Boeing könnte die Wende zum Besseren gelingen
Geld oder Brief
Boeing könnte Wende zum Besseren gelingen
ku Frankfurt
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Die Aktie des amerikanischen Flugzeugherstellers und Rüstungskonzerns Boeing macht ihren Besitzern derzeit wenig Freude. Auf Sicht von einem Jahr hat der Titel knapp 17% an Wert verloren. Gegenüber dem Allzeithoch von 2019 hat sich der Aktienkurs in etwa halbiert. Zuletzt hatte es nach der Bekanntgabe des jüngsten Quartalsergebnisses Ende Januar zwar eine positive Börsenreaktion gegeben. Die Zahlen selbst fielen aber katastrophal aus.
Schwere Krise
Boeing befindet sich nach wie vor in einer schweren Krise. Allein im vierten Quartal häufte sich ein Verlust von 3,8 Mrd. Dollar an, für das Gesamtjahr 2024 sind es 11,8 Mrd. Dollar. Seit 2019, als die Krise mit dem Absturz von zwei nagelneuen Maschinen des Typs B737 Max begann, sind damit Verluste von mehr als 35 Mrd. Dollar aufgelaufen. Probleme, in vielen Fällen gravierende Qualitätsmängel, gibt es eigentlich in allen Geschäftsfeldern und bei allen Produktlinien. Das Volumenmodell 737 darf nach monatelangen globalen Zwangsstillegungen inzwischen zwar wieder fliegen. Im vierten Quartal legte aber ein siebenwöchiger Streik die Produktion lahm, was auch die Modelle 777 und 767 Cargo betraf. Boeing musste letztlich Gehaltsanhebungen zustimmen. Im vierten Quartal ergab sich daher ein Verlust von 5,46 Dollar je Aktie, der die Konsensschätzung der Analysten von 1,55 Dollar weit übertraf.
Misere begann 1996
Viele Beobachter führen die Misere bei Boeing schon auf das Jahr 1996 zurück, als der Konzern mit dem Wettbewerber McDonnell Douglas fusionierte. Es kam nach Ansicht vieler Branchenbeobachter zu einem massiven Zusammenstoß der Unternehmenskulturen, die bei Boeing von Ingenieuren und bei McDonnell Douglas vom Management mit seinen Kostenkontrolleuren geprägt gewesen sei - wobei sich die Seite von McDonnell Douglas letztlich durchgesetzt habe. Ein überzogenes Kostenbewusstsein habe letztlich zu der Vielzahl an Mängeln geführt.
Qualitätsprobleme
Neben den Problemen und der langen Produktionsunterbrechung bei der 737 hat es Qualitätsprobleme auch beim 787 Dreamliner und dem Widebody-Modell 777 gegeben, wobei die Zertifizierung der neuen Modelle 777X immer wieder verschoben wurde und nun in diesem Jahr erfolgen soll. Die Raumkapsel CST-100 Starliner gilt inzwischen als nicht sicher genug für den Transport von Menschen. Zwei Astronauten, die mit dieser Kapsel zur Internationalen Raumstation geflogen wurden, sind dort mittlerweile seit Monaten gestrandet. Das Space Launch System (SLS) wird von langwierigen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen geplagt. Dasselbe gilt für die militärischen Flugzeuge.
Das Tankerprogramm KC-46A Pegasus ist verzögert und hat Boeing schon Milliarden an Verlusten gekostet, unter anderem durch aufgeflogene Preisabsprachen. Der Trainer T-7A ist ebenfalls verzögert, während die Flugzeug-Hubschrauber-Kombination V-22 Osprey aufgrund von Abstürzen bereits 62 Menschenleben gefordert hat.
CEO vor Herkulesaufgabe
Der seit August 2024 amtierende CEO Kelly Ortberg steht also vor einer Herkulesaufgabe. Er kündigte aber bei der Vorlage des Quartalsergebnisses Ende Januar noch für dieses Jahr einen finanziellen Turn-around an, was am Markt zunächst mit einem Kursanstieg von 8% honoriert wurde, der sich aber bis zum Handelsschluss an dem Tag in einem Verlust von 1,5% drehte.
Analysten zumeist zuversichtlich
Für das Unternehmen spricht, dass auch eine Trump-Administration den für die USA strategisch so wichtigen Konzern garantiert nicht pleite gehen lässt, wenngleich das noch nichts über die Renditeaussichten für die Aktionäre aussagt. Der Konzern verfügt aber per Ende 2024 über einen massiven Auftragsbestand von 521 Mrd. Dollar, was alleine 5.500 zivile Verkehrsflugzeuge beinhaltet. Darauf stützen sich auch viele Analysten in ihren Empfehlungen, etwa William Blair mit einer „Outperform“-Einstufung der Aktie. UBS rät zum Kauf, bei einem Kursziel von 217 Dollar (aktueller Kurs ca. 179 Dollar). Die Bank merkt an, dass der Konzern zwar noch in einer frühen Phase seines Turnarounds sei. Allerdings gebe es deutliche Fortschritte unter anderem bei dem Modell 737 Max. Dessen Zahlen zu Produktion und Auslieferungen würden die Erwartungen von UBS übertreffen. Allerdings gehen die Meinungen der Analysten ungewöhnlich weit auseinander mit Kurszielen zwischen 85 und 250 Dollar. Per Saldo sind die Analysten insgesamt deutlich zuversichtlich mit 15 Kaufempfehlungen, drei Einstufungen mit „Overweight“ und elf Plädoyers, die Aktie im Portfolio zu behalten. Nur jeweils ein Analyst spricht sich für den Verkauf oder für das Untergewichten der Aktie aus.
Verbesserte Bilanzstruktur
Neben dem Überwinden der operativen Probleme und der zahlreichen Qualitätsmängel steht der neue CEO Ortberg vor der nicht unbedingt leichten Aufgabe, die Bilanzstruktur qualitativ zu verbessern, ohne dass dies auf Kosten der Investitionen und der Ausgaben für Forschung und Entwicklung geht. Bei der UBS ist man jedenfalls zuversichtlich, dass dies gelingt. Per Ende 2024 hatte Boeing Schulden über 53,9 Mrd. Dollar bei 26,3 Mrd. Dollar in Cash und Wertpapieren. Die Nettoverschuldung beträgt damit 26,3 Mrd. Dollar, was gegenüber dem Stand per Ende 2023 von 47,2 Mrd. Dollar bereits eine wesentliche Verbesserung darstellt. Ortberg nimmt für Boeing auch in Anspruch, dass die amerikanische Flugaufsichtsbehörde Federal Aviation Administration (FAA) dem Konzern signifikante Verbesserungen in der Produktion bescheinige. Um in die Gewinnzone zurückzukehren, muss der Konzern aber seine Flugzeugproduktion deutlich steigern und die FAA muss dies auch genehmigen.