LEITARTIKEL

Bremsspuren im Dax

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. So muss man wohl die Entwicklung der Finanzmärkte im auslaufenden ersten Quartal beschreiben. Geradezu lehrbuchartig haben die Asset-Klassen Aktien und Renten bislang einen Weg beschritten, der...

Bremsspuren im Dax

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. So muss man wohl die Entwicklung der Finanzmärkte im auslaufenden ersten Quartal beschreiben. Geradezu lehrbuchartig haben die Asset-Klassen Aktien und Renten bislang einen Weg beschritten, der die Erwartungen der überwältigenden Mehrheit der Marktteilnehmer auf den Kopf stellt. Fast unisono wurde prognostiziert, dass Aktien ihre Aufwärtsbewegung in moderaterem Tempo fortsetzen würden, während Staatsanleihen aufgrund der sehr niedrigen Kuponrenditen allenfalls kümmerliche Erträge, die kaum zum Inflationsausgleich reichen, vorausgesagt wurden. Zumindest in den ersten drei Monaten des Jahres lagen die Experten damit gründlich daneben.Denn mit Dividendentiteln war bislang nicht viel zu holen. Am vorletzten Handelstag des Quartals lag der Dax bei 9 587 Punkten im Vergleich zum Jahresende 2013 nur mit 0,4 % im Plus. Damit wurde er ausgerechnet von den von vielen verschmähten Bundesanleihen deutlich geschlagen. Im Zehnjahresbereich ist die Kuponrendite von 1,94 % Ende 2013 auf ein am Freitag erreichtes Neunmonatstief von 1,51 % gesunken. Wird der entsprechende Rex-Performance-Index zugrunde gelegt, errechnet sich für den Anleger ein durchaus ansprechender Gesamtertrag aus Zins und Kursgewinn von rund 4,5 %. Eine Reihe von Faktoren ist für diese überraschende Entwicklung verantwortlich. Dazu zählen die Sorgen über das Wachstum und die Finanzstabilität Chinas, hinter den Erwartungen zurückgebliebene, von extremen Kältewellen gedrückte US-Konjunkturdaten und Turbulenzen in den Schwellenländern, eine wenig berauschende Ergebnisberichterstattung der Unternehmen und zuletzt die Krim-Krise.All dies hat den Investoren den Risikoappetit verdorben und sie sind gut beraten, auch in nächster Zeit nicht blindlings auf die vermeintlich todsichere Aktienwette zu setzen. Einzig sicher scheint für die kommenden Wochen und Monate die Aussicht auf stärkere Kursschwankungen zu sein. Völlig unkalkulierbar ist, wie sich die Krim-Krise weiter entwickelt. Eine nachhaltigere Entspannung der Lage würde, zusammen mit der derzeitigen Stabilisierung der Emerging-Market-Währungen, den Weg für eine Rally freigeben und eventuell auch einen Anstieg des Dax auf die Schwelle von 10 000 ermöglichen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Lage in Osteuropa noch einmal verschärfen wird. Zudem könnten die Europa-Wahlen für Irritationen sorgen und sich verstärkende Befürchtungen über eine relativ zeitnahe erste Leitzinserhöhung in den Vereinigten Staaten die Märkte belasten.Damit könnten sogar robustere Konjunkturdaten aus den USA vorübergehend einen negativen Einfluss auf den Aktienmarkt haben. Der Einfluss der Kältewellen auf die Daten lässt nämlich nach, und Nachholeffekte könnten in nächster Zeit auch ein zu robustes Bild zeichnen. Dreh- und Angelpunkt bleibt jedoch die Entwicklung der Unternehmensgewinne. Von ihnen hängt jenseits aller kurzfristiger Irritationen und Stimmungsschwankungen letzten Endes das Potenzial der Aktienmärkte ab. Das zentrale, für den Aktienmarkt zuversichtliche Szenario, mit dem die Marktteilnehmer das laufende Jahr begonnen haben, sieht vor, dass sich die Gewinnentwicklung im Laufe des Jahres mit Hilfe einer anziehenden Konjunktur merklich bessert. Tritt dies nicht ein, fällt der entscheidende Baustein weg.In den ersten drei Monaten war bei den Dax-Unternehmen noch keine Besserung zu spüren. Im Gegenteil: Die Konsensprognose für den aggregierten Dax-Gewinn je Aktie in diesem Jahr ist um weitere 2,5 % auf rund 712 Punkte gesunken. Eine nachhaltigere Rally am Aktienmarkt setzt aber voraus, dass der Trend bei den Gewinnerwartungen dreht. Damit wird die in wenigen Wochen startende Berichtssaison für das erste Quartal bzw. die von den Unternehmen ausgegebenen Ausblicke entscheidende Akzente für den weiteren Jahresverlauf setzen. Vermutlich werden die Berichte ein weiteres Mal nicht sonderlich begeisternd ausfallen. Einige Unternehmen haben bereits erklärt, dass die Schwäche der Schwellenländerwährungen Bremsspuren hinterlässt. Vor diesem Hintergrund wird wahrscheinlich noch einige Zeit vergehen, bevor die moderate Beschleunigung des Wachstums der Weltwirtschaft auch in den Gewinnerwartungen der Marktteilnehmer ihren Niederschlag findet. Der Anstieg des Dax auf die Schwelle von 10 000 Zählern könnte damit weiter hinausgezögert werden.——–Von Christopher KalbhennDreh- und Angelpunkt bleibt die Entwicklung der Unternehmensgewinne. Von ihnen hängt letzten Endes das Potenzial der Aktienmärkte ab.——-