GASTBEITRAG

Chancen für inflationsindexierte Anleihen

Börsen-Zeitung, 8.7.2016 Trotz aller Anstrengungen der Notenbanken - an den Märkten wollen die Inflationserwartungen partout nicht steigen. Zu schwer wiegen die Sorgen um das globale Wachstum, zu stark sind die Zweifel an der Wirkung der...

Chancen für inflationsindexierte Anleihen

Trotz aller Anstrengungen der Notenbanken – an den Märkten wollen die Inflationserwartungen partout nicht steigen. Zu schwer wiegen die Sorgen um das globale Wachstum, zu stark sind die Zweifel an der Wirkung der geldpolitischen Maßnahmen. Die Frage ist, ob dieses Sentiment anhält und damit auch das Erreichen des Inflationsziels gefährdet oder ob der Gegenwind von kurzer Dauer ist.Rohstoffpreise sind ein wichtiger Treiber für die Inflationserwartungen. Die Erfahrungen der letzten Wochen haben uns gezeigt, dass ihr Verfall nicht von Dauer sein muss. Und schon allein der Basiseffekt der zuvor tiefen Rohstoffpreise wird bis zum Ende des Jahres dafür sorgen, dass sie bei der Berechnung der Gesamtinflation keinen deflationären Effekt mehr haben werden. Das wird zumindest für eine optisch höhere Inflationsrate sorgen. Aber wird es ausreichen, um den Trend in der Erwartung der Märkte umzukehren? Scheitern der Fed erwartetNoch im Dezember letzten Jahres hat die Fed die Tatsache, dass die Inflationsrate deutlich unter ihrem Zielwert lag, hintangestellt und den ersten Zinsschritt getan. Nun schaut alle Welt darauf, ob im Juli der zweite folgen wird. Interessant dabei ist, dass die US-Inflationsswaps weiterhin über nahezu alle Investmentzeiträume eine Inflationsrate unterhalb des Ziels einpreisen. Übersetzt heißt das: Die Märkte erwarten, dass die Fed dauerhaft scheitert, ihr Mandat in Bezug auf die Inflation zu erfüllen. So ist etwa der 5Y5Y-Inflationsswap-Forward von 2,2 % zu Beginn des Jahres auf 1,87 % (Stand Ende Juni) gesunken. Das impliziert, dass die Inflation der Privatkonsumausgaben – die von der Fed bevorzugt als Kennzahl herangezogen wird – auf mittlere Sicht im Schnitt um ca. 0,54 % unter dem Ziel liegen wird.Dies scheint uns eine allzu pessimistische Deutung zu sein. Immerhin haben seit dem schwachen ersten Quartal einige Daten positiv überrascht und weisen auf ein deutlich stärkeres Wachstum im zweiten Quartal hin: So zeigen die Einzelhandelsumsätze einen wieder deutlich schwungvolleren privaten Verbrauch. Die realen Konsumausgaben haben im Jahresvergleich um 2,5 % zugelegt. Kein spektakulärer Konsumrausch, zugegeben; aber auch im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften solide. Daneben hat sich das Sentiment am US-Hausmarkt – gemessen am NAHB Housing Survey – wieder so weit erholt, dass das Vorkrisenniveau erreicht wird. Das selbe gilt für die Industrieproduktion: Ihre Volumina liegen auf dem Niveau von 2009. Das alles hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Auch wenn der jüngste Bericht allgemein enttäuschte, so ist doch festzuhalten, dass die Arbeitslosigkeit mit 4,7 % Prozent auf historisch niedrigem Niveau liegt. Dennoch liegt die implizite Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt selbst im Juli nächsten Jahres nur bei deutlich unter 28 %; erst für Ende 2017 steigt sie auf 44 %. Die Märkte erwarten also, dass die Fed die Zinsen noch eine ganze Weile lang nicht erhöhen wird. Ohne eine solche Gegenbewegung erhält jedoch die Inflationsrate deutlich mehr Steigerungspotenzial. In unseren Portfolios nutzen wir diese Erkenntnis, indem wir eine Positionierung im 5Y25Y-US-Inflationsswap aufbauen.Die Europäische Zentralbank (EZB) scheint in einer schwächeren Position zu sein. Die Markterwartungen haben sich von dem von der EZB verkündeten Ziel einer “Preisentwicklung von unter, aber nahe zwei Prozent” deutlich entfernt. Das Ausmaß ungenutzter Kapazitäten, starke regionale Ungleichgewichte und die Überschuldung in der Währungsunion stellen ernst zu nehmende Hürden für eine schnelle Inflationierung dar. Wir sind skeptisch, inwieweit die Politik der Negativzinsen die Inflation stimulieren kann, sowohl was die erwartete als auch was die realisierte Inflation betrifft. Insofern begrüßen wir, dass die EZB nun den Fokus verlagert von der Zinspolitik hin zu den mächtigeren Instrumenten wie den Anleihenkäufen und der Erleichterung der Kreditvergabe.Gleichwohl hat das letzte Paket des Quantitative Easing wenig dazu beigetragen, die Inflationserwartungen anzuheben. Im Gegenteil: eine der signifikantesten Marktbewegungen der letzten Zeit war der Fall des von der EZB zur Bewertung der marktbasierten Inflationserwartungen beobachteten Euro-5Y5Y-Forward-Inflationsswaps auf ein neues Allzeittief. Die aktuelle Erholung der Ölpreise machen die Inflationserwartungen nicht im Gleichschritt mit. Brent-Öl verteuerte sich um rund 80 % seit dem Tief von Mitte Januar; der 5Y5Y-Forward stieg von seinem Tief Anfang März bei 1,36 % zunächst leicht an, fiel zuletzt aber auf 1,26 % zurück.Die Sorge ist, dass sich durch den Preisverfall die Erwartungen zunehmend vom Inflationsziel der EZB entkoppeln und nicht mehr ausreichend verankert sind. Ohne einen längeren Aufwärtstrend für die Gesamt- und die Kern-Inflationswerte sowie Verbesserungen im fundamentalen ökonomischen Umfeld läuft die EZB Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich ihrer Preisstabilitätsziele zu verlieren. Diese Gefahr halten wir durchaus für real, weshalb wir in unseren Portfolios derzeit weiter short sind in Bezug auf die Inflation in Europa. Gleichwohl sehen wir, dass eine derart niedrige Markterwartung für einen derart langen Zeitraum bald wieder Chancen für inflationsindexierte Anleihen bietet, indem die Inflation höher ausfällt, als sie der Kapitalmarkt zum Kaufzeitpunkt erwartet.—-Frank Richter, Investment Director bei Standard Life Investments und Head of Sales Germany&Austria