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China versucht es mit einem neuen Börsenaufseher

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 23.2.2016 An Chinas Aktienmärkten war am Montag Stimmung angesagt. Für gute Laune sorgte nicht nur das traditionelle Laternenfest als Schlussakt der Feierlichkeiten rund um das chinesische Neujahr, es...

China versucht es mit einem neuen Börsenaufseher

Von Norbert Hellmann, SchanghaiAn Chinas Aktienmärkten war am Montag Stimmung angesagt. Für gute Laune sorgte nicht nur das traditionelle Laternenfest als Schlussakt der Feierlichkeiten rund um das chinesische Neujahr, es wurde auch eine Personalie gefeiert: Die Regierung hat sich Knall auf Fall zu einem Wechsel an der Spitze der Börsenaufsichtsbehörde China Securities Regulatory Commission (CSRC) entschieden. Nach knapp dreijähriger Amtszeit ist der wenig beliebte CSRC-Chairman und frühere Chef der Bank of China, Xiao Gang, (57) abberufen worden und wird vom Chairman der Agricultural Bank of China (ABC), Liu Shiyu (54), abgelöst. Damit tritt erneut der Chef einer der vier großen staatlichen chinesischen Banken an die Spitze der CSRC.Liu ist wie sein Vorgänger kein expliziter Börsenexperte. Er hatte sich allerdings in seiner vorherigen Position als einer der Vizegouverneure der Zentralbank zwischen 2006 und Ende 2014 öfters mit Stellungnahmen zum Marktgeschehen hervorgetan und galt dabei insbesondere auch als ein Befürworter von Liberalisierungsschritten und der beschleunigten Einführung von modernen Finanzinstrumenten.Die Reaktion der Anleger auf die Entlassung Xiaos fiel wie erwartet positiv aus. Der Leitindex Shanghai Composite legte am Montag um 2,4 % auf 2 927 Punkte zu und nimmt nun wieder Anlauf auf die Marke von 3 000 Punkten, deren Unterschreiten als symptomatisch für das “Scheitern” von Xiao auf dem Chefsessel der CSRC gilt.Anders als in westlichen Ländern, wo Börsenaufseher kaum mit der tatsächlichen Performance von Börsen in Verbindung gebracht werden, ist Chinas Wertpapieraufsicht auch dafür verantwortlich, für eine “gesunde Marktverfassung” zu sorgen. Von einer solchen kann kaum die Rede sein, angesichts des spektakulären Absturzes des Aktienmarktes, der im Nachgang zu einer Megahausse zwischen Juni 2015 und Februar fast die Hälfte seines Wertes einbüßte. Obwohl Finanzregulatoren in der Regel vom breiteren Publikum kaum wahrgenommen werden und Xiao kaum öffentlich auftrat, war er in einem Land mit Millionenscharen von Kleinaktionären zuletzt eine äußerst bekannte Figur – als Zielscheibe von Anfeindungen und Beschimpfungen auf sozialen Medien.Allerdings stellen auch die Experten Xiao ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Er schien in den ersten zwei Jahren seines Wirkens vor allem bemüht, den von seinem hyperaktiven Vorgänger entwickelten Reformelan zu bremsen, und er verschleppte die Neuordnung des chaotischen Regimes für Initial Public Offerings (IPOs). Die CSRC ist für die Überwachung von Chinas Brokerhäusern verantwortlich, versäumte es aber, deren abenteuerliche Praktiken bei der Vergabe von Wertpapierkrediten – die eine gigantische Spekulationsblase alimentierten – zu unterbinden. Nach dem Crash wirkte die CSRC mit ihrer Rolle im Rahmen einer staatlichen Börsenstützungsoffensive erst recht überfordert und sorgte mit einem Sammelsurium von unkoordiniert und panikgetrieben wirkenden Maßnahmen für immer neue Verunsicherung.Bei Xiao vermisste man dabei die Fähigkeit, mit einem Auftritt oder zumindest einer Stellungnahme eine strategische Stoßrichtung vorzugeben und für eine Beruhigung der Märkte zu sorgen. Dafür setzte der glücklos agierende CSRC-Chef auf ein Handelsunterbrechungssystem (Circuit Breaker), das zu Jahresbeginn feierlich eingeführt wurde, aber schlecht austariert war und sich prompt als Bumerang erwies.Nach einer denkwürdigen ersten Handelswoche, in der Chinas Börsen an zwei Tagen jeweils um 7 % einbrachen, wurde das neue System eiligst wieder abgeschafft. Spätestens mit diesem Flop war klar, dass Xiao demnächst ersetzt werden würde. Die Tatsache, dass seine Abberufung jedoch nicht im Rahmen des üblichen Postenrevirements beim jährlichen Volkskongress im März erfolgt, sondern plakativ um einige Wochen vorgezogen wurde, ist nichts anderes als eine öffentliche Ohrfeige.