Chinas Aktienmarkt

Chinas Staat macht gegen die Aktienbaisse mobil

Chinas Regierungsapparat stemmt sich mit einer neuen Offensive gegen die schwere heimische Aktienbaisse. Nun werden Pläne für einen groß angelegten Stützungsfonds ventiliert. Am Dienstag brachte dies zwar einen ersten Befreiungsschlag. Die Chancen auf eine positive Trendwende sind dennoch gering.

Chinas Staat macht gegen die Aktienbaisse mobil

Chinas Staat macht gegen die Aktienbaisse mobil

Hinweis auf neuen Stützungsfonds unterbricht Sell-off in Hongkong und Schanghai – Geringe Chancen auf echte Trendwende – Monetäre Lockerung zieht nicht

Chinas Regierungsapparat stemmt sich mit einer neuen Offensive gegen die schwere heimische Aktienbaisse. Nun werden Pläne für einen groß angelegten Stützungsfonds ventiliert. Am Dienstag brachte dies zwar einen ersten Befreiungsschlag. Die Chancen auf eine positive Trendwende sind dennoch gering.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Anhaltende Konjunktursorgen und ein denkbar schwacher Börsenauftakt im neuen Jahr erweisen sich als Zerreißprobe für die Pekinger Regierung. Die Bekämpfung der in den ersten Januarwochen auf bedrohliche Art fortgesetzten Aktenmarktbaisse scheint an die vorderste Stelle der Prioritätenliste gerückt zu sein.

Nachdem die Leitindizes an den Börsen in Hongkong und auf dem Festland zu Wochenbeginn auf alarmierende Schwellenwerte zurückgefallen waren, kam es am Dienstag kam es zu einer ersten signifikanten Gegenbewegung, die von Spekulationen über eine massive staatsorchestrierte Stützungsoffensive für den Aktienmarkt genährt wird.

Verschnaufpause

Der am Montag unter die vielbeachtete Schwelle von 15.000 Punkten gedrückte und in Nähe eines 19-Jahrestiefs gegangene Hongkonger Leitindex Hang Seng bäumte sich am Dienstag zeitweilig um bis zu 4% auf und schloss bei 15.353 Punkten mit einem Tagesgewinn von 2,6%. Weniger spektakulär verlief die Erholungsbewegung beim Blue-Chip-Index für die Festlandbörsen in Schanghai und Shenzhen. Der am Montag auf ein Fünfjahrestief abgerutschte CSI 300 Index legte um 0,4% auf 3.232 Punkte zu.

Machtwort vom Premier

Chinas Regierungsapparat scheint von einer neuerlichen Verkaufswelle im Nachgang zu den im Markt mit Enttäuschung aufgenommenen Konjunkturdatenkranz für Dezember in helle Aufregung geraten zu sein. Am Montagabend ließen staatliche Agenturen und Fernsehsender einen Aufruf des Premierminister Li Qiang verbreiten, mit dem Regierungsinstanzen dazu angewiesen wurden, „kraftvolle Maßnahmen“ zur Stabilisierung der Aktienmärkte und des Investorenvertrauens einzuleiten. Dies ist für selbst für chinesische Kapitalmarktverhältnisse mit starker staatlicher Einmischung eine ungewöhnliche Aktion.

Zur Börseneröffnung am Dienstag tendierten die Leitindizes in Hongkong und Schanghai zunächst weiter nach unten, bis die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf informierte Kreise berichtete, dass die Regierung an einem „Rettungspaket“ für den Aktienmarkt bastelt, in dessen Zentrum ein mit rd. 2 Bill. Yuan (umgerechnet mehr als 250 Mrd. Euro) dotierter „Stabilisierungsfonds“ stehen soll.

Offshore-Gelder anzapfen

Laut den Spekulationen würde der Fonds auf Offshore-Geldern chinesischer Staatsunternehmen zurückgreifen, um mit diesen via dem Stock Connect System an der Hongkong Exchanges Aktienkäufe an den Festlandbörsen zu tätigen. Darüber hinaus sollen weitere 300 Mrd. Yuan von lokalstaatlichen Investmentvehikeln mobilisiert und über bereits etablierte Stützungsmechanismen zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um die Vehikel China Securities Finance Corp. (CSFC) und Central Huijin Investment.

Die zu Zeiten des spektakulären chinesischen Aktienmarktcrash im Sommer 2015 neu formierte CSFC ist als eine Art Feuerwehrfonds zur Linderung von Panikverkäufen in besonders volatilen Marktphasen gedacht. Bei Central Huijin wiederum handelt es sich um eine dem Staatsfonds China Investment Corp. (CIC) angegliederte Einheit, die unter anderem die Regierungsbeteiligungen an den zentralstaatlich kontrollierten Großbanken vom Schlage der Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) oder China Construction Bank (CCB) verwaltet. Central Huijin hatte im Sommer vergangenen Jahres in einer Phase starken Drucks auf chinesischen Bankaktien erstmals mit direkten Zukäufen eine marktbeeinflussende Rolle eingenommen.

Testballon

Unter Marktteilnehmern gibt es nun aufgeregte Diskussionen über Pekings ungewöhnliche Vorgehensweise und die allem Anschein nach von der Regierung selber gesteuerte Verbreitung eines möglichen Rettungsplans via einer westlichen Nachrichtenagentur. Es dürfte sich angesichts der vagen Informationen zu einem denkbar ungewöhnlich finanzierten Stabilisierungsfonds mit dem exotisch anmutenden Rückgriff auf Offshore-Gelder von Staatsunternehmen in erster Linie um einen Testballon in Sachen Marktbeeinflussungstaktik handeln.

Jede Menge Skepsis

Bei Analysten sieht man wenig Zuversicht, dass die Aktion über den unmittelbaren Marktberuhigungseffekt hinaus eine längerfristige Wirkung kann. Zum einen wird geltend gemacht, dass die zunächst riesenhaft anmutende Summe von 2 Bill. Yuan für sich genommen nicht annähernd ausreicht, um den Mittelabzug durch die von einem massiven Vertrauensschwund geprägte Flucht der chinesischen Privatanleger aus der Aktienanlage zu kompensieren. Auch rückt ein Blick auf die mit einer mehrjährige Baisse an Chinas Aktienmärkten verbundene Wertvernichtung die Dimensionen zurecht. Seit einer Hochphase im Frühjahr 2021 ist die Marktkapitalisierung an chinesischen Börsen um rund 6 Bill. Dollar dezimiert worden.

Fiskalische Stimuli vonnöten

Um den von Konjunktursorgen und auch geopolitischen Unsicherheiten geprägten Baissetrend an Chinas Börsen in eine starke Rally zu verwandeln, bedarf es weniger eines Aktienstützungs- denn eines echten Konjunkturstimulierungsprogramm der Regierung, urteilen China-Watcher bei UBS Global Wealth Management. Dazu gehören vor allem expansive fiskalische Stimuli und Maßnahmen, die geeignet sind, den schleichenden Niedergang des von einer Verschuldungskrise chinesischer Bauträger schwer kompromittierten Wohnimmobilienmarktes aufzuhalten.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Möglichkeiten, mit monetären Impulsen das Anlegervertrauen zu stärken, als weitgehend ausgereizt gelten. Chinas Zentralbank hat sich mit Rücksicht auf die latente Schwäche des chinesischen Yuan gegenüber dem Dollar sowie dem starken Zinsauftrieb in den USA mit Zinssenkungsgesten im eigenen Land stark zurückgehalten.

Deflation spielt Streiche

Letztmalig kam es im Juli vergangenen Jahres zu einer geringfügigen Senkung der Zinsen für einjährige Refinanzierungsgelder der Notenbank (MLF Medium-term Lending Facility) und der daran eng gekoppelten Benchmarkzinsen der Geschäftsbanken für Unternehmens- und Hypothekenkredite (LPR Loan Prime Rate). Dies obwohl sich ein leichter aber mittlerweile hartnäckiger Deflationstrend in China breitgemacht hat, der die Kreditkonditionen auf Realzinsbasis eher verteuert denn verbilligt hat.  

Zwar rechnen die Marktteilnehmer damit, dass die Zentralbank im Laufe des ersten Quartals eine geringfügige Zinslockerung und eine weitere Senkung der Mindestreservesätze für Banken veranlasst, doch gilt dies bereits im Markt eingepreist. Damit stehen die Chancen schlecht, dass mit monetären Gesten signifikante Kursfantasie geweckt werden kann.

Von Norbert Hellmann, Schanghai
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