DEVISENWOCHE

Coronavirus stärkt als sicher geltende Devisen

Von Holger Achnitz *) Börsen-Zeitung, 25.2.2020 Auch vier Wochen nachdem die chinesische Millionenstadt Wuhan und weite Teile der Provinz Hubei unter Quarantäne gestellt wurden, rätseln Ökonomen weltweit über die wahrscheinlichen Auswirkungen der...

Coronavirus stärkt als sicher geltende Devisen

Von Holger Achnitz *)Auch vier Wochen nachdem die chinesische Millionenstadt Wuhan und weite Teile der Provinz Hubei unter Quarantäne gestellt wurden, rätseln Ökonomen weltweit über die wahrscheinlichen Auswirkungen der neuen Viruserkrankung Covid-19 auf das Weltwirtschaftswachstum und die daraus resultierenden geld- und fiskalpolitischen Antworten in China und anderswo. Es versteht sich angesichts des immer noch unsicheren Ausmaßes des Krankheitsverlaufes von selbst, dass jede Form von Vorhersage mit einer sehr hohen Unsicherheit behaftet ist und in kurzen Intervallen aktualisiert werden muss. Notwendig ist sie für Unternehmen und Investoren trotzdem. Vergleich zu Sars-VirusFür die Erstellung einer Prognose lassen sich am besten vergleichbare Ereignisse in der Vergangenheit heranziehen, hier idealerweise der Sars-Virus und seine Verbreitung 2003. Konsens besteht inzwischen darüber, dass die ökonomischen Auswirkungen von Covid-19 schwerwiegender sein werden als 2003. Auf die vergleichsweise schnellere Ausbreitung des Virus folgten drakonische Einschränkungen des Reise- und Güterverkehrs, sowohl innerhalb Chinas als auch international.Da China heute ein Drittel des globalen Bruttosozialprodukts ausmacht (damals: 10 %), entsteht nun ein weitaus größerer Nachfrageschock, insbesondere für Rohstoffe, sowie eine ebenfalls größere Störung der weltweiten Liefer- und Leistungskette, wie zuletzt durch verschiedene multinationale Unternehmen berichtet.Ausgangspunkt jeder weiteren Betrachtung ist daher der Verlust von Wachstum in China 2020, insbesondere im ersten und je nach Erfolg der chinesischen Behörden und Dienste in der Eindämmung der Krankheit auch im zweiten Quartal. Hoffnungen auf schnelle Erfolge sind bereits verflogen. Die durchschnittliche Erwartung für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im ersten Quartal lag vor Ausbruch der Krise bei 6 %. Seitdem veröffentlichte Aktualisierungen lassen den Schluss zu, dass sich diese Erwartung inzwischen auf 4,3 % ermäßigt hat. Optimistische SchätzungenDas Economic Research der Citigroup glaubt, dass diese Schätzung noch zu optimistisch ist, und präferiert neben einem vorsichtigeren Basisszenario von 3,6 % Wachstum im ersten Quartal auch den Einsatz von Best Case (4,5 %) und Worst Case (2,3 %). Selbst das Basisszenario würde einen Rückgang des BIP von 0,9 % im Vergleich zum vierten Quartal bedeuten – bei weitem die stärkste Kontraktion des chinesischen Wachstums seit 1993, dem Beginn der Citigroup-Datenreihe.Welche Folgen hätten Enttäuschungen in diesem Ausmaß für die Währungsmärkte? Eine Regressionsanalyse, die vergangene Auswirkungen der Veränderung von Währungen zum Dollar als Reaktion auf den Citi China Economic Surprise Index (CESICNY) untersucht, kommt zu vier wesentlichen Schlussfolgerungen:1. Die Währungen offener und von Exporten abhängiger Länder schneiden am schlechtesten ab – die Eurozone, Neuseeland und Norwegen.2. Die traditionellen “Safe Havens” schneiden besser ab (japanischer Yen und Schweizer Franken).3. Volkswirtschaften mit geschlossenem Wirtschaftskreislauf bieten einen gewissen Schutz – insbesondere der US-Dollar und sein kanadischer “Bruder”.4. Der Yuan könnte sich unerwartet widerstandsfähig zeigen. Die chinesische Führung sollte vor den anstehenden Phase-2-Verhandlungen mit den USA ein Interesse an einer stabilen Währung haben.Folgt man außerdem jüngst gemachten Äußerungen des chinesischen Finanzministers, so sind auch die Erwartungen an unterstützenden fiskalpolitischen Stimulus bereits zu hoch. Bisherige verabschiedete Maßnahmen hatten eher die Geldpolitik und die Stabilisierung von Vermögenswerten im Fokus. All dies ist auch konsistent mit den im Dezember durch die Zentralbank hervorgehobenen Stellenwert für die Stabilität des chinesischen Finanzsystems. Stabilisierende WirkungDie einzelnen Ergebnisse der Analyse zeigt die Grafik. Besonders interessiert uns hier natürlich das Abschneiden des Euro, der – ceteris paribus – im Basisszenario etwas mehr als 2 % gegenüber dem Dollar einbüßen würde. Seit Jahresbeginn hat er stetig verloren und handelt aktuell nur knapp über dem bisherigen Jahrestief. Der gestern veröffentlichte und weithin beachtete Ifo-Geschäftsklimaindex lag leicht über den Erwartungen und mag hier stabilisierend gewirkt haben.Allerdings waren die besorgniserregenden Nachrichten aus Norditalien vom letzten Wochenende hier noch nicht enthalten. Auch andere singuläre Entwicklungen machen wenig Mut. So sind in China in den ersten beiden Februarwochen lediglich 4 900 Autos verkauft worden. Diese Zahl vergleicht sich mit 60 000 abgesetzten Fahrzeugen im Vorjahreszeitraum, ein Minus von 92 %. Eine signifikante Erholung ist noch nicht zu erwarten – keine guten Aussichten für die europäische und deutsche Automobilindustrie und somit gegebenenfalls ein Wachstumsdämpfer für die Eurozone. Schwierige PrognosenAufgrund der sich momentan sehr schnell verändernden Situation um die Ausbreitung des Virus sind Prognosen schwierig oder sogar unmöglich. Der Versuch muss trotzdem gemacht werden. *) Holger Achnitz leitet den Währungshandel bei der Citigroup in Deutschland.