Aktienmarkt

Dax-Risiko reicht bis 10.000 Punkte

Am Aktienmarkt überwiegt derzeit das Risiko fallender Kurse. Selbst ein Test und Break-Versuch der runden Marke von 10.000 Punkten im Dax muss einkalkuliert werden.

Dax-Risiko reicht bis 10.000 Punkte

Von Stefan Salomon*)

Börse ist eigentlich einfach. Der Anleger und Analyst sollte grundsätzlich einfach denken – und dem Markt folgen. So konnte an dieser Stelle schon im Januar 2022 auf eine potenzielle Gipfelbildung im Dax hingewiesen werden. Ein Ausbruch aus der mehrmonatigen Range nach unten mit Abprall an der oberen Begrenzung eines Aufwärtstrendkanals würde sodann deutlich fallende Kurse erwarten lassen. Zudem wurde auf ein langfristiges Dreieck im Bund-Future (FGBL) hingewiesen – ebenfalls mit der Möglichkeit eines negativen Szenarios. Ein Ausbruch aus dem Dreieck und somit unter 168% im damals aktuellen Kontrakt des FGBL sollte zu einer Trendwende und einem Mindestkursziel von 160 bis 158% führen. Mittlerweile ist der Bund-Future im ersten Halbjahr 2022 mehr als deutlich unter die Räder gekommen. Beide Faktoren zusammengenommen – sowohl die Gipfelbildung im Dax als auch die Trendwende mit deutlich ansteigenden Zinsen aufgrund der Chartsituation im Bund-Future – ließen die Schlussfolgerung zu, dass Anleger Aktienpositionen absichern dürften. Im weiteren Verlauf der vergangenen Monate konnte aus charttechnischer Perspektive und dem Verkaufssignal im Februar 2022 im Dax die Handlungsempfehlung „Erholungen verkaufen“ als grobe Richtschnur angegeben werden – so auch im Mai 2022 in dieser Kolumne.

Die aktuelle Chartsituation lässt an dieser groben Richtschnur noch keine Änderung zu. Der Dax ist zwar in den zurückliegenden Wochen deutlich gefallen – und testet gegenwärtig eine klare Unterstützungszone. Die Annahme einer Unterstützungszone resultiert aus dem Tief vom März 2022 sowie der hier stattgefundenen zügigen Erholung ausgehend von einem Bereich zwischen 12400 und 12600 Punkten. Die übergeordnete Stimmung, die die Monatskerzen der japanischen Candlestick-Methodik ausdrücken, ist jedoch weiterhin negativ. Denn sowohl die Februar- als auch die jüngste Juni-Kerze stellen ein Verkaufssignal sowie eine herbe Enttäuschung für die Bullen dar. Die Februar-Kerze mit einem dynamischen Ausbruch aus der vorherigen Seitwärtsbewegung ist ein klassisches übergeordnetes Verkaufssignal. Dieses Verkaufssignal würde erst dann negiert werden, wenn das Februar-Hoch bei 15736 Punkten überschritten würde. Ausgehend von der langen schwarzen Februar-Kerze war und ist im Bereich der Mitte dieser Kerze und somit bei rund 15000 Punkten mit deutlichem Widerstand und Verkaufsinteresse zu rechnen. Ein Rebreak der runden Marke von 15000 Punkten würde zumindest eine Aufhellung der Chartsituation ergeben. Da jedoch nun im Juni 2022 sich nochmals eine sehr lange schwarze Monatskerze ausgebildet hat, bestätigt diese nun einerseits das Verkaufssignal aus dem Februar und bildet andererseits zwei neue weitere Widerstandsmarken. So den mittleren Bereich dieser Juni-Kerze als auch das Top der Juni-Kerze als Widerstandszone – bei circa 13500 bis 13600 Punkten und bei 14700 Punkten. In Verbindung mit der Februar-Kerze ergibt sich so auch eine massive Widerstandszone zwischen rund 14700 und 15000 Punkten.

Weiterhin drückt die Juni-Kerze eine sehr angeschlagene Stimmung im Markt aus – sie spiegelt unter anderem die Handlungsnotwendigkeit derjenigen Börsianer wider, die bei fallenden Kursen nach den Kursverlusten im Februar 2022 zugekauft haben und nun enttäuscht wurden. Sie spiegelt auch wider, dass die Masse der Anleger die Hoffnung auf Besserung aufgeben hat. Die lange schwarze Juni-Kerze drückt Verkaufspanik aus. In Verbindung wiederum mit den vorherigen drei Monatskerzen März, April und Mai – die eine Phase der Unsicherheit darstellen – hat sich im Juni 2022 die bearishe Stimmung verfestigt. Eine lange schwarze Kerze nach einer Phase der Unsicherheit ist grundsätzlich trendbestätigend zu interpretieren.

Test der Unterstützungszone

Aus dieser Sichtweise wäre daher nach einer kurzen Verschnaufpause und Test der Unterstützungszone im Bereich 12400 bis 12600 Punkte ein weiteres negatives Szenario mit Break der Unterstützungszone wahrscheinlicher als eine fulminante Erholung. Im negativen Szenario weiterer Verluste auch unter 12400 Punkten im Dax müsste aus charttechnischer Perspektive selbst ein Test und Break-Versuch der runden Marke von 10000 Punkten einkalkuliert werden. Dieses Kursziel ergibt sich aus unterschiedlichen Aspekten. So kann die Range der vergangenen vier Monate bei einem Ausbruch unter 12400 nach unten abgetragen werden. Zusätzlich besteht nach Ausbruch aus einem Aufwärtstrendkanal die Möglichkeit, dieses Kursziel abzutragen.

Die runde 10000er Marke ergibt sich als Kursziel aus der weiteren Tatsache, dass die Länge der Juni-Kerze als trendbestätigende Kerze nochmals nach unten abgetragen werden kann – ein Fall daher unter die Oktober/November-Tiefs 2020 konsequenterweise erwartet werden müsste mit einem weiteren Rutsch an die nächste Unterstützung, die im Bereich der Tiefs vom Dezember und Januar 2018 notieren – und somit die runde 10000er Marke in Sichtweite kommen würde. Als Fazit darf festgehalten werden, dass Anleger Erholungen im Dax als Verkaufssignale beobachten dürfen. Erst ein Anstieg über 13600 Punkten per Wochenschlusskurs würde eine Entspannung mit sich bringen – eine Trendwende wäre bei einem Anstieg über 15000 möglich. Derzeit überwiegt das Risiko fallender Kurse.

*) Stefan Salomon ist freiberuflicher Chartanalyst, www.candlestick.de.