DEVISENWOCHE

Brexit-Risiken sind nicht angemessen eingepreist

Von Ulrich Leuchtmann *) Börsen-Zeitung, 20.2.2018 Die Brexit-Verhandlungen über die Übergangsphase von März 2019 bis Ende 2020 laufen derzeit. Die Verhandlungspartner haben sich eine enge Deadline bis Ende März gesetzt. Diese droht ergebnislos zu...

Brexit-Risiken sind nicht angemessen eingepreist

Von Ulrich Leuchtmann *)Die Brexit-Verhandlungen über die Übergangsphase von März 2019 bis Ende 2020 laufen derzeit. Die Verhandlungspartner haben sich eine enge Deadline bis Ende März gesetzt. Diese droht ergebnislos zu verstreichen. Der Devisenmarkt preist dieses Risiko derzeit nicht angemessen ein. Anders gesagt: Er offeriert momentan sehr geringe Versicherungsprämien für eine möglicherweise folgende Pfund-Schwäche. Man kann über den Brexit unterschiedlicher Auffassung sein. Wäre ein “harter Brexit” tatsächlich so schlimm für Großbritanniens Wirtschaft? Und wenn ja, wären die Folgen kurzfristig spürbar – und damit für den Währungsmarkt relevant – oder nur sehr langfristiger Natur und damit für den Devisenmarkt kein Thema? Und überhaupt: Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit für solch ein Szenario eines “harten” Brexit? Sind all die Schwierigkeiten im Brüsseler Verhandlungsprozess nicht nur Theaterdonner, der Teil der jeweiligen Verhandlungsstrategie ist, und am Ende einigt man sich nicht doch gütlich – wie man es schon so oft in Brüssel erlebt hat? All das kann sein. Nur muss man nicht nur von dieser optimistischen Sichtweise überzeugt sein, wenn man Pfund-Abwertungsrisiken negiert. Man muss auch davon überzeugt sein, dass die Masse der anderen Marktteilnehmer das so sieht. Mutige MarktsichtUnd spätestens hier wird die derzeitige Marktsicht – vorsichtig ausgedrückt – mutig. Denn der Devisenmarkt sieht derzeit nur geringe Risiken für deutliche Pfund-Schwäche. Diese Sicht drückt er in den Risk Reversals aus, dem Unterschied in den Versicherungsprämien gegen deutliche Auf- oder Abwärtsbewegungen des Euro-Pfund-Kurses. Die Versicherung gegen deutliche Euro-Pfund-Aufwärtsbewegungen – also eine deutliche Pfund-Schwäche – ist kaum höher als gegen deutliche Pfund-Stärke. Diese Marktsicht entspricht nicht unserer Erwartung des weiteren Verhandlungsprozesses. Derzeit geht es am Verhandlungstisch um die Übergangsperiode von März 2019 bis Ende 2020. Wie soll in dieser Zeit die Beziehung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich aussehen? Die Verhandlungspartner haben sich einen ambitionierten Zeitplan gesetzt: Bis Ende März will man sich auf die Modalitäten der Übergangsphase geeinigt haben. Allerdings könnte leicht eine Situation entstehen, in der zumindest eine Seite auf Zeit spielt. Schließlich muss eine Einigung eigentlich erst im Oktober unter Dach und Fach sein, um die nötigen technischen Vorbereitungen für den Übergang zu treffen. Das heißt: Beide Seiten werden versucht sein, möglichst lange an ihrer Verhandlungsposition festzuhalten und zur Not den März-Termin verstreichen zu lassen. Das Unfallrisiko steigtGerüchte besagen bereits, dass beide sich darauf vorbereiten. Wir halten es für möglich, dass in diesem Fall das Pfund einen zwischenzeitigen Schwächeanfall erleidet. Der Markt sieht das nicht so. Die Versicherung gegen solch ein Szenario ist momentan sehr günstig. Zum einen, weil die Zwei-Monats-Risk-Reversals nahe null handeln, zum anderen, weil die Zwei-Monats-ATM-Volatilität in Euro-Pfund immer noch auf niedrigem Niveau handelt. Klar, wenn ein Verstreichen der März-Deadline nur das Ergebnis von Verhandlungstaktiken ist, dann sagt das nicht unbedingt etwas darüber aus, ob nicht doch rechtzeitig – das heißt vor Oktober – eine Einigung über die Übergangsphase erzielt werden kann. Nur: Wahrscheinlicher wird eine Einigung dadurch ganz sicher nicht. Im Gegenteil, mit jeder verstrichenen Deadline steigt das “Verunfallungsrisiko”. Und damit dürfte zumindest die Versicherungsprämie für eine Pfund-Schwäche im Oktober steigen. Das heißt: Die niedrigen Sechs-Monats-Risk-Reversals und die niedrige Sechs-Monats-ATM-Volatilität in Euro-Pfund könnten eine schnell verstreichende Opportunität sein, die der Markt nach einem Verstreichen der März-Deadline korrigieren könnte. Anders gesagt: Auch denjenigen, die sich nur gegen ein ergebnisloses Verstreichen der (wichtigeren) Oktober-Deadline absichern wollen, bietet der Devisenmarkt derzeit eine aus unserer Sicht ungerechtfertigt billige Versicherung.—- *) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.