Sicht der vergangenen sechs Monate über 41% seines Wertes. Das Rekordhoch aus dem November 2021 bei rund 69000 Dollar befindet sich somit aus den Augen und damit aus dem Sinn von Börsianern.
Zinssorgen dominieren
Die Sorge vor zu einem hohen Tempo im Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) im Kampf gegen die grassierende Inflation bleibt als zentraler Belastungsfaktor hervorzuheben. Trotz einer rückläufigen Preisdynamik jenseits des Atlantiks befindet sich der Preisdruck immer noch auf sonderbar hohem Terrain. Während Anleger hoffen, dass der Inflationshöhepunkt in den Vereinigten Staaten erreicht sein könnte, dürften auf der Gegenseite in der Eurozone weiterhin geldpolitische Unwägbarkeiten lauern. Die Rekordinflation in der Alten Welt gilt es weiterhin zu bekämpfen, ohne das Gleichgewicht auf dem Drahtseil zu verlieren und den Konjunkturmotor gänzlich abzuwürgen.
Tiefster Stand seit 2021
Unter dem Strich beläuft sich die gesamte Bewertung aller Krypto-Anlagen auf 845 Mrd. US-Dollar, was dem tiefsten Stand seit Anfang 2021 entspricht. Vor einem Jahr lag der Gesamtmarkt noch bei fast 3 Billionen US-Dollar – der bislang höchste Stand. Der Sektor riskanter Anlageklassen hat somit weiterhin unter der Aussicht auf global steigende Kapitalmarktzinsen zu leiden.
Klassische Strohfeuer
Nachdem in der ersten Jahreshälfte die Turbulenzen rund um den Stablecoin namens TerraUSD und den Kryptodienstleister Celsius Network für Aufsehen sorgten, bereitet die jüngste Pleite der Kryptobörse FTX Anlegern Kopfzerbrechen. Damit wächst die Sorge, dass auch weitere Konkurrenten angesichts der anhaltend trüben Marktstimmung in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten. Nicht zuletzt forcieren diese Entwicklungen die Regulierungssorgen dies- und jenseits des Atlantiks. Auch innerhalb der Branche wurden bereits Rufe nach einer strengeren Regulierung lauter. Das Währungspaar Bitcoin/Dollar präsentiert sich aus Sicht der Charttechnik weiterhin spürbar angeschlagen. Nachdem der Kurs im August zwischenzeitlich noch bei 25000 Dollar notierte, kostet eine Bitcoin-Einheit Stand heute rund 16800 Dollar. Insgesamt hat sich der seit dem November des zurückliegenden Jahres bestehende übergeordnete Abwärtstrend damit letztendlich bis dato weiter fortgesetzt – abgesehen von temporären Erholungsversuchen, welche getrost als ein klassisches Strohfeuer bezeichnet werden können.
Signal für Bärenmarkt
Nicht zuletzt dürfte das jüngste Unterschreiten der psychologischen 20000-Dollar-Marke die Sorgen vor weiteren Kursverlusten abermals verschärft haben. Besagte Marke gilt insofern als bedeutend, als Ende 2017 der Bitcoin diese Hürde nur knapp verfehlte und für mehrere Jahre am Boden liegen sollte. Bei genauerer Betrachtung des 200-Tage-Durchschnitts fällt zudem auf, dass der Kurs seit Unterschreiten zu Beginn des Jahres bis heute besagte Indikatorenlinie nicht mehr hat zurückerobern können. Diese Entwicklung kann aus charttechnischen Gesichtspunkten auf einen klassischen Bärenmarkt hindeuten.
Langfristig orientierte Anleger könnten sich in diesem Kontext weiterhin an der 200-Tage-Linie orientieren. Fast 6000 Dollar-Einheiten fehlen dem Kurs zum aktuellen Zeitpunkt, um besagte Trendlinie zurückerobern zu können.
Anlaufzone 13000 Dollar
Vor diesem Hintergrund lauern insbesondere auf der Unterseite weitere Risiken. Als nächste Anlaufzone könnte die runde Marke von 13000 Dollar fungieren, welche zuletzt im Oktober 2020 erreicht wurde. Auf scharfe Gegenbewegungen sollten sich Anleger trotz der trüben Aussichten jedoch jederzeit einstellen. Da die Konstellation als überverkauft bezeichnet werden kann, könnten sich Schnäppchenjäger jederzeit auf die Pirsch begeben. Von einer nachhaltigen Trendwende dürfte damit allerdings noch lange nicht die Rede sein.
Unter dem Strich bleibt, dass Kryptowährungsanleger aus fundamentaler nebst technischer Sicht weiterhin starke Nerven mitbringen müssen. Die Unsicherheit über den Ausgang der zukünftigen Geldpolitik hierzulande als auch in den Vereinigten Staaten und die damit verbundenen Rezessionssorgen dürfte Anleger bis zum Jahresende weiter beschäftigen.
Verbotsszenarien
Dazu gesellen sich die Sorgen rund um den Kollaps der Kryptobörse FTX. Sollten die bereits angelegen Daumenschrauben weiter festgezogen werden und sogar wieder Verbotsszenarien von Bitcoin und anderen Kryptowährungen diskutiert werden, könnte dies weitere Verluste initiieren.
*) Timo Emden ist Gründer und Marktanalyst von Emden Research.