IM INTERVIEW: JOHN WOODS, CREDIT SUISSE

Chancen bei Asiens Konsumwerten

Chief Investment Officer für die Region glaubt an den Erfolg der Transformation Chinas

Chancen bei Asiens Konsumwerten

John Woods, Chief Investment Officer der Credit Suisse für die Region Asien-Pazifik, verspricht sich von der US-Steuerreform nächste Impulse für die asiatischen Börsen. Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert, wo er Chancen für Investoren an den Aktienmärkten der Region sieht.- Herr Woods, selten waren sich die Experten so uneinig über die Lage an den asiatischen Finanzmärkten wie dieser Tage. Einerseits ist von einem Börsencrash die Rede, der von einer Eskalation der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel ausgelöst werden könnte. Andererseits zeichnen Beobachter das Bild einer noch lange anhaltenden Kursrally. Welche Seite liegt richtig?Die Börsen der Region haben in den vergangenen Monaten von den sich verbessernden Konjunkturdaten und den steigenden Unternehmensgewinnen Auftrieb erhalten. Das Kursrally wurde dabei insbesondere auch von dem in die Region fließenden Kapital angefeuert.- Werden Ausländer auch weiterhin im gleichen Ausmaß asiatische Aktien kaufen?Das hängt weitgehend davon ab, ob es US-Präsident Donald Trump gelingen wird, die von ihm versprochen Steuerreform zu verwirklichen. Sollte das der Fall sein, wofür derzeit viel spricht, so würden davon starke Wachstumsimpulse ausgehen, die insbesondere auch die Kurse asiatischer Aktien stützen würde.- Was könnte eine Korrektur nach unten auslösen?Asiatische Aktien haben in den vergangenen Monaten in erster Linie von den guten Unternehmensnachrichten Auftrieb erhalten haben. Das hat selbst die vorherrschenden geopolitischen Risiken in den Schatten gestellt. Es muss allerdings in Erinnerung gerufen werden, dass sogar ein dramatisches Ereignis wie etwa der Terroranschlag vom 11. September 2001 bereits nach einigen Wochen an den Finanzmärkten nicht mehr das vorherrschende Thema war. Daher gehe ich nicht davon aus, dass die Hausse durch die vom nordkoreanischen Rüstungsprogramm ausgelösten erhöhten geopolitischen Spannungen aus der Bahn geworfen wird. Das könnte allenfalls durch schwächer als erwartet ausfallende Unternehmensgewinne, eine an Fahrt gewinnende Teuerung oder schneller als prognostiziert vorzunehmende Zinserhöhungen in den USA und einem damit deutlich erstarkenden Dollar eintreten. Das halte ich aber nicht für sehr wahrscheinlich.- Hat sich Asien mittlerweile nicht von den US-Konjunkturzyklen abkoppeln können?Davon kann erst dann die Rede sein, wenn der Dollar seine dominante globale Bedeutung verloren hat. Doch sind wir davon trotz der fortschreitenden Internationalisierung des chinesischen Yuan noch weit entfernt.- Wird die Rolle Chinas überschätzt?Nein, China ist mit der wachsenden Kaufkraft seiner Bevölkerung und seinen steigenden Direktinvestitionen in der Region weit über seine Grenze hinaus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Damit hat auch die Abhängigkeit Asiens von Exporten in die entwickelten Industriestaaten abgenommen. Das heißt aber auch, dass etwa eine Fehlentscheidung der chinesischen Notenbank in den wirtschaftlich zunehmend von China abhängenden asiatischen Staaten Schockwellen auslösen würde.- Kann China sein gegenwärtig vergleichsweise immer noch hohes Wachstum auch in den kommenden Jahren aufrechterhalten?Chinas Wirtschaftswachstum lässt langsam, aber gleichzeitig auch in geordneter Weise nach. Doch hat das Land bald schon mit den üblichen Begleiterscheinungen einer alternden Gesellschaft zu kämpfen. Klar ist auch, dass angesichts des bereits jetzt relativ hohen Verschuldungsgrades das von günstigen Krediten angetriebene Wachstumsmodell an die Grenzen gestoßen ist. Allerdings wird dies durch die Neuausrichtung weg von einer von Investitionen dominierten Volkswirtschaft hin zu einer vom Privatkonsum angetriebenen Dynamik zumindest teilweise ausgeglichen.- Kann Indien mit seiner jungen Bevölkerung und dem großen Nachholbedarf an Infrastruktur China als globaler Wachstumsmotor ablösen?Die Frage ruft die alte Redensart in Erinnerung, dass Indien ein großes Potenzial hat und das auch immer haben wird. Das will sagen, dass Indien zwar ein wirtschaftlich vielversprechendes Land ist. Doch erweist sich die Umsetzung von Reformen als äußerst schwierig. Die Hoffnung, dass mit dem reformfreudigen Premierminister Narendra Modi diesmal alles anders ist, hat der Börse Mumbai massiv Auftrieb gegeben. Doch hat der sich der Enthusiasmus mittlerweile etwas abgekühlt. Vor allem liegen die Bewertungen indischer Aktien mittlerweile deutlich über dem regionalen Durchschnitt.- Zurück zu China: Wie schätzen Sie das Aufwärtspotenzial der chinesischen Börsen ein, die im laufenden Jahr weltweit am stärksten zugelegt haben?Auch chinesische Aktien sind mittlerweile mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 15 nicht mehr sehr günstig bewertet. Die Hausse dürfte sich in den kommenden zwei Quartalen vor allem auch deshalb abflachen, weil sich das Wachstum der Erzeugerpreise mittlerweile verlangsamt hat.- Gibt es an den chinesischen und indischen Börsen dennoch Kaufgelegenheiten?Durchaus. In Asien sollten Investoren allerdings nicht mehr in erster Linie auf einzelne Märkte, sondern auf Sektoren setzen. Das nicht zuletzt auch, weil es sehr schwierig ist, chinesische Aktien Indern oder indische Werte Chinesen schmackhaft zu machen. IT-, Pharma- oder Telecom-Werte stoßen hingegen unabhängig von ihrer Herkunft überall auf Interesse. Ihre Gewinnentwicklung unterliegt nicht so sehr zyklischen, sondern langfristig laufenden strukturellen Trends, die wir daher auch als Supertrend bezeichnen.- Wie können Investoren damit Geld verdienen?Indem sie sich auf das Konsumverhalten einer rasant an Bedeutung gewinnende Mittelklasse in den Schwellenländern konzentriert. Ein großes Thema ist auch die alternde Bevölkerung sowie die beschleunigte Migration aus ländlichen Gebieten in urbane Zentren, was wachsende Investitionen in die Gesundheitsversorgung und Infrastrukturprojekte nach sich zieht. Das gibt der Bauindustrie und Produzenten von Rohstoffen und Baumaterial Rückenwind. Ein Segment, das vom Supertrend einer alternden Bevölkerung besonders profitiert, sind japanische Unternehmen, die Nachbarschaftsläden betreiben.- Wie schätzen Sie die Aussichten für die japanische Börse ein?Wir haben Japan in unserem Modellportfolio gerade übergewichtet. Gründe dafür sind, dass die Börse Tokio in den vergangenen sechs bis zwölf Monaten die Rally an den Märten der anderen Industriestaaten nicht mitgemacht hat und dass sich die Unternehmensgewinne vor allem auch wegen der sich verbessernden Binnenwirtschaft merklich erholt haben. Japanische Aktien sind damit vergleichsweise günstig. Was es jetzt noch fehlt, ist ein Katalysator, der den breiten Kursanstieg auslöst. Der könnte etwa darin bestehen, dass nach den Parlamentswahlen in die Abenomics frisches Leben eingehaucht wird.- Wie schätzen Sie die Entwicklung der Rohstoffpreise ein, die für Exportnationen wie Australien, Indonesien oder auch Malaysia sehr wichtig sind?Angesichts der sich verbessernden Wirtschaftslage der USA und damit auch der globalen Ökonomie werden sich auch Rohstoffnotierungen wie der Ölpreis deutlich erholen. Das wird auch den Aktien von Energie- und Bergbauunternehmen Auftrieb geben. Australien und damit auch australische Aktien dürften davon als bedeutender Rohstoffproduzent in besonderem Maße profitieren. Etwas anders sieht es für den bereits jetzt überhitzen Immobilienmarkt aus, der wenig Raum nach oben frei lässt.- Asiatische Unternehmen sind hoch verschuldet. Hat das bereits bedrohliche Dimensionen angenommen?Vor allem chinesische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren massiv Kredite aufgenommen – in jüngster Zeit vor allem auch im Dollar. Doch ist es bisher nur zu wenigen Zahlungsausfällen gekommen und ich erwartet auch, dass das so bleiben wird. Das spiegelt sich auch in den Aufschlägen hochrentierender Anlehen wieder, an denen sich die Erwartung von Zahlungsausfällen ablesen lässt. Sie bewegen sich weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Das zeigt schon einmal, dass Investoren davon ausgehen, dass das Problem unter Kontrollen ist.—-Das Interview führte Ernst Herb.