Devisen

Coronatiefs des Euro rücken näher

Dem Euro peitscht charttechnisch ein heftiger Wind entgegen. Ein Rutsch auf die Coronatiefs des Jahres 2020 erscheint angezeigt.

Coronatiefs des Euro rücken näher

Von Sören Hettler*)

Die geopolitische Gemengelage als schwierig und unübersichtlich zu bezeichnen, ist wohl noch untertrieben. Offensichtlich sind die Auswirkungen in Form hoher Unsicherheit, einer steigenden Risikoaversion sowie zunehmender Inflations- und Konjunktursorgen. An den Devisenmärkten spiegeln sich die Implikationen in einer Aufwertung der sicheren Häfen ebenso wider wie in teils erheblichen Kursverlusten osteuropäischer Währungen. Der Euro war zwar in den ersten Tagen nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine noch erstaunlich robust. Zuletzt konnte er sich den belastenden Vorgaben allerdings nicht mehr entziehen und wertete gegenüber dem US-Dollar dynamisch bis in die Region um 1,08 Dollar ab. Dieser Kursrutsch ließ das Währungspaar den seit Frühjahr vergangenen Jahres tonangebenden Abwärtstrendkanal gen Süden verlassen. Dabei sah es bis Mitte Februar noch so aus, als wären die Tage der Abwärtsbewegung und damit des längerfristigen Kanals gezählt. Zu diesem Zeitpunkt konnte sich der Euro vorübergehend bis in den Bereich um 1,15 Dollar und damit klar über die Widerstandslinie der charttechnischen Formation emporhangeln.

Tagesindikatoren skeptisch

Die jüngst zu beobachtende Stabilisierung mag für den Euro zwar Anlass zur Hoffnung geben. Die charttechnischen Vorgaben auf Tagessicht lassen sich hiervon jedoch bislang nicht beeindrucken. Sowohl die Stochastik als auch der MACD bewegen sich klar unterhalb ihrer Signallinien, ohne dass hier eine Annäherung an ein neutraleres Niveau zu erkennen wäre. Beim Momentum mag Letzteres zwar mit etwas gutem Willen der Fall sein. Allerdings ist der Abstand zur Nulllinie so groß wie selten. Dass der ADX zuletzt die Marke von 25 Punkten dynamisch überschritten hat und folglich einen Euro-negativen Trendmarkt anzeigt, macht die charttechnischen Aussichten für das Währungspaar zur Wochenmitte hin sicherlich nicht besser. Da dürfte es der Gemeinschaftswährung – zumindest vorerst – wenig helfen, dass der RSI im überverkauften Bereich anzutreffen ist. Zu übermächtig erscheinen die Vorgaben der übrigen Indikatoren.

Folgt das Währungspaar dem negativen charttechnischen Bild auf kurze Sicht und unterschreitet dabei erneut die Marke von 1,0850 Dollar, sollte das Tief vom Montag dieser Woche bei 1,0806 Dollar Support bieten. Das Ende der Fahnenstange muss damit zwar zeitweise noch nicht erreicht sein. Allerdings sehen wir gute Chancen für den Euro, einen dauerhaften Rutsch unter diese Unterstützung zur Wochenmitte hin zu vermeiden. Sollte es dem Euro gar gelingen, die technischen Tagesindikatoren eines Besseren zu belehren und die Kursgewinne vom Dienstag auszubauen, dürfte die Luft rasch dünner werden. Zunächst gilt es, die Marke von 1,0950 Dollar zu überwinden, bevor sich bei 1,0967 Dollar das Hoch vom Montag dieser Woche in den Weg stellt. Ein nachhaltiger Sprung über diese Hürde sollte der Gemeinschaftswährung auf kurze Sicht verwehrt bleiben.

Geht es nach den charttechnischen Vorgaben auf Wochensicht, dürfte jegliches Aufbäumen des Euro zur Wochenmitte nicht mehr als ein Strohfeuer bleiben. Zwar erscheint die Indikatorenlage auf den ersten Blick nicht ganz so trübe wie in der Tagesperspektive. Spätestens bei genauerem Hinsehen wird aber deutlich, dass von einer erbaulichen Ausgangslage für den Euro keine Rede sein kann. Momentum und MACD bewegen sich klar unterhalb ihrer Triggerlinien – Tendenz zunehmend. Selbiges gilt für den ADX, der bereits seit geraumer Zeit einen Euro-negativen Trendmarkt anzeigt. Die Stochastik ist darüber hinaus drauf und dran, in den Euro-skeptischen Bereich vorzudringen. Rückendeckung vonseiten des RSI ist auf Wochensicht zudem nicht zu erkennen. Dieser bewegt sich – wenngleich knapp – weiterhin auf neutralem Terrain.

Charttechnisch peitscht der Wind dem Euro demnach auch auf Wochensicht heftig entgegen. Ein Rutsch unter die Marke von 1,0800 Dollar erscheint vor diesem Hintergrund angezeigt. Damit würde das Währungspaar in Regionen vorstoßen, die zuletzt in den Anfangszeiten der Corona-Pandemie im Frühsommer 2020 vorherrschten. Support erfährt der Euro auf dem Weg gen Süden in Form des Tagestiefststands vom 14. Mai 2020 bei 1,0775 Dollar. Danach bietet das Tief vom 23. April 2020 bei 1,0756 Dollar seine Dienste an. Ein nachhaltiges Unterschreiten dieser Unterstützung sollte dem Euro auf Wochensicht erspart bleiben.

Will der Euro einen Teil der jüngsten Kursverluste wettmachen und meistert dabei den Sprung über das Tageshoch vom 7. März dieses Jahres bei 1,0967 Dollar, dürfte sie in der Region um 1,1000 Dollar auf spürbaren Widerstand stoßen. Die Hürde in Form des Hochs vom 27. Mai 2020 bei 1,1032 Dollar sollte für das Währungspaar in den nächsten Tagen nicht zu knacken sein.

Nach der dynamischen Abwärtsbewegung von Ende letzter und Anfang dieser Woche unternimmt der Euro aktuell den Versuch einer Stabilisierung. Auf Unterstützung durch die technischen Indikatoren sollte die Währung dabei nicht bauen. Egal ob in der Tages- oder Wochenperspektive, der charttechnische Gegenwind ist groß. Ein Rutsch unter die Marke von 1,0800 Dollar erscheint vor diesem Hintergrund angezeigt. Zuletzt hatte sich das Währungspaar vor knapp zwei Jahren, als die Verunsicherung durch die aufkommende Corona-Pandemie besonders hoch war, in derartigen Regionen aufgehalten.

*) Sören Hettler ist Senior Devisenanalyst der DZ Bank.

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