Consob-Chef Savona fordert Euro-Bonds
Von Gerhard Bläske, MailandEs war seine erste öffentliche Rede als Chef der italienischen Börsenaufsicht Consob. Doch auch in seiner neuen Funktion, die er im März übernommen hat, bleibt Paolo Savona seiner Rolle als Europakritiker treu. Vor der versammelten Finanzwelt an der Mailänder Börse teilte der 82-Jährige kräftig aus. Es sei an der Zeit, endlich Licht ins Dunkel der “Höhle des Platon” zu werfen und mit den Verzerrungen und Vorurteilen von Politikern, Märkten und Medien gegenüber Italien aufzuräumen. Angesichts der riesigen Ersparnisse der Italiener und der weltweit erfolgreichen und höchst wettbewerbsfähigen Unternehmen wäre selbst eine Verschuldung von 200 % kein Problem, findet Savona, der dabei auf das Beispiel Japan hinwies.Anders als Großbritannien, die USA oder andere Länder ziehe Italien kein ausländisches Kapital an, sondern exportiere Kapital in einem Umfang, der das Bruttoinlandsprodukt des Landes übersteige. Europa und die Märkte unterschätzten die Stärke des Landes. “Italien ist kein finanzielles Problem für Europa und die Welt, sondern eine Ressource”, die vielen Ländern nutze. Savona wies darauf hin, dass ein Großteil der Staatsschulden von Italienern selbst gehalten wird und die Verschuldung der Familien gering sei.Der Euro- und Deutschlandkritiker, dessen Ernennung zum Consob-Chef nicht unumstritten war, legte noch einmal nach. Nach seiner Ansicht braucht es European Safe Assets, eine Art europäische Gemeinschaftsbonds, die der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) auflegen und den EU-Mitgliedstaaten für Investitionen zu niedrigen Kosten zur Verfügung stellen solle. Das würde Italien sehr helfen. Das Land leidet unter dem sehr hohen Zinsaufschlag für italienische gegenüber deutschen Bonds. Einziges Safe Asset in Europa seien derzeit die deutschen Staatsanleihen. Dass deren Ausgabe von einem einzigen Land kontrolliert wird, während alle Länder der EU ein solches Finanzierungsinstrument brauchten, sei eine “Asymmetrie und ein Faktor der Instabilität im Finanzsystem der Eurozone”.Zu den eigentlichen Aufgaben der nationalen Finanzaufsicht, wie der Überwachung der Märkte, einem stärker proaktiven Handeln oder erleichterten Zugängen der italienischen Unternehmen zur Börse sagte Savona wenig. Dass die Populistenregierung in Rom die Unabhängigkeit der Consob massiv in Frage gestellt hat, war Savona auch keine Erwähnung wert. Es war der Druck der Regierung, der seinen Vorgänger Mario Nava, der für frischen Wind in der Börsenaufsicht gesorgt hatte und zahlreiche Reformen lanciert hatte, im September 2018 veranlasst hatte, das Handtuch zu werfen.Und auch aktuell gibt es genug Themen, die die Börsenaufsicht vor Probleme stellen könnten, von den schwer angeschlagenen Krisenbanken Monte dei Paschi di Siena (MPS) und Carige bis hin zu Telecom Italia (TIM), wo Großaktionär Vivendi um die Prüfung bestimmter Vorgänge gebeten hat.Doch mit solchen Details will sich Savona offenbar gar nicht erst beschäftigen. Der Spezialist für Geldpolitik, der einst für die Banca d’Italia gearbeitet hatte, dann in den USA unter anderem am MIT forschte, die römische Flughafengesellschaft leitete und unter Carlo Azeglio Ciampi Minister war, hat sich im Laufe seines Lebens vom Paulus zum Saulus gewandelt. Der ursprüngliche Euro-Befürworter trommelt seit Jahren für den Austritt Italiens aus dem Euro und macht lieber Politik.Anders als Vorgänger Nava, der sich im vergangenen Jahr erstmals auch den Fragen von Journalisten stellte, wollte Savona nicht vor die Medienrepräsentanten treten. Die Presse durfte seinen Ausführungen nicht einmal im Plenum lauschen, sondern musste die Rede aus einem Nebenraum verfolgen.