"Bundesanleihen gefährliches Asset"
Juan Nevado, Fondsmanager von M & G, macht aus seinen Präferenzen keinen Hehl. Die starke Verunsicherung der Marktteilnehmer macht Risiko-Assets attraktiv, während vermeintlich sichere Anlageinstrumente wie Staatsanleihen sehr hoch bewertet sind. Im Interview rät er unter anderem zu Aktien und hält hier gerade Deutschland für interessant.- Herr Nevado, das Umfeld für Investments gestaltet sich derzeit angesichts der Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung, politischer Risiken und extrem niedriger Zinsen äußerst schwierig. Wie sollen Investoren damit umgehen?Der Ausgangspunkt unserer Strategie ist immer die Bewertung. Wir fragen also: Was ist im Markt eingepreist? Ferner wollen wir wissen, wie die Psychologie am Markt aussieht. Wir glauben an die Bedeutung von Behavioural Finance und Psychologie.- Wie würden Sie denn die aktuelle Stimmungslage der Marktteilnehmer charakterisieren?Die Märkte haben sich seit Mitte Februar deutlich erholt. Dennoch sind die Marktteilnehmer immer noch sehr risikoavers. Wir leben derzeit in einer verrückten Welt, in der die Leute damit zufrieden sind, Anleihen mit negativen Renditen zu halten. Die realen Renditen von Staatsanleihen sind seit 1990 auf globaler Basis von 5 % auf – 1 % gesunken. Die Investoren sind tatsächlich glücklich, Assets zu halten, von denen sie wissen, dass sie damit in den kommenden zehn Jahren 10 % verlieren werden. Die Zinsen liquider Mittel sind mit real – 2 % noch niedriger.- Klingt wie ein Plädoyer für Aktienanlagen.Nun, die reale Rendite von Aktien beträgt, wenn man die Unternehmensgewinne zugrundelegt, 6,5 %. Sie hat sich nicht wesentlich verändert. Aber der Aufschlag, den Investoren für das Halten von Aktien anstelle einer risikolosen Anlage verlangen, ist gestiegen. Der wichtigste Grund dafür ist, dass die Investoren Angst vor Volatilität haben. Von Ende November 2015 bis zum 11. Februar ist etwa der Dax um 23 % gefallen. Ab Ende Januar sank er aber nicht mehr wegen der tatsächlichen Lage der Weltwirtschaft. Er sank, weil die Marktteilnehmer Angst hatten, nicht mehr aus fundamentalen Gründen. In solchen Phasen kaufen wir gerne Risiko-Assets.- Und haben Sie das auch gemacht?Wir haben Ende Januar/Anfang Februar begonnen, Aktien zu kaufen. Seit dem 11. Februar hat sich der Markt dann stark erholt. Auch hinter dieser Bewegung standen keine fundamentalen Neuigkeiten. Es gab lediglich Daten, die zeigten, dass sich die Weltwirtschaft leicht erholt. Trotzdem stieg der Markt bis Mitte Mai um 10 %.- Sie sagten, dass die Marktteilnehmer immer noch risikoavers sind. Wie halten Sie es derzeit mit Risiko-Assets?Wir tendieren zurzeit zu Aktien, auf Lokalwährungen lautenden Schwellenländeranleihen und Credits. Wir halten im Übrigen auch eine argentinische Dollar-Anleihe. Wir haben bei der jüngsten Emission zugegriffen, und die Anleihen sind seither um 5 % gestiegen.- Warum haben Sie die argentinischen Anleihen gekauft?Wir haben sie gekauft, weil sie billig aussahen. Sie waren sehr billig, weil dies ein Asset ist, das einen Default hinter sich hat. Daher wird auch eine hohe Risikoprämie geboten. Argentinien ist ein gutes Beispiel für ein günstiges Risiko-Asset. Dabei ist das Default-Risiko heute gering. Argentinien hat eine geringe Verschuldung und eine neue Regierung, die eine gute Wirtschaftspolitik macht.- Sie empfinden Risiko-Assets als günstig. Sind vermeintlich sichere Assets dann teuer?In der Tat. Wir haben eine Blase bei auf Kapitalerhalt ausgerichteten Anlagen. Die Weltwirtschaft wächst moderat, ist aber nicht in einer Rezession. Die Leute machen sich Sorgen um die Weltwirtschaft und verwechseln dabei niedriges Wachstum mit Rezession. Das Wachstum der USA und Großbritanniens liegt jeweils bei rund 2 %. Das ist keine Rezession, aber in den Risiko-Assets wird eine eingepreist.- Risiko-Assets haben aber eben ihre Risiken. Fahren Investoren mit ihnen Ihrer Meinung nach wirklich besser als mit sogenannten Safe-Haven-Anlagen?Meine These lautet: Wer Risiko-Assets hält, wird mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in den kommenden Jahren einen Ertrag oberhalb des Ertrags von liquiden Mitteln erzielen. Die Volatilität verschreckt die Leute. Der Grund, für Risiko-Assets zuversichtlich zu sein, ist nicht, dass die Weltwirtschaft sich großartig entwickelt. Da tut sie nicht. Der Grund sind vielmehr die hohen Risikoprämien.- Was halten Sie von den deutschen Märkten?Deutschland ist ein gutes Beispiel für die derzeit grassierende Risikoaversion. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe liegt bei 0 %. Damit ist der Markt gepreist, als wäre in den kommenden zehn Jahren im Euroraum mit einem Wachstum von 0 % zu rechnen. Der Dax bietet dagegen bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,5 eine reale Rendite von rund 8 %. Bei einer realen Bundrendite von – 1 % bedeutet das eine Risikoprämie von 9 % pro Jahr für das Halten von Aktien. Deutschland zählt zu den von mir bevorzugten Aktienmärkten, da die Risikoprämie sehr hoch ist.- Welche Rolle spielt die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank?Die EZB ist aus Sicht von Risiko-Assets positiv. Bei einem Ziel von 2 % liegt die Inflation zurzeit bei null. Daher ergibt ihre Geldpolitik auch Sinn. Ihre Geldpolitik ist für Aktien und Credits auch aus dem Grund positiv, dass nicht zu erwarten ist, dass der Euro stark steigen wird, solange die EZB ihren expansiven Kurs beibehält. Das Umfeld ist für den gesamten Euroraum positiv. Die Wirtschaft erholt sich, aber die Leute glauben das nicht und handeln Europa wie in einer Rezession. Europa ist außerdem ein großer Profiteur der niedrigeren Ölpreise.- Welche Aktienmärkte gefallen Ihnen noch?In Europa setzen wir außer Deutschland auch auf Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien, in Asien auf Japan, Korea und Taiwan. Darüber hinaus gefallen uns amerikanische Banken. Das sind alles Assets mit hohen Risikoprämien.- Und außerhalb des Aktienbereichs?Uns gefallen beispielsweise US-Credits, die sich hervorragend zur Diversifikation eines globalen gemischten Portfolios eignen. Sie waren im Februar, als sie auf Krisenniveau bewertet wurden, sehr attraktiv. Sie sind auch jetzt noch attraktiv. Im BBB-Segment weisen sie einen Spread auf Treasuries von 280 Basispunkten auf. Die Rendite liegt bei 4,8 %. Auch hier wird eine ausgeprägte Risikoaversion sichtbar. Mit den hohen Risikoprämien wird eine Rezession eingepreist, aber es wird keine Rezession geben.- Können Staatsanleihen eigentlich noch als sichere Anleihen angesehen werden?Im Gegenteil: Die Staatsanleihen der westlichen Länder sind sehr riskant. Wenn die Wirtschaft wie erwartet weiter wächst und die Inflation steigt, können Investoren viel Geld verlieren. Bundesanleihen sind ein gefährliches Asset, wie das Frühjahr 2015 bereits gezeigt hat. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen könnte in den nächsten zwei Jahren ohne besondere ökonomische Verbesserung auf 0,5 oder auch 1 % steigen. Wenn die Rendite um 100 Basispunkte steigt, verlieren die Investoren rund 7 %.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.