China treibt Konsumbranche an
Chinesische Touristen auf Reisen gelten als Shopping-Weltmeister – und da kann es auch gerne etwas teurer sein. Profiteure des Trends sind einer Studie von Morgan Stanley zufolge Konsumgüterkonzerne aus dem Westen. Trotz zuletzt sehr guter Aktienkursentwicklung sehen die Analysten noch Potenzial.amb Frankfurt – L’Oréal, Estée Lauder, Beiersdorf, Diageo, Pernod Ricard, Brown-Forman: Aktien von europäischen und amerikanischen Kosmetik- und Spirituosenanbietern haben sich seit Anfang 2017 weit überdurchschnittlich entwickelt. Laut einer Studie von Morgan Stanley ist das Ende der Rally für einige Adressen aber noch nicht erreicht. Geraten wird vor allen zu Beiersdorf, Diageo und Estée Lauder. “Equal-weight” lautet das Votum für L’Oréal und Pernod, “Underweight” für Brown-Forman. Mit Kursgewinnen von im Schnitt 51 % seit Anfang des vergangenen Jahres haben sich die Aktien der sechs untersuchten Konzerne deutlich besser entwickelt als die am S & P 500 Consumer Staples und MSCI Europe Consumer Staples gemessene breite Konsumgüterbranche. L’Oréal, Brown-Forman und Pernod haben bereits Allzeithochs erreicht, Diageo, Estée Lauder und Beiersdorf liegen knapp darunter. Der Studie zufolge werden die Unternehmen allesamt extrem von einer steigenden Nachfrage der Chinesen profitieren – im Land selbst und vor allem auf Reisen. Morgan Stanley ist weiterhin sehr optimistisch bezüglich des Wachstums in China, die Bank geht davon aus, dass China 2023 in die Weltbank-Kategorie der Länder mit hohem Einkommen aufsteigen wird. Der private Konsum der Chinesen werde von geschätzten 4,9 Bill. US-Dollar 2017 auf 11,8 Bill. US-Dollar 2030 steigen, heißt es, besonders beflügelt durch die Nachfrage aus Städten aus der zweiten Reihe. Dazu gehe der Trend hin zu hochwertigen Konsumgütern, also teuren Kosmetika sowie Cognac oder Scotch aus den USA und Europa. Außerdem erwartet die Bank, dass die Zahl der Chinesen, die ins Ausland reisen, von 131 Millionen 2017 auf 203 Millionen 2020 klettern wird. Und das weitere Potenzial sei enorm: Bislang seien es nämlich nur 10 % der Chinesen, die über die Grenzen reisten. Beim Shoppen auf Reisen seien sie allerdings schon jetzt die wichtigste Zielgruppe: Zahlen von L’Oréal zufolge entfielen 45 % aller Umsätze im Einzelhandel mit Reisenden auf die Chinesen. Morgan Stanley schätzt, dass der Anstieg im flächenbereinigten Umsatz von Estée Lauder und L’Oréal in den vergangenen fünf Quartalen zu 45 bis 70 % den Chinesen zuzuschreiben ist, bei Diageo und Pernod seien es 20 bis 30 %. Durststrecke ist überwundenIm Kosmetikbereich ist China schon jetzt hinter den USA der weltweit zweitwichtigste Markt, wie die US-Bank schreibt, und der Trend verstärke sich: Laut Studie wuchs die Branche 2017 weltweit um 4 bis 5 %, L’Oréal und Estée Lauder in China hingegen um flächenbereinigt 13 % und 19 %. Ausgesprochen gut seien auch die Aussichten für die Anbieter von Spirituosen: Nach den schwierigen Jahren 2012 bis 2016, als die Branche unter der Antikorruptionspolitik der chinesischen Regierung litt, hat sich der Markt zuletzt sehr deutlich erholt. Noch sei die Marktdurchdringung mit Spirituosen aus dem Westen gering, mit dem wachsenden Wohlstand der Mittelschicht, dem anziehenden Tourismus und der leichteren Zugänglichkeit durch den Online-Handel werde sich das aber schnell ändern. Auf “Overweight” gestuft werden Beiersdorf, Diageo und Estée Lauder. Das Kursziel für den Hamburger Beiersdorf-Konzern, zu dem Namen wie Nivea, Labello und Eucerin sowie die Luxusmarke La Prairie gehören, liegt bei 195 Euro, weit über der aktuellen Notierung von 97,04 Euro.Nach Ansicht der US-Bank wird der Wandel des Unternehmens und dessen Wachstumsdynamik – speziell im Luxussegment – am Markt nicht ausreichend honoriert. Beiersdorf hat am Dienstag Zahlen für das erste Quartal vorgelegt: Organisch wuchs der Konzern um 6,5 %, der starke Euro belastete das Geschäft allerdings. Steigender WohlstandZweiter Favorit ist der US-Kosmetikkonzern Estée Lauder, hier wird ein Kursziel von 160 US-Dollar (aktuell 139,64) genannt. Nach dem deutlichen Kursanstieg sei die Aktie nicht mehr ganz so attraktiv, die Analysten sehen aber immer noch Aufwärtspotenzial. Die aktuelle Bewertung spiegle das starke Umsatzwachstum und den Margenanstieg noch nicht ausreichend wider. Auch Estée Lauder kämen der steigende Wohlstand in China, der wachsende E-Commerce und – als High-End-Anbieter – der Trend zu teuren Produkten zugute. China-Geschäft verkanntFavorit Nummer 3 ist der britische Spirituosenkonzern Diageo, bekannt durch die Marken Johnnie Walker, Gordon’s, Smirnoff und Guinness. Hier liegt das Kursziel bei 29 Pfund (aktuell 26,81). Nach Ansicht der Analysten wird die Rolle Chinas für Diageo oft unterschätzt: Zwar erwirtschafte Diageo bislang nur 3 % des Umsatzes dort, zudem habe das China-Geschäft besonders unter der Antikorruptionskampagne gelitten, nicht zuletzt biete Diageo den in China so beliebten Cognac nicht an. Allerdings habe der Konzern die Wachstumsschwäche längst hinter sich gelassen – vor allen durch die hohe Nachfrage aus China. Keine Luft mehr nach obenSchon für mehr oder weniger angemessen bewertet halten die Experten die Nummer 1 in der weltweiten Kosmetikbranche: L’Oréal (“Equal-weight”) aus Frankreich. Das Kursziel von 110 Euro liegt sogar sehr deutlich unter der aktuellen Notierung von 200,30 Euro. Für den Marktführer in China mit Luxuslabels wie Lancôme, Biotherme und Kiehl’s sprächen die starken Marken und der gute digitale Auftritt, heißt es. Gerade das Luxussegment, das mehr als ein Drittel des Umsatzes ausmache, entwickle sich sehr gut. Skeptischer ist die US-Bank bezüglich der Produkte für den breiten Markt, speziell in den USA oder Frankreich schwächele dieses Segment. Der französische Wein- und Spirituosenkonzern Pernod Ricard wird ebenfalls auf “Equal-weight” gestuft mit einem Kursziel von 125 Euro (aktuell 138,35). Laut Studie ist Pernod neben Diageo zwar mit einem hohen Anteil des China-Geschäfts am Gewinn und der Marktführerschaft bei Scotch und Cognac für den China-Boom am besten positioniert, vor allem die Cognac-Marke Martell und der Chivas-Regal-Whisky kämen in China gut an. Das habe sich aber bereits im Kurs niedergeschlagen.Am wenigsten von China profitiert der Studie zufolge der US-Spirituosenhersteller und Jack-Daniel’s-Anbieter Brown-Forman, der auf “Underweight” gesetzt wird bei einem Kursziel von 50 US-Dollar (aktuell 56,85). Skeptiker bei Beiersdorf Morgan Stanley steht mit seiner positiven Einschätzung von Beiersdorf allerdings allein: Vor und nach Bekanntgabe der Quartalszahlen dominierten die Neutral-Einstufungen, Bernstein votiert sogar mit “Underperform”. So setzen Goldman Sachs, Independent Research, Kepler Cheuvreux, Commerzbank, RBC Capital und die Baader Bank die Aktie nur auf “Neutral” bzw. “Hold”. Nach Ansicht von Kepler (Kursziel 93 Euro) ist Beiersdorf zwar gut in das Jahr gestartet, größere Anpassungen bei den Konsensschätzungen seien aber nicht zu erwarten. Laut Bernstein (Kursziel 82 Euro) rechtfertigen die Geschäftsentwicklung und die Aussichten den derzeitigen Bewertungsaufschlag für die Aktie nicht. Analysten bevorzugen DiageoFür Diageo gibt es hingegen nur Kaufempfehlungen, etwa von den Häusern Kepler Cheuvreux, Credit Suisse, UBS, DZ Bank und Bernstein. Kepler hat Diageo Anfang Mai von “Hold” auf “Buy” hochgestuft und das Kursziel von 25,50 auf 28,50 Pfund angehoben. Die operative Ergebnisentwicklung der europäischen Spirituosenhersteller sei kurz- und mittelfristig weit besser berechenbar als jene der Brauereien, hieß es zur Begründung bei den Analysten.