IM INTERVIEW: REINHARD PFINGSTEN, HAUCK & AUFHÄUSER

"Buy and Hold funktioniert nicht"

Chief Investment Officer: Dax-Stand von rund 12 500 Punkten im kommenden Jahr erreichbar

"Buy and Hold funktioniert nicht"

Nachdem das Jahr 2015 mit vielen Überraschungen, darunter ein langsameres Wachstum der Weltwirtschaft, aufgewartet hat, wird voraussichtlich auch das Jahr 2016 für die Anleger sehr herausfordernd. Die Börsen-Zeitung hat Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer von Hauck & Aufhäuser, zu seiner Einschätzung der Aktienmärkte und Strategie befragt.- Herr Pfingsten, das Weltwirtschaftswachstum dieses Jahr enttäuscht, weil es sich verlangsamt statt wie erhofft beschleunigt. Was erwarten Sie für das kommende Jahr?Das Wachstum bleibt in der Tat hinter den Erwartungen zurück. Grund ist die schlechter als erwartete Entwicklung der Emerging Markets. Für 2016 gehen wir von einem leichten Anstieg des globalen BIP-Wachstums von 3,1 auf 3,3 % aus. Zum einen werden die USA ein solides Wachstum von 2,5 % aufweisen. Zum anderen wird das Wachstum weiterhin vor allem von den Schwellenländern getragen. Wir erwarten für die Emerging Markets eine Rate von 4,4 %.- Glauben Sie, dass die Schwellenländer die Wende schaffen?Bei den Schwellenländern muss man sehr stark differenzieren. Länder mit Leistungsbilanzdefiziten werden Probleme in Form von Kapitalabflüssen und schwachen Währungen haben. Der Selbstheilungsprozess fängt ganz allmählich an zu wirken. In Indien greift er bereits, in Brasilien aber noch nicht.- Würden Sie von einem insgesamt freundlichen Konjunkturumfeld für die Aktienmärkte sprechen?Nun, wir haben ein solides Wachstum, sind jedoch weit entfernt von einem schwunghaften Wachstum. Deswegen ist das Umfeld eher fragil. Wir gehen davon aus, dass im nächsten Jahr Themen wie Deflation, Rezession, Euro-Krise und so weiter gelegentlich wieder hochkochen und bei den Investoren Sorgen hervorrufen werden. Unser Ausblick ist verhaltener, als der Ausblick für das Jahr 2015 vor zwölf Monaten war. Wir sehen eher positive Vorzeichen, glauben aber nicht an prozentual zweistellige Zuwachsraten. Über eine höhere Bewertung wird es nicht gehen, Treiber muss das Gewinnwachstum sein.- Wie lauten Ihre Erwartungen für die Bewertung und das Gewinnwachstum des Dax?Wir halten für den Dax ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von bis zu 15 oder 16 für vertretbar und einen Anstieg der Dax-Unternehmensgewinne von 10 % für möglich. Der Dax hat einen Vorteil. Daimler, VW und Eon haben im dritten Quartal hohe Rückstellungen gebildet. Dieser Effekt geht im nächsten Jahr wieder raus. Insgesamt halten wir daher einen Dax-Anlageertrag von 8 % beziehungsweise einen Stand von rund 12 500 Punkten für erreichbar. Viel mehr würde ich nicht erwarten.- Lohnt sich für Anleger somit der Einstieg in den Aktienmarkt?Wir sind zwar grundsätzlich moderat zuversichtlich. Eine Buy-and-Hold-Strategie funktioniert aber nicht. Es wird darauf ankommen, flexibel zu agieren, das heißt die verschiedenen Zyklen, die es im Laufe des Jahres geben wird, mitzunehmen. Die Phase, in der man Aktien mit Unterstützung des Quantitative Easing der Fed und der EZB einfach halten konnte, ist vorbei. Mit der ersten Leitzinserhöhung der Fed, die wir im Dezember erwarten, sowie mit der Fragilität, die wir am chinesischen Kapitalmarkt sehen, wird Volatilität in den Markt kommen.- Welche Anlageregionen bevorzugen Sie?Wir schauen nach Regionen, mit denen man von geldpolitischer Lockerung, Bewertung und Sicherheit profitieren kann. Was die Geldpolitik betrifft, setzen wir eher auf Japan als auf den Euroraum. In Japan herrscht in Bezug auf Strukturreformen Konsens, während der Euroraum mit Ausnahme vielleicht Italiens in dieser Hinsicht von Stillstand geprägt ist. In puncto Bewertung gefällt uns Asien ex Japan mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von grob 9. Sicherheit finden wir vor allem in den USA. Der Markt ist zwar relativ teuer bewertet, die Wirtschaft wächst aber mit 2,5 % solide. Ohne eine dramatische Aufwertung des Dollar ist der amerikanische Aktienmarkt attraktiv. Im Euroraum sind wir zurückhaltend, unter anderem wegen des Reformstillstands.- Welche Aktienbranchen gefallen Ihnen besonders?Wir haben keine Sektorallokation, sondern treffen eine Entscheidung nach Regionen, um dann nach dem Bottom-up-Ansatz interessante Werte zu suchen. Dies führt aber zu gewissen Schwerpunkten. Dazu zählt etwa der Konsum. Die verfügbaren Einkommen steigen sowohl in den USA als auch in Europa. So verzeichnet etwa das deutsche Gaststättengewerbe in diesem Jahr ein prozentual zweistelliges Umsatzwachstum. Wir haben Tarifabschlüsse von 5 %, und das ohne Inflation. Real um 5 % steigende Löhne hat es zuletzt in den siebziger und sechziger Jahren gegeben. Ferner setzen wir auf Zykliker, die stark vom Quantitative Easing profitieren werden. Wenn es die Inflationserwartungen und das Wachstum antreibt, werden davon Chemiewerte als Frühzykliker profitieren. Interessant sind auch Small Caps. Sie sind billiger als die Large Caps. Große Qualitätswerte wie Roche, L’Oréal und Unilever sind sehr stark gestiegen und dadurch recht teuer geworden. Im Vergleich dazu haben Small Caps im Durchschnitt deutliche Bewertungsabschläge. Zudem profitieren sie in Phasen des Quantitative Easing von einer größeren Risikobereitschaft der Investoren. Außerdem nimmt die M & A-Aktivität zu, die aufgrund geringeren Kapitalbedarfs für eine Übernahme Small Caps überdurchschnittlich stark stützt.- Die Rohstoffbranchen sind sehr stark gedrückt worden. Ist es Zeit, sich dort zu engagieren?Irgendwann wird das Thema Rohstoffe wieder interessant werden. Allerdings wird eine Initialzündung benötigt. Für den Energiebereich könnte das die Opec-Konferenz am Freitag werden. Denn Saudi-Arabien hat signalisiert, mit dem aktuellen Preisniveau nicht mehr zufrieden und zu einer Angebotsverknappung bereit zu sein. Wenn das geschieht, wird es zu einem Short Squeeze in der Ölbranche kommen, da der Markt stark untergewichtet ist. Für die Bergbauaktien gibt es eine solche Fantasie derzeit nicht. Kaum einer legt Produktionskapazitäten still. Vielfach wird Produktion unter staatlicher Einwirkung aufrechterhalten, obwohl die Weltmarktpreise die Kosten nicht decken. Der Grund ist die Abhängigkeit einiger Länder von den Deviseneinnahmen.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.