Kreditwürdig

Corporates wechseln in Trading-Modus

Unternehmensanleihen wechseln in den Trading-Modus. Den Weg weisen wird im ersten Quartal der Verlauf der Pandemie, die durch die Omikron-Mutante gekennzeichnet ist.

Corporates wechseln in Trading-Modus

Von Carsten Lüdemann*)

Die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen aus dem Investment-Grade-Bereich sind in diesem Jahr außergewöhnlich geringen Schwankungen ausgesetzt gewesen. Dies lag einerseits an insgesamt recht geringen Marktbewegungen, wie die sehr niedrigen Volatilitäten am Renten- und Aktienmarkt zeigen. Andererseits verliehen die beständigen Käufe der Europäischen Zentralbank (EZB) dem Markt zusätzliche Stabilität. Dementsprechend sind die Risikoaufschläge fast das gesamte Jahr 2021 hindurch moderat gesunken. Erst gegen Jahresende, als die Inflationssorgen stark in den Vordergrund drängten, sind die Spreads für kurze Zeit und durchaus spürbar angesprungen, haben sich aber schnell wieder weitgehend beruhigt. Aufgrund der insgesamt leichten Renditeanstiege von Bundesanleihen und Swapsätzen blieb der Total Return für Unternehmensanleihen seit Jahresbeginn zumeist knapp negativ.

Ruhiges Jahr

Etwas besser haben Firmenbonds aus dem High-Yield-Bereich abgeschlossen. Auch sie haben ein ungewöhnlich ruhiges Jahr hinter sich und verzeichneten die stärksten Kursausschläge erst Anfang Dezember. Ähnlich wie die Anleihen aus dem Investment-Grade-Bereich sind die Spreads der High-Yielder im Jahresverlauf per saldo leicht gesunken. Aufgrund der deutlich höheren Kupons konnten sie gleichwohl den allgemeinen Zinsanstieg besser abfedern und verbuchten einen Total Return von gut 3%.

Die letzten Handelswochen im Jahr 2021 haben schon einmal vorsichtig angedeutet, auf was sich die Märkte im neuen Jahr einzustellen haben. Die Risiken sind vielfältiger und durchschlagender geworden. Allen Unwägbarkeiten voran baut sich die Omikron-Welle gerade erst auf. Noch scheinen die Ansteckungszahlen mit der neuen Variante in Deutschland gering, doch die Entwicklung in anderen Ländern zeigt, wie schnell Omikron das Heft des Handelns übernimmt und letztlich erneute Kontaktbeschränkungen notwendig machen könnte. Der kräftige Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas in Deutschland hat gezeigt, wie groß die Sorge vor Lockdowns – vor allem in den Dienstleistungsbranchen – ist. Die Folge eines solchen wäre ein deutlich schärferer Konjunktureinbruch im ersten Quartal, als ohnehin schon zu befürchten steht, und Unternehmensanleihen würden hierauf mit spürbaren Kursrückgängen reagieren.

Hohe Inflation

Ein weiteres Risiko liegt in der viel zu hohen Inflation. Bisher haben die Kapitalmärkte sehr gelassen auf die teils überraschend hawkischen Ankündigungen der Notenbanken reagiert. Doch sollten sich EZB-Ratsmitglieder vermehrt über die Möglichkeit einer Zinserhöhung äußern und die Unternehmen um die extrem günstigen Finanzierungsbedingungen fürchten müssen, würden Kreditgeber höhere Risikoprämien einfordern. Nachdem der Markt für Unternehmensanleihen seit einem Jahr fast immer nur die eine Richtung zu niedrigeren Spreads kannte, könnte in so einem Fall eine Flaschenhals-Reaktion kräftige Marktturbulenzen auslösen. Zumindest kräftiger als das, was 2021 am Markt zu beobachten war. Und kaum etwas scheuen Anleger mehr als Unsicherheit.

Ein wichtiges Bewertungskriterium für die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen sind deshalb die gehandelten Volatilitäten an Renten- und Aktienmärkten. Eine von vielen Anlegern angestrebte positive risikoadjustierte Performance berücksichtigt bei der Gewinnermittlung die Höhe der Risiken, die von einer bestimmten Assetklasse ausgehen. Je höher die Schwankungsanfälligkeit eines An­lageproduktes ist, umso größer sollte der erwartete Ertrag sein, um die zunehmenden Gefahren angemessen zu kompensieren. Die jüngsten Anstiege der Volatilitäten hatten schon spürbare Ausschläge bei den Risikoaufschlägen ausgelöst, wurden aber sehr schnell wieder eingefangen. Extreme Ausschläge waren zu Beginn der Coronakrise, im März 2020 aufgetreten. Die Unsicherheit über mögliche Folgen war immens. Hierauf reagierten auch die Spreads von Corporates mit extremen Ansprüngen. Derart scharfe Anstiege der Schwankungsintensitäten sind angesichts der Fortschritte bei der Pandemiebekämpfung nicht mehr zu befürchten. Mehr Sorgen machen sich Marktteilnehmer aber aktuell um die stark gestiegenen Inflationsraten und wie die Notenbanken darauf rea­gieren.

Zu kräftiges Gegensteuern könnte Unternehmen doppelt treffen. Einerseits steigen dadurch die Finanzierungskosten, was für manche Geschäftsmodelle die Rentabilität in Frage stellen und vor allem hochverschuldete Firmen in den Default treiben könnte. Andererseits bestünde die Gefahr, dass der Aufschwung insgesamt abgewürgt werden könnte und somit Umsatz und Ertrag einbrechen. Daher dürften diesbezügliche Kommentare von Notenbankern genauestens verfolgt und Zinsentscheide dementsprechend akribisch untersucht werden. Insbesondere Hinweise auf eine steigende Lohndynamik und damit einhergehende Zweitrundeneffekte könnten Marktturbulenzen auslösen.

Nahe den historischen Tiefs

Trotz der bekannten Risiken sind sowohl die allgemeinen Renditen als auch die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen immer noch nahe der historischen Tiefstände. Ein großer Vorteil von Corporates, der erhöhte Kupon, der zwischenzeitliche Kursverluste durch steigende Zinsniveaus und Spreads zumindest teilweise auffangen kann, trägt daher nur noch für Hochzinsanleihen. Das könnte Anleger bei Anzeichen steigender Volatilitäten veranlassen, den Ausstieg zu suchen. Dies gilt besonders für viele Investoren, die nur durch die Crowding-out-Politik der Notenbanken in stärker risikobehaftete Assets gedrängt wurden, und eigentlich nicht an hohe Kursschwankungen gewöhnt sind.

Für tradingorientierte Anleger bietet 2022 interessante Chancen. Denn es gibt nicht nur reichlich Risiken, sondern auch die Aussicht auf starke Erholungsphasen. An erster Stelle wird die EZB darauf achten, dass die Finanzierungs­kosten für Unternehmen günstig bleiben. Die angekündigte Ein­stellung des Notfallprogramms PEPP betrifft Corporates kaum. Im Gegenteil könnte dieser Sektor sogar davon profitieren, dass stattdessen APP vorübergehend aufgestockt wird. Zudem sind die Konjunkturaussichten im weiteren Jahresverlauf recht gut. Zwar wird das erste Quartal gerade in Deutschland voraussichtlich stark von Lieferengpässen und Omikron-Einschränkungen belastet werden und vermutlich viele Erwartungen teils deutlich enttäuschen. Doch das könnte bereits die erste Tradingchance zum Einstieg in Corporates liefern, wenn diese aus Enttäuschung unter Abgabedruck geraten sollten. Denn viele Unternehmen sitzen auf rekordhohen aufgestauten Aufträgen und warten auf die ersten Entspannungszeichen im Frühling, um diese abzuarbeiten. Und dank deutlich verschlankter Strukturen, die Unternehmen in der Krise etabliert haben, hat sich die Profitabilität oftmals kräftig verbessert.

*) Carsten Lüdemann ist im Makroresearch der DekaBank tätig.