IM INTERVIEW: MICHAEL GRADY, AVIVA INVESTORS

"Das global reflatorische Umfeld wird Aktien stützen"

Stratege: Wahlen könnten EU und Euroraum stärken - Jeweils drei Leitzinserhöhungen der US-Notenbank in diesem und im nächsten Jahr

"Das global reflatorische Umfeld wird Aktien stützen"

Das derzeitige weltwirtschaftliche Umfeld spricht für Aktien, ist Michael Grady, Senior Economist und Makrostratege von Aviva Investors, überzeugt. Seine Favoriten sind Banken sowie Öl- und Bergbauaktien. Im Anleihebereich setzt er unter anderem auf US-Hochzinspapiere.- Herr Grady, wie beurteilen Sie die Aussichten für die Weltwirtschaft?Wir rechnen für die kommenden zwölf bis 18 Monate mit einem stetig steigenden Wachstum der Weltwirtschaft. 2017 werden wir mit 3,5 % das stärkste Wachstum seit sechs Jahren sehen, der Boden liegt hinter uns. Die reflationären Kräfte werden stärker. Wichtige Schwellenländer wie Brasilien und Russland, die durch eine schwere Rezession gegangen sind, haben die Kurve gekriegt und erholen sich etwas. In China gibt es, begünstigt durch fiskalische Impulse, ein stabiles Wachstum.- Wie schlagen sich die entwickelten Volkswirtschaften?Hier bietet sich ein ähnliches Bild, die Volkswirtschaften wachsen etwas schneller als im zurückliegenden Jahr. Letzteres gilt insbesondere für die USA, im Euroraum erwarten wir ein stabiles, von der Europäischen Zentralbank gestütztes Wachstum von 1,5 %. Im Unterschied zu den Vereinigten Staaten gibt es im Euroraum viel mehr unausgelastete Kapazitäten, und der Preisauftrieb ist eher begrenzt. Wir haben also weltweit einen leichten Anstieg des Wachstums und der Inflation. In den meisten Regionen haben wir eine lockere Geldpolitik, und wir sehen zunehmend fiskalische Stützungsmaßnahmen.- Ist Letzteres nicht vor allem ein US-Phänomen?Die USA sind hier zweifellos an erster Stelle zu nennen. Allerdings ist die Einschätzung noch schwierig, da wir wenig Konkretes wissen. Wahrscheinlich wird sich dies aber am 28. Februar ändern, wenn Donald Trump seine State-of-the-Union-Rede hält. Wir erwarten signifikante Steuersenkungen, die er angesichts der republikanischen Mehrheit im Kongress wird durchsetzen können. Außerhalb der USA ist das fiskalische Bild weniger klar. Nach dem Ankurbelungspaket vom zurückliegenden Oktober rechnen wir in Japan im Jahresverlauf mit einem Nachtragshaushalt, der weitere Stützungsmaßnahmen enthalten wird. China ist zu Stützungsmaßnahmen bereit. Im Euroraum werden die Peripheriestaaten zumindest nicht die Zügel anziehen, während Deutschland zurückhaltend bleibt.- Sie sind also rundum optimistisch.Unser Kernszenario ist positiv. Dabei übersehen wir aber keineswegs die Risiken, die vor allem politischer Natur sind. Da sind zum einen, beginnend in den Niederlanden, die anstehenden Wahlen im Euroraum. Wir halten es allerdings für wenig wahrscheinlich, dass es dem Populisten Wilders gelingen wird, Chaos zu stiften. Er wird Probleme haben, eine Regierungsmehrheit zu erreichen, um seine gegen die EU und den Euro gerichtete Agenda umzusetzen. Von größerer Tragweite ist die Wahl in Frankreich. Allerdings sind Vergleiche zwischen den unerwarteten Ergebnissen des Brexit-Votums und der US-Wahl unangebracht. In beiden Fällen war das Ergebnis sehr knapp. Dagegen zeigen die Umfragen, dass Le Pen nicht bloß zwei bis drei, sondern zwischen 20 und 30 % fehlen, um die zweite Wahlrunde zu gewinnen. Sie hat ungefähr 25 % der französischen Bevölkerung hinter sich. Angesichts der gravierenden Konsequenzen eines Sieges von Le Pen für Frankreich und den Rest Europas ist dies allerdings ein Risiko, das auch nicht ignoriert werden darf.- Welche Folgen werden die europäischen Wahlen dann haben?Wenn die Risiken, so wie wir es erwarten, nicht eintreten, könnten die Wahlen sich als ein wichtiger Wendepunkt für Europa im Sinne eines Erstarkens der EU und des Euroraums erweisen und damit auch als ein wichtiger Schritt hin zur Banken- und Fiskalunion.- Welche Rolle spielt der Brexit?Die Brexit-Verhandlungen werden für die EU und Großbritannien herausfordernd sein. Unsere Sorge ist, dass die Unsicherheit dazu führen wird, dass geschäftliche beziehungsweise Investitionsentscheidungen aufgeschoben werden. Für dieses Jahr rechnen wir mit einem Rückgang des BIP von 2 auf 1,5 %. Die relativ robuste Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte hat uns überrascht. Sie war vor allem auf die Verbraucherausgaben zurückzuführen. In diesem Jahr wird aber die Inflation auf rund 3 % steigen, und das wird etwas dämpfend auf den Konsum wirken. Wir gehen trotz des Inflationsanstiegs damit, dass die Bank of England in den kommenden zwölf bis 18 Monaten stillhalten wird.- Was erwarten Sie von der Fed?Trump wird ein signifikantes fiskalisches Paket auf den Weg bringen. Die Folge wird ein von der zusätzlichen Nachfrage ausgelöster reflatorischer Impuls seien. Darauf muss die Fed entsprechend reagieren. Wir rechnen mit jeweils drei Zinsanhebungen in diesem und im nächsten Jahr. Im Vergleich zur Vergangenheit ist das allerdings ein moderates Tempo. Es besteht aber das Risiko, dass die Fed schneller agieren muss, als derzeit erwartet wird. Ein weiteres Risiko für die Märkte ist ein Handelskrieg, den wir aber nicht erwarten.- Was bedeutet das alles für Ihre Anlagestrategie?In unserem Multi-Strategie-Fonds setzen wir unter anderem auf Aktien. Das global reflatorische Umfeld wird Aktien stützen. Wir haben eine breite regionale Allokation in den USA, Europa und in den Schwellenländern. Unter den Sektoren bevorzugen wir Banken, die von steigenden Zinsen und einer steileren Zinskurve profitieren werden, und Ressourcen, das heißt Öl- und Bergbauaktien. Am US-Aktienmarkt stellt die recht hohe Bewertung eine Herausforderung dar. Aber die US-Volkswirtschaft wird durch die Steuersenkungen Impulse erhalten. Besonders günstig bewertet sind die Emerging Markets und die Ressourcen-Branchen.- Wie gehen Sie mit Anleihen um?Wir gehen davon aus, dass der inflationäre Impuls noch eine Zeit lang anhalten wird. Dafür positionieren wir uns mittels Inflations-Swaps. Ferner erwarten wir weiter steigende US-Realrenditen vor allem im Fünfjahresbereich. Der Markt unterschätzt das Ausmaß der Zinsanhebungen. Außerdem haben wir ein leichtes Engagement in Schwellenländeranleihen, unter anderem in Indonesien und Südafrika. Diese Länder beginnen etwas stärker zu wachsen. In Südafrika gibt es politische Herausforderungen. Diese sind aber ein Stück weit schon eingepreist. Darüber hinaus setzen wir auf US-Hochzinsanleihen. Es hat eine starke Spread-Kompression gegeben. Dadurch sind Anlagen in Investment-Grade-Anleihen herausfordernder geworden.- Fahren Sie Absicherungsstrategien?Natürlich. Wir sind für den Fall vorbereitet, dass das eine oder andere der erwähnten Risiken doch eintreten sollte. So haben wir eine Long-Position in Aktienvolatilität. Sie befindet sich je nach Land auf rekord- beziehungsweise mehrjährigen Tiefstständen. Das erscheint angesichts der politischen Risiken ein wenig überraschend. Andererseits ist das globale Wachstum so stark wie seit Jahren nicht mehr, und der Aufschwung ist auch noch synchron. Wir erwarten aber auf jeden Fall einen Anstieg, insbesondere wenn eines der Risiken eintritt. Ferner haben wir eine Short-Position im koreanischen Won. Damit sichern wir uns gegen einen Handelskrieg ab. Südkorea wäre davon besonders betroffen, da sowohl die USA als auch China hohe Anteile an seinen Ausfuhren haben. Ferner sind wir im Renminbi short. Damit sichern wir uns gegen ein Szenario ab, in dem ein Handelskrieg China zu einer Währungsabwertung zwingen würde.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.