Osteuropäische Währungen

Chancen für Osteuropas Devisen

Investoren waren bei mittel- und osteuropäischen Währungen zuletzt eher zurückhaltend. Seit Anfang 2020 und besonders mit dem Ausbruch der Coronakrise sind die Kurse der meisten Devisen gefallen. Der Trend könnte sich im Laufe des Jahres umdrehen.

Chancen für Osteuropas Devisen

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Seit geraumer Zeit sind die Währungen der osteuropäischen Staaten unter Druck. Am stärksten hat es seit Anfang 2020 den Rubel erwischt, der 23,4% einbüßte – deutlich mehr als andere Devisen der Region Central & Eastern Europe (CEE). Zum Vergleich: Der Forint verlor zum Euro 7,9%, der Zloty 6,7%. Fast ungeschoren kam die tschechische Krone mit –1,8% davon.

Der Grund für die schwache Entwicklung waren die Auswirkungen der Corona-Pandemie. „Konnten die genannten Märkte die erste Infektionswelle noch recht gut durchtauchen, wurden sie in den letzten Monaten von den steigenden Infektionszahlen mit voller Härte erfasst“, meint Ronald Schneider von Raiffeisen Capital Management (RCM).

Erhebliche Zinsunterschiede

Angesichts der wirtschaftlichen Probleme befinden sich die Zinsen auf niedrigen Niveaus. Sie wurden in Bulgarien auf 0% gesenkt, in Tschechien auf 0,05% und in Polen auf 0,1%. Höher liegen sie in Rumänien mit 1,25%, gefolgt von Kroatien mit 3,0% und Russland, das den Leitzins jüngst um 0,25% auf 4,5% angehoben hat.

Die Zinsen seien hinsichtlich der Inflationsdynamik der Länder, die sich zuletzt auch aufgrund des Ölpreises und der Lebensmittelpreise beschleunigt habe, zu niedrig, meint CEE-Experte Schneider. Negative Realzinsen sind keine Unterstützung für die Währungen der Länder. Doch solange die Entwicklung unsicher ist, besteht für die Notenbanken kein Interesse, die Zinsen anzuheben. Noch sieht es anders aus: Die polnische Notenbank hat schon gegen die eigene Währung interveniert.

Eine weitere Belastung stellen die Lockdowns in Westeuropa dar, die zu einer weiteren Verschlechterung des wirtschaftlichen Ausblicks geführt haben. Doch im zweiten Quartal könnte sich das ändern, wenn die konjunkturelle Dynamik in Europa anspringt. „Dann könnte das, was jetzt von Nachteil ist, sehr bald zu einem Vorteil werden, da die Wirtschaft Zentral- und Osteuropas sehr stark mit Kerneuropa, insbesondere mit Deutschland verflochten ist“, so Schneider. Er weist auch darauf hin, dass die zentral- und osteuropäischen Staaten stark von den Transferzahlungen aus dem „Next Generation EU“-Fonds der Europäischen Union profitieren dürften. Gemeinsam mit den regulären Zahlungen der EU werden somit erhebliche Mittel in die Länder Zentral- und Osteuropas gelenkt. „Auch das sollte die Währungen stützen, ebenso wie die sehr gute Leistungsbilanzsituation der meisten der genannten Länder“, meint der Experte.

Aktuell notieren die Währungen unter den Niveaus von vor der Covid-Krise. Dies könnte sich ändern, wenn sich die Coronakrise abschwächt. In Ungarn war zuletzt ein Anstieg der Inflationsrate im Februar auf 3,1% zu sehen. Sofern dieser Anstieg weiter anhält, würde dies eigentlich Druck auf den Forint ausüben. Die Währungsexperten der LBBW erwarten jedoch, dass die ungarische Notenbank einer zu starken Abwertung entgegenwirken wird.

Tschechien bleibt vorsichtig

In Tschechien verfolgt die Nationalbank CNB eine vorsichtige Haltung. In dem zuletzt veröffentlichten Sitzungsprotokoll der CNB bestätigte sich der Eindruck, dass die Notenbank ihren Leitzins länger sehr niedrig halten könnte. Fraglich, ob die im Februar in Aussicht gestellten Zinserhöhungen bis Jahresende kommen. Die Krone geriet zuletzt kurzzeitig etwas unter Druck, „wohl weil die Markterwartungen teilweise weiterhin von den Februar-Prognosen der CNB geprägt waren bzw. sind“, schreibt die Commerzbank in einer Analyse.

Polen interveniert

Die Gefahr einer Abwertung der polnischen Währung besteht aufgrund der Notenbankpolitik kaum. „Mit ihren Devisenmarktinterventionen hat sie bereits signalisiert, dass aktuell eine Aufwertung des Zloty nicht in ihrem Interesse liegt“, stellt die LBBW fest. Sie rechnet dennoch 2021 mit einer Aufwertung bis 4,35 Zloty pro Euro.

In Rumänien präsentiert sich die Situation anders als in Polen, Ungarn und Tschechien. Das Land hat aufgrund der sehr expansiven Budgetpolitik der früheren Regierung ein hohes Leistungsbilanzdefizit. Dennoch konnte die Notenbank die Währung in der Krise relativ stabil halten. „Mit der neuen, reformorientierteren Regierung sind die politischen Blockaden nun aufgelöst worden, und die Zentralbank lässt die Währung etwas abwerten“, meint RCM.

Der Rubel zählte in den vergangenen Wochen zu den Spitzenreitern unter den Schwellenländerwährungen. Möglicherweise sah der Markt ein Risiko im Zusammenhang mit US-Sanktionen. Die Commerzbank drückt es so aus: „Der Rubel hat aufgewertet, weil er zuvor abgewertet hat.“ Angesichts der geopolitischen Lage rund um Russland meint Analyst Tatha Ghose aber nicht, dass die Risikowahrnehmung nachlassen sollte. Im Gegenteil, er hält eine höhere Risikoprämie für nunmehr gerechtfertigt. Optimistischer ist die LBBW. Da die russische Wirtschaft von einem gestiegenen Ölpreis profitiere, sei zusammen mit der Straffung der Geldpolitik eine Aufwertung des Rubel zu erwarten.

Risiko Rumänien

In einer Studie hat Nomura untersucht, wie gefährdet die Währungen von Schwellenländern sind. Der „Damokles-Index“ um­fasst Indikatoren wie Importe, kurzfristige Auslandsverschuldung, Devisenreserven, Geldmenge, Realzinsen, Fiskal- und Leistungsbilanz. Wenn der Wert 100 überschreitet, ist das ein Warnsignal, dass die Währung in den nächsten zwölf Monaten für eine Krise anfällig ist (siehe Grafik). Aktuell wird keines der osteuropäischen Länder als stark gefährdet eingestuft; lediglich Rumänien ist mit 97 Punkten nahe an der kritischen Marke. Polen und Russland haben laut Nomura sogar nur ein geringes Risiko für einen Währungscrash.