IM INTERVIEW: UWE BURKERT, LANDESBANK BADEN-WÜRTTEMBERG

"Das Niedrigzinsumfeld bleibt uns lange erhalten"

Der Chefvolkswirt über die europäischen Anleihemärkte, die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik von Trump und politische Ereignisrisiken in diesem Jahr

"Das Niedrigzinsumfeld bleibt uns lange erhalten"

Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg, sieht das Niedrigrenditeumfeld am europäischen Anleihemarkt weiterhin als intakt an. Von einer möglichen Renditeerholung in den USA, die auch auf die angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen von Donald Trump zurückzuführen ist, geht seiner Meinung nach nur ein leichter Aufwärtsdruck auf die Renditen aus.- Herr Burkert, welche Argumente sprechen dafür, dass das Niedrigrenditeumfeld in der Eurozone weiterhin intakt ist?Aus unserer Sicht spricht weiterhin eine Reihe von Gründen dafür, dass das Niedrigzinsumfeld intakt ist und uns lange erhalten bleiben wird. Zum einen sind hier die nach wie vor extrem expansiven geldpolitischen Maßnahmen der EZB zu nennen, die neben Risikoprämien auch Inflationsprämien verzerren. Zum anderen ist gerade in Europa weiterhin eine strukturell hohe Nachfrage nach Safe-Haven-Assets festzustellen, die auf ein im Vergleich zu vor der Finanz- und Eurostaatenkrise viel geringeres Angebot trifft. Und zum dritten sind wir skeptisch, ob in den nächsten drei Jahren die Transmission der Geldpolitik in die Realwirtschaft möglich ist, da diese funktionierende Transmissionskanäle braucht – und von denen sind wir zum Teil noch sehr weit entfernt.- Und aus welchen Argumenten leiten Sie einen gewissen Aufwärtsdruck bei den Anleiherenditen in Europa ab?Im Prinzip basiert ein gewisser Aufwärtsdruck auf der wahrscheinlicher gewordenen Renditeerholung in den USA sowie dem unseres Erachtens notwendigen Tapering der Anleihekäufe der EZB in 2018.- Nach langer Zeit an der Nulllinie im zehnjährigen Bundbereich beziehungsweise im Minus werden Real Money Accounts wie Versicherer und Pensionsfonds geringfügige Renditesteigerungen gern nutzen, um sich wieder positive langfristige Renditen zu sichern. Wird allein diese Kraft den Markt nicht schon enorm abbremsen, wenn es denn mal mit den Renditen nach oben gehen sollte?Das sehen wir auch so. Die strukturell hohe Nachfrage bei Versicherern, aber auch bei Banken, ist regulatorisch gut unterstützt. Allerdings sind durch die bereits sehr lang anhaltende Niedrig- beziehungsweise Negativzinsphase Renditeanstiege nicht mehr groß abpufferbar, so dass wir mit heftigeren und größeren Ausschlägen zu kämpfen haben werden. Aber genau deshalb wird meines Erachtens die EZB noch sehr lange Zeit fällig werdende Anleihen aus ihrem Bestand wieder neu anlegen, um mäßigend und auch dämpfend auf stark steigende Risikoprämien für die Peripherie einwirken zu können.- Wo sehen Sie die zehnjährige Bundrendite Mitte und Ende dieses Jahres?Wir erwarten für Mitte des Jahres 0,50 % und zum Jahresende 0,60 %.- Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump hat zunächst vollmundig einen enormen wirtschaftlichen Stimulus angekündigt, rudert nun aber immer mehr zurück beziehungsweise bleibt die Details seiner Konjunkturprogramme schuldig. Glauben Sie an den großen Trump-Boom in den USA?Zunächst hat er für einen Stimmungsumschwung gesorgt, und auch dafür, dass Großkonzerne ihre Investitionspläne deutlich angehoben haben. Wir erwarten von Herrn Trump klassische republikanische Politik mit Steuersenkungen und auch Korrekturen in der Regulatorik einiger Branchen. Das können Sie auch an der Kabinettsliste ablesen. Und diese Politik wird verbunden mit der Stimmungsänderung sehr deutlich wirken. Kritisch sind aus unserer Sicht die protektionistischen Teile seines Wahlprogramms zu werten. Für mich stellt sich das aktuell aber so dar, dass Herr Trump nach dem Muster handelt: “Daumenschrauben zeigen – freiwilliges Entgegenkommen erreichen”, und in der Außenpolitik das Motto “Drohen, wo es dem Gegenüber weh tut, bei etwas, das einem selbst nicht ganz so wichtig ist”, damit man später auf Verzicht des Angedrohten die Punkte, die einem wichtig sind, zum Beispiel Job-Verlagerungen zurück nach Amerika, durchsetzen kann. Das kann zu einem Trump-Boom führen. Das kann aber auch zu einer “Schnellkochtopf-Wirtschaft” führen, die durch Abschottung stärker und schneller in die Überhitzung geraten könnte.- Welche Programme beziehungsweise welche wirtschaftspolitischen Aktivitäten bis hin zur kompletten Abschottung der US-Wirtschaft werden wohl von seinen Versprechungen letztendlich noch bleiben?Steuersenkungen, der Einstieg in die Deregulierung, keine neuen Freihandelsabkommen, Anstieg der Staatsverschuldung und Rückkehr der Inflation – und ein neuer Fed-Chairman.- Muss die US-Notenbank Fed wegen Trumps Programmen gegensteuern, und vor allem: Wird die Fed ihre zögerliche Haltung ablegen und letztlich tatsächlich gegensteuern?Frau Yellen wird ihren Term in ihrer Art zu Ende bringen, das heist abwägend, eher länger abwartend. Sie wird weiter zögerlich bleiben. Danach werden die Märkte die Fed zu einem höheren Tempo antreiben. Das dürfte auch mit ein Grund dafür sein, dass die Fed sich aktuell nach wie vor schwertut, auf die Wiederanlage der Fälligkeiten ihres Anleiheportfolios zu verzichten. Hier sind die USA anfällig – gerade auch im Hinblick auf die nach wie vor enorme Bedeutung Chinas als Gläubiger.- Wie viele Zinsschritte wird es in den USA 2017 geben?Wir gehen von zwei aus, sehen das allerdings nicht dogmatisch. Rein binnenwirtschaftlich könnten es auch drei sein. Allerdings bleibt immer die Frage, wie stark die Entwicklungen der übrigen Welt auf die USA ausstrahlen und damit eventuell eine abwartende Haltung der Fed immer wieder notwendig machen.- Wo sehen Sie die zehnjährige US-Treasury-Rendite Mitte und Ende 2017?Wir sehen diese bei 2,70 bzw. 2,75 %.- In der Eurozone sehen die Zeichen bekanntlich ganz anders aus. Mit Blick auf Portugal und die Primärmarktaktivitäten ist festzustellen, dass die Investoren schon wieder vorsichtiger werden. Es wird stärker zwischen einzelnen Ländern differenziert, und das Wort Staatsschuldenkrise wird schon wieder lauter ausgesprochen. Unter welchen Bedingungen wird Portugal in diesem Jahr – wieder – zu einem Sorgenkind?Das Land hat noch immer unter den Folgen der Krise seiner Banken zu leiden. Hinzu kommt, dass anders als in Spanien die portugiesische Wirtschaft nicht so sehr in alte Muster zurückfallen kann, da zum Beispiel Spaniens Immobilienwirtschaft deutlich von der Niedrigzinspolitik der EZB profitiert. Auch beim Tourismus kann Portugal nicht in gleichem Maße von der Verlagerung weg zum Beispiel von der Türkei profitieren. Diese Schwächen zeigen sich am Rating – und damit bleibt das Land immer sehr eng am Limit des Kaufprogramms der EZB. Eine Umkehr der Verschuldungsanstiege in Rückgänge erfordert meines Erachtens höhere Inflationsraten – und daher bleibt die EZB auch expansiv, auch wenn in Deutschland die Situation eigentlich eine andere Politik erfordert. Ein guter Indikator für die derzeitige EZB-Geldpolitik ist die Taylor-Regel für Italien, die verdeutlicht, dass diese immer noch zu restriktiv für das Land wirkt.- Das politische Ereignisrisiko wird in diesem Jahr an den Märkten wegen der Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und auch in Deutschland und wegen der Brexit-Verhandlungen als sehr hoch eingestuft. Werden wir längere Phasen der Flucht in Sicherheit sehen?Längere Phasen erwarten wir nicht, dazu stellen sich die Märkte vor diesen Ereignisse zunehmend auf unerwartete Ausgänge politischer Entscheidungen ein. Aber durch die negativen Einlagenzinsen werden Safe-Haven-Assets stärker im Risk-off-Modus gefragt sein als in geldpolitisch normaleren Zeiten.- Die EZB bleibt das gesamte Jahr 2017 über in Sachen Quantitative Easing (QE) mit dem Fuß auf dem Gaspedal, und nicht zuletzt wegen des politischen Ereignisrisikos wird sie nicht ans Tapering denken. Unter welchen Bedingungen kommt es zur nochmaligen Ausweitung von QE?Sollten sich für die französischen Präsidentschaftswahlen die Umfrageergebnisse deutlich zuungunsten der etablierten Parteien verändern oder würde eine große Bank ernsthaft in Schwierigkeiten zu geraten drohen, könnte die EZB, wie Mario Draghi ja auf der Pressekonferenz auch gesagt hat, jederzeit das Volumen wieder erhöhen. Die EZB ist immer noch im Habt-Acht-Modus.- Investment-Grade-Credits, also Unternehmensanleihen, sind wegen des QE der EZB und des damit einhergehenden Crowding-out-Effektes 2016 gut gelaufen. Ist das 2017 noch ein guter Trade und wenn ja, in welchen Branchen?Ja, relativ zu Bundesanleihen und Pfandbriefen. Allerdings dürfte die Tapering-Diskussion sowie eine hohe Emissionstätigkeit der Unternehmen im Vorgriff auf das Tapering zu Spread-Ausweitungen im vierten Quartal führen.- Sehen Sie noch Musik in High-Yieldern?Zum Teil. Allerdings sind gerade in diesem Segment durch die Ausweichreaktionen vieler Investment-Grade-Investoren die Risikoprämien zum Teil sehr niedrig. Aber nach wie vor gilt: Es gibt eine Risikoprämie, die das tatsächliche Ausfallrisiko – zumindest im historischen Durchschnitt – übersteigt.- Wo stehen iTraxx und Xover Ende 2017?Im Jahresverlauf sollten sich die Spreads zunächst etwas einengen. Mit der einsetzenden Tapering-Diskussion sollten sich die Aufschläge dann wieder etwas ausweiten. Wir gehen somit per saldo von einer Seitwärtsbewegung aus. Damit erwarten wir den iTraxx bei 70 respektive den Xover bei 290 Basispunkten.—-Das Interview führte Kai Johannsen.