Chinas Bullen kennen kein Halten
Chinas riesiger heimischer Aktienmarkt wird von einer immer heftigeren Euphoriewelle erfasst. Die von einer überraschenden Leitzinssenkung im November ausgelöste Rally im Markt für sogenannte A-Aktien hat auch am Montag dank weiterer Handelsumsatzschübe neue Nahrung erhalten und ein neues Dreijahreshoch gebracht.Von Norbert Hellmann, SchanghaiIn Schanghai kletterte der Hauptindex am Montag um weitere 2,8 % auf 3 020 Punkte und knackte damit eine Marke, die die wenigsten Marktexperten zu Jahresanfang für möglich gehalten hätten. Zuletzt hatte der Shanghai Composite Index im April 2011 über der Marke von 3 000 Punkten gelegen. In der ersten Dezemberwoche konnte der Shanghai Composite mit einem Plus um 9,5 % bereits die steilste Wochen-Performance seit dem Februar 2009 hinlegen. Über die letzten 30 Tage hinweg schoss der Index um gut 24 % in die Höhe, die mit Abstand kräftigste Aufwärtsbewegung im globalen Aktienmarktgeschehen.Für das Gesamtjahr 2014 weist der marktbreite und im Vergleich mit Blue-Chip-Indizes in der Regel weniger bewegliche Shanghai Composite Index nun eine erstaunliche Performance von knapp 39 % auf. Bei den Analysten mehren sich zwar Stimmen, die mit Blick auf eine nach wie vor schwache Konjunktursituation von einer mangelnden fundamentalen Absicherung der teils dramatischen Kursgewinne von chinesischen Blue Chips hinweisen. Andererseits aber sprechen technische Faktoren und der ungezügelte Optimismus der über 80 % der Marktkapitalisierung stellenden Retail-Investoren im Reich der Mitte für eine Fortsetzung der Rally bis zum Jahresende.Die über Jahre hinweg den chinesischen Aktienmarkt prägende Zurückhaltung der Anleger ist in den letzten Monaten einer Renaissance der Aktienanlage gewichen, die einen kräftigen Liquiditätszulauf bringt. Dabei spielt eine Verlagerung von Anlegerpräferenzen eine Schlüsselrolle. Im Zuge der diesjährigen starken Abkühlung des chinesischen Wohnimmobilienmarktes hat die Fixierung der chinesischen Sparer auf Anlagen in Betongold stark nachgelassen, das spekulative Anlagemomentum bewegt sich seit Jahresmitte eindeutig auf den Aktienmarkt zu. Millionen neuer KontenChinesische Broker berichten von millionenfachen Neueröffnungen von Wertpapierkonten, die den jahrelang zu beobachtenden Rückzugstrend konterkariert. Entsprechend gekräftigt stellen sich die Handelsvolumina dar. Am Montag etwa lagen sie 85 % über dem 30-Tage-Durchschnitt, lassen Bloomberg-Daten erkennen. Gleichzeitig lag der Wert der zum Wochenbeginn an den Börsen in Schanghai und Shenzhen gehandelten Aktien mit rund 960 Mrd. Yuan (rd. 125 Mrd. Euro) nur knapp unter dem kürzlich am 5. Dezember erreichten Rekordwertwert in Höhe von 1,05 Bill. Yuan. Brokerhäuser im AufwindDie jähe Aktiennachfrage beflügelt insbesondere die Kurse der Wertpapierhäuser. Am Montag kletterten die Notierungen der führenden Brokerhäuser Citic Securities und Haitong Securities um jeweils 10 %, was die in Schanghai höchstzulässige Kursbewegung an einem Tag darstellt. Besonders stark profitiert von der Rally auch die Assekuranzbranche, allen voran die führenden Lebensversicherer China Life und Ping An Insurance. Trotz der mauen Perspektiven für die Ölpreise ist sogar Chinas größter Erdölförderer Petrochina vom Sog der Rally erfasst worden. Am Montag zog die Aktie um weite 4 % auf ein Zweijahreshoch an. Seit Novembermitte konnten Petrochina in Schanghai um über 20 % zulegen.Für eine zeitweilige Unterbrechung der Hausse am Festlandmarkt bzw. Gewinnmitnahmen könnten die im Wochenverlauf nach und nach verbreiteten Daten zur Konjunkturentwicklung im November beitragen. Am Montag allerdings wischten die Anleger eher besorgniserregende Daten zur Außenhandelsentwicklung beiseite. So fiel der Anstieg der Exporte gegenüber Vormonat mit 4,7 % nur etwa halb so hoch wie erwartet aus. Gleichzeitig knickten die Importe überraschend um 6,7 % ein, was sich nur zum Teil mit niedrigen Rohstoffpreisen erklären lässt und für eine anhaltend schwache chinesische Binnennachfrage spricht.Marktexperten erklären sich die unmittelbar nach einer Leitzinssenkung mit Wirkung zum 24. November einsetzenden Hausse mit der für chinesische Anlegerkreise typischen Fixierung auf monetäre Impulse der Zentralbank. So gründet der Kaufrausch am Aktienmarkt auf der Erwartung, dass die People’s Bank of China noch mehrfach in den kommenden Monaten die Leitzinsen herunternehmen und die Mindestreservevorgaben für Geschäftsbanken lockern wird. Andererseits betonen Experten, dass gerade die unerwartet kräftige Hausse und die latente Befürchtung der chinesischen Wirtschaftsplaner eine unkontrollierte Blasenbildung am Aktienmarkt ausgelöst zu haben, eher für eine neuerliche Zurückhaltung der Peking weisungsgebundenen Zentralbank spricht. Aufseher alarmiertEinen Fingerzeig dafür, dass der wilde Ritt an den Börsen bei den Regulatoren einiges Unbehagen auslöst, ist auch eine am Freitag seitens der Wertpapieraufsichtsbehörde China Securities Regulatory Commission verbreitete Warnung, dass es jüngst zu verstärkten illegalen und manipulativen Aktivitäten gekommen sei. Dabei werden die Anleger seitens der Behörde zu einem rationalen Investmentverhalten aufgefordert. Marktkenner vermuten, dass es insbesondere im Zusammenhang mit den zuletzt stark anspringenden Wertpapierleihegeschäften zu Transaktionen gekommen ist, die Verdachtsmomente wecken.