DEVISENWOCHE

Corona-Bonds für Euro Schaden oder Stütze?

Von Ulrich Leuchtmann *) Börsen-Zeitung, 7.4.2020 Heute tagt (wie es heutzutage üblich ist: per Videokonferenz) die Eurogruppe, d. h. die Finanzminister des Euroraumes. Es wird vor allem um die Frage gehen, wie die finanziellen Lasten der...

Corona-Bonds für Euro Schaden oder Stütze?

Von Ulrich Leuchtmann *)Heute tagt (wie es heutzutage üblich ist: per Videokonferenz) die Eurogruppe, d. h. die Finanzminister des Euroraumes. Es wird vor allem um die Frage gehen, wie die finanziellen Lasten der Coronakrise zu verteilen sind. Die fiskalische Ausgangslage ist unterschiedlich: zwischen “quasi schuldenfrei” (Estland) und rund 180 % Schulden (in Bezug auf das BIP: Griechenland) ist alles drin. Nur nimmt der Virus keine Rücksicht auf fiskalische Kapazitäten. Mit Italien (140 % Schuldenquote) und Spanien (knapp 100 %) sind hoch verschuldete Länder besonders hart von der Epidemie betroffen. Und die immensen Ausgaben zur Abfederung der ökonomischen Folgen der Coronakrise kommen dazu. Um mindestens 15 bis 20 Prozentpunkte dürften die Schuldenquoten im Euroraum mittelfristig steigen. Das genaue Ausmaß ist aber nicht abzusehen. Muster wie in der Euro-Krise In der Eurogruppe wird es darum gehen, welche Instrumente Europa wählt, um mit den fiskalischen Lasten umzugehen. Vor allem zwei Vorschläge liegen auf dem Tisch: Corona-Anleihen, also eine Vergemeinschaftung der Schulden, die für die Bewältigung der Epidemie-Folgen aufzunehmen sind, und zum Zweiten vorbeugende Kreditlinien des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Dabei haben Corona-Anleihen kaum noch Chancen, denn sie werden von etlichen Regierungen abgelehnt. Aus ordnungspolitisch guten Gründen: Würden sie zum Einfalltor für vergemeinschaftete Schulden, dann würden Nutzen und Verantwortung von Fiskalpolitik auseinanderklaffen. Fiskalische Disziplin wäre (noch) schwerer durchsetzbar. Wir kennen die Argumente aus der Euro-Krise 2010 – 12.Was ordnungspolitisch also durchaus Sinn macht, stellt sich aus Sicht des Devisenmarktes anders dar. Wechselkurse sind in aller Regel keine Werturteile über ordnungspolitische Prinzipien. So funktioniert der Devisenmarkt nicht, so kann er nicht funktionieren. Der Euro käme – trotz aller ordnungspolitischen Mängel von Corona-Anleihen – voraussichtlich weitaus besser weg, wenn sich die Eurogruppe auf ihre Einführung verständigen würde. Zumindest deuten die Marktbewegungen der letzten Wochen darauf hin. Wie kommt es zu dieser für etliche Beobachter seltsam erscheinenden Konstellation?Die Alternative zu Corona-Anleihen, also ESM-Kreditlinien, erscheint aus Devisenmarktsicht noch weniger attraktiv. Denn die Feuerkraft des ESM ist begrenzt (derzeit auf rund 410 Mrd. Euro). Das könnte zu wenig sein, würde sich der Anleihenmarkt auf ein großes Mitglied (z. B. Italien) einschießen. Wir haben das Spielchen schon in der Euro-Krise gesehen. Sie konnte nicht dadurch beendet werden, dass der ESM aus der Taufe gehoben wurde. Dafür ist er schlicht zu klein. Klar, die Euroraum-Staaten könnten seine Feuerkraft stärken, wenn sie ihre Garantieverpflichtungen erhöhen würden. Da das aber “Schulden-Vergemeinschaftung durch die Hintertüre” wäre, dürften diejenigen Länder, die Corona-Anleihen ablehnen, auch dazu nicht bereit sein.Damit steht die Möglichkeit im Raum, dass es so enden könnte wie 2012, dass die Europäische Zentralbank (EZB) einspringen müsste, wenn ein großes Euromitglied in fiskalische Kalamitäten geriete. Schon jetzt zeigt sich diese Dynamik, z. B. an den Renditeaufschlägen für Staatsanleihen. Als EZB-Chefin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz am 12. März allzu offensichtlich der Politik die Verantwortung für die Lösung der fiskalischen Coronafolgen zuspielen wollte, schossen die Renditeaufschläge z. B. für italienische Staatsanleihen nach oben. Lagarde musste so schnell wieder zurückrudern, dass der intendierte Druck auf die Politik gar nicht erst entstand. Damit ESM-Kreditlinien hinreichend beruhigend wirken, muss die EZB ihr Versprechen aufrechterhalten, notfalls mit einem Hilfsprogramm (OMT) unbegrenzt einem Staatsanleihenmarkt in Not unter die Arme zu greifen.Das Problem dabei: Damit wird die EZB überfrachtet. Es besteht die Gefahr, dass es über kurz oder lang zu einem Zielkonflikt zwischen Inflationssteuerung und fiskalischer Rettung kommen könnte. Ihre Möglichkeit zu restriktiver Geldpolitik würde durch ihr Engagement in der Fiskalpolitik möglicherweise beschränkt. Nun mag man einwenden, dass das schon lange nicht mehr das Problem der EZB sei. Im letzten Jahrzehnt sahen sich Europas Währungshüter stets mit dem Problem konfrontiert, dass die Euro-Inflation niedriger war, als sie es sich wünschten. Für restriktive Geldpolitik bestand aus EZB-Sicht kein Anlass. Nur kann das halt auch mal anders sein. Weltweit simultan expansive Fiskalpolitik zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Coronafolgen, womöglich ein Zurückdrehen disinflationärer Globalisierung etc.: Man kann sich viele Szenarien vorstellen, in denen nach Corona die Inflation zurückkommt. ESM schlecht für den EuroDa wäre es gut, wenn die EZB in alle Richtungen handlungsfähig wäre. Ist sie das nicht, nimmt die Gefahr zu, dass – wenn doch einmal die Inflation zulegt – eine Kombination aus hoher Inflation und niedrigem EZB-Leitzins zum “perfekten Sturm” für den Euro am Devisenmarkt würde. Das muss beileibe nicht so kommen. Nur macht eine ESM-Lösung heute solch ein Szenario eben marginal wahrscheinlicher und rechtfertigt eine höhere Risikoprämie für Europas Gemeinschaftswährung, sprich: einen schwächeren Euro. Angesichts dessen wiegen langfristige ordnungspolitische Erwägungen, die gegen Corona-Anleihen sprechen, gering.Freilich dürfte eine ESM-Lösung schon weitgehend in den Wechselkursen eingepreist sein. Zu klar war die Ablehnung aus einigen Hauptstädten. Dem Euro könnte heute Abend daher wahrscheinlich schon helfen, wenn die Eurogruppe die Tür zu solch einem Instrument nicht völlig zuschlägt. Nur ein Ablehnen in Bausch und Bogen, quasi “für alle Ewigkeit”, wäre eine neue Euro-negative Qualität, die in nochmals schwächeren Eurokursen reflektiert werden müsste. *) Ulrich Leuchtmann ist Leiter Devisen-Research der Commerzbank.