LEITARTIKEL

Das Ende der Dollar-Rally

Hätte die übergroße Mehrheit der Bankanalysten Recht behalten, so würde ein Sommerurlaub in Kalifornien für Europäer in diesem Jahr eine richtig teure Angelegenheit werden. Und der Benzinpreis würde auch nicht so verhältnismäßig tief stehen wie...

Das Ende der Dollar-Rally

Hätte die übergroße Mehrheit der Bankanalysten Recht behalten, so würde ein Sommerurlaub in Kalifornien für Europäer in diesem Jahr eine richtig teure Angelegenheit werden. Und der Benzinpreis würde auch nicht so verhältnismäßig tief stehen wie aktuell. Viele der Währungsexperten sagten nämlich vor noch nicht allzu langer Zeit eine kontinuierliche Aufwertung der US-Währung voraus, was für Bürger der Eurozone den Kauf von in Dollar abgerechneten Waren wie Rohöl oder USA-Reisen verteuert hätte. Während viele Experten die Parität von Dollar und Euro und eine weitere Yen-Abwertung fest einkalkulierten, gaben besonders Mutige sogar Kursziele von nur noch 0,90 Euro je Dollar aus. Das versprach ihnen Schlagzeilen, aber wer sich auf diese Vorhersagen verließ, hat möglicherweise eine Menge Geld verloren.Denn die Paritätspropheten lagen falsch, ziemlich falsch sogar. Die Rally des Dollar ist nicht nur zum Stillstand gekommen, sie hat sich jüngst sogar umgekehrt. Der Euro hat seit Jahresbeginn fast 5 % zum Dollar aufgewertet, während der Greenback fast 10 % zum Yen einbüßte. Auch die lange Zeit unter Druck stehenden Schwellenländer-Währungen und der Goldpreis erholten sich. Gold wird an den Finanzmärkten häufig als Absicherung gegen einen schwachen Greenback gehandelt.Die Schwäche des Dollar hat vor allem ökonomische Gründe: Während die US-Wirtschaft langsamer als erwartet wächst, nimmt die Eurozone entgegen allen Unkenrufen Fahrt auf. Jüngst sind allerdings auch politische Risiken für den Dollar hinzugekommen, nachdem der designierte republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump zur Sanierung der aus dem Lot geratenen US-Staatsfinanzen einen partiellen Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten ins Spiel gebracht hat.Doch zunächst zurück zum Wirtschaftswachstum. Das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone ist nach vorläufigen Daten im ersten Quartal um 0,6 % gewachsen. Das scheint nicht viel zu sein, ist aber etwas mehr, als die US-Wirtschaft im gleichen Zeitraum schaffte. Offensichtlich lässt die wirtschaftliche Dynamik in der weltgrößten Volkswirtschaft nach, das zeigt sich am Arbeitsmarkt, insbesondere aber an vorlaufenden Indikatoren wie den Einkaufsmanagerindizes. Sicherlich stehen die USA nicht vor einer neuen großen Krise, wohl aber vor dem Ende des aktuellen Konjunkturzyklus. Dementsprechend ist nicht zu erwarten, dass die Federal Reserve ihre Zinsen weiter kräftig anheben wird, wie dies noch im Dezember nach dem ersten Zinsschritt seit der Finanzkrise am Markt erwartet worden war.Möglicherweise überzeichnen die Märkte den Pessimismus, wenn sie – wie aktuell eingepreist – für dieses Jahr quasi keine US-Zinserhöhung mehr erwarten. Doch die von vielen Volkswirten vorhergesagten drei bis vier US-Zinsanhebungen im Jahr 2016 sind in jedem Fall vom Tisch. Dies gilt insbesondere für den Juni-Termin. Es ist schwer vorstellbar, dass die Federal Reserve im Umfeld des britischen EU-Referendums den Leitzins anhebt, auch wenn US-Notenbanker Neel Kashkari dies zu Wochenbeginn nicht ausschließen wollte.Damit spricht eine wesentliche Determinante der Kursentwicklung, nämlich die Zinsdifferenz, gegen den Dollar. Zumal von jenseits des Atlantiks und des Pazifiks keine Signale für eine weitere Lockerung der Geldpolitik zu vernehmen sind. Die Erwartung, dass EZB und Bank of Japan immer akkommodierender werden, während die Fed die Zinsen erhöht, war aber der Haupttreiber der Dollaraufwertung. Damit ist es jetzt vorbei, zumal die Eurozone noch mit einem üppigen Leistungsbilanzüberschuss wuchern kann. In Zeiten hoher Schuldenstände gewinnen Leistungsbilanzsalden ohnehin zunehmend an Bedeutung für die Währungsentwicklung.Doch jenseits der Ökonomie droht der Weltleitwährung Dollar eine für sie vollkommen ungewohnte Risikoprämie. Der jüngste Schwächeanfall des Greenback setzte mit Trumps Äußerungen über eine Restrukturierung der US-Staatsschulden ein. Sollte er im Wahlkampf weiterhin mit einem partiellen Zahlungsausfall bei Treasuries, der neben Bundesanleihen wichtigsten risikofreien Anlage, liebäugeln, so kann dies in einer zunehmend multipolaren ökonomischen Welt in einer schweren Dollar-Krise enden. Doch eine pluralistischere Währungswelt, darauf hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich erst gestern hingewiesen, muss nicht zwangsläufig stabiler sein. Der Dollar mag sich abschwächen, überflüssig wird er als Leitwährung deshalb nicht.——–Von Stefan SchaafDie Aufwertung des Dollar war beeindruckend. Doch jetzt ist sie vorbei. Das hat ökonomische und nun auch politische Gründe.——-