Glücksspielkonzerne

Casinos von Las Vegas im Boom

Die Glücksspielerlöse in Las Vegas ziehen trotz wachsender Rezessionssorgen kräftig an. In den Aktienkursen von Casinokonzernen wie MGM Grand ist diese fundamentale Stärke indes noch nicht reflektiert.

Casinos von Las Vegas im Boom

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Am Pokertisch der internationalen Glücksspielbranche sind die Karten sehr ungleich verteilt. Denn der ehemalige Wachstumsmarkt Macau leidet unter Umsatzeinbrüchen, im Juli stürzten die Erlöse im Vorjahresvergleich um 95% ab – zugleich boomt das Casinogeschäft in Las Vegas trotz Rezessionssorgen ungebrochen. Im ersten Halbjahr legten die Brutto-Glücksspieleinnahmen in der Wüstenmetropole laut Ne­vada Gaming Control Board gegenüber dem Vorjahr um mehr als 21% zu. Dabei war die Erholung vom Corona-Einbruch bereits in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 mit über 74% sehr kräftig ausgefallen.

Im Juli hat sich die Glückssträhne laut den Analysten von Bloomberg Intelligence fortgesetzt: Gegenüber dem von Corona-Restriktionen unbeeinflussten Vergleichszeitraum 2019 legten die Erlöse demnach um 43% zu, wobei sich insbesondere die von gut betuchten Hochrisiko-Spielern („High Roller“) angesteuerten Baccara-Tische als Zugpferd erwiesen hätten. Dagegen ächzt Macau unter den Folgen eines weiteren Lockdowns. Obwohl die Casinos inzwischen wieder geöffnet hätten, dürften sich die Brutto-Glücksspielerlöse in der chinesischen Sonderverwaltungszone laut Bloomberg Intelligence im August auf 3 Mrd. Macau-Pataca (rund 370 Mill. Dollar) belaufen – und damit lediglich 12% des Vor-Corona-Niveaus erreichen.

Die Entwicklung am Aktienmarkt läuft dem fundamentalen Trend indes entgegen. Denn das Papier des Glücksspielriesen Las Vegas Sands, der zugunsten des Ausbaus seines Asiengeschäfts 2021 all seine Immobilien in der US-Wüstenmetropole veräußerte, verlor zwischen Jahresbeginn und Mitte Juni fast 21% an Wert, hat diese Verluste nach einem Kursspurt aber fast wieder aufgeholt. Die Aktie des Konkurrenten MGM Resorts International, der rund 27% der Hotelzimmer am Las Vegas Strip betreibt und damit der größte Spieler in Sin City ist, liegt seit Anfang Januar gerechnet dagegen 25% im Minus.

Rezession eingepreist

Laut Beobachtern preisen Investoren bei MGM Resorts die Gefahren einer schweren Rezession in den USA ein, während sie bei Las Vegas Sands auf eine Normalisierung des Reiseverkehrs und eine Wiederbelebung des Glücksspiel-Massenmarkts setzen. Letzterer dürfte nach Ansicht von Bloomberg Intelligence das High-Roller-Segment als wichtigste Wachstumsquelle ablösen. Der Massenmarkt sei margenträchtig, die Ebitda in Macau dürften sich damit in höheren Raten erholen als die Brutto-Glücksspielerlöse.

Doch trotz der aufgestauten Nachfrage könne die Inflation die Normalisierung des Macau-Geschäfts ausbremsen. Schließlich seien Verbraucher aufgrund des Kaufkraftverlusts zu Einsparungen gezwungen, die Reisebudgets gingen zurück.

Zugleich birgt eine Regulierungsoffensive der chinesischen Sonderverwaltungszone gegen Junket Operators Risiken. Diese Dienstleister organisieren Reisen für VIP-Glücksspieler und vergeben Kredite an ihre gut betuchten Kunden. Allerdings dürfen sie ihre Einnahmen nun nicht mehr mit den Casinokonzessionären teilen, die Glücksspielkonzerne wiederum haften für Fehlverhalten der Reiseveranstalter. Das Vorgehen gegen die VIP-Dienstleister bremst laut Marktstrategen den Enthusiasmus der High Roller, an die Baccara-Tische von Macau zurückzukehren.

Trotz dieser Probleme sind Analysten optimistisch für Las Vegas Sands: In der Bloomberg-Datenbank findet sich lediglich eine Verkaufsempfehlung für die Aktie, zwei Investmenthäuser setzen den Titel auf „Halten“. Dagegen raten zwölf Analysten zum Kauf und damit ebenso viele wie bei MGM Resorts, für die bei sechs „Halten“-Vota indes kein Haus eine Verkaufsempfehlung abgibt.

Der Enthusiasmus lässt sich teilweise dadurch erklären, dass Las Vegas Sands in Macau nicht vollständig „all in“ gegangen ist, sondern mit einem Flaggschiff-Haus auch in Singapur vertreten ist. Das Geschäft in dem Stadtstaat entwickelt sich robuster als in der chinesischen Sonderverwaltungszone und generiert laut J.P. Morgan einen Großteil des Börsenwerts des Glücksspielkonzerns. Nach Berechnungen der US-Großbank­ lassen sich 55% der Marktkapitalisierung auf die Aktivitäten in Singapur zurückführen.

Während J.P. Morgan dem Casinobetreiber angesichts gelockerter Einreisebedingungen in dem Inselstaat ein attraktives Risiko-Chancen-Profil bescheinigt, warnt Bloomberg Intelligence vor dem Arbeitskräftemangel an Asiens Glücksspielmärkten. Dies treffe Singapur besonders hart, da die Stadt in hohem Maß von ausländischer Arbeitskraft abhängig sei. Damit könnten die Hotels vor Ort auch weniger Zimmer und Spiel­tische zur Verfügung stellen, was die Erholung im Sektor beeinträchtige.

Fundamentaldaten im Fokus

Angesichts der vielen Schwierigkeiten könnten die Fundamentaldaten der Casinokonzerne laut An­lagestrategen bald verstärkt in den Fokus rücken. In Bezug auf diese übertrumpfte MGM Resorts die Konkurrenz zuletzt deutlich: Der Platzhirsch von Las Vegas steigerte seinen Umsatz im zweiten Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 44%, beim Ergebnis stand im Zuge der Erholung von der Coronakrise gar ein Plus von mehr als 1600%. Las Vegas Sands musste indes deutlich rückläufige Erlöse und herbe Verluste verkraften. Die Bewertung von MGM Resorts fällt in der Folge zwar nicht niedrig, aber dennoch wesentlich moderater aus als beim Konkurrenten.

Zudem verfügt MGM über eine starke Präsenz im Online-Glücksspielgeschäft, das von einer fortschreitenden Legalisierung in den Vereinigten Staaten profitiert. Derzeit wirkt es also so, als würden die Casinobetreiber von Macau hoch wetten – während ihre Wettbewerber am US-Markt die Asse auf der Hand halten.

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