IM BLICKFELD

Dem Fracking-Boom droht ein baldiges Ende

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt Börsen-Zeitung, 22.1.2014 Der Boom der mit unkonventionellen Methoden geförderten Vorkommen an Erdgas und Erdöl vor allem in den USA und in Kanada wird, glaubt man Auguren wie den Experten der Internationalen...

Dem Fracking-Boom droht ein baldiges Ende

Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDer Boom der mit unkonventionellen Methoden geförderten Vorkommen an Erdgas und Erdöl vor allem in den USA und in Kanada wird, glaubt man Auguren wie den Experten der Internationalen Energieagentur (IEA), die Weltwirtschaft verändern. Insbesondere US-Unternehmen sollen mindestens für ein Jahrzehnt von niedrigen Energiepreisen profitieren und damit gegenüber Unternehmen aus anderen Weltregionen deutliche Wettbewerbsvorteile genießen. Leittragende wären in erster Linie europäische Firmen, die mit deutlich höheren Energiekosten belastet werden. So sind beispielsweise die Erdgaspreise in Europa etwa doppelt so hoch wie in den USA.Leiden könnten aber auch Länder wie China, die als verlängerte Werkbank der US-Konzerne dienen. Angesichts der in den USA in den vergangenen Jahren deutlich gesunken Löhne könnte es für US-Konzerne nun auch mit Blick auf die Energiekosten zunehmend attraktiv werden, im Heimatland zu produzieren. Verlierer könnten auch die Regime der Ölstaaten am Persischen Golf sein, weil die USA und die US-Ölkonzerne weniger darauf angewiesen sein könnten, diese militärisch und politisch zu stabilisieren.Nach den Schätzungen der Energieagentur werden die USA bereits im Jahr 2016 rund 9,6 Mill. Barrel pro Tag an Rohöl fördern. Das wären dann doppelt so viel wie 2008. Ein großer Teil davon wird per “Hydraulic Fracturing” – kurz: Fracking – aus dem Boden geholt werden. Dabei werden in Tiefbohrungen Flüssigkeiten in Gesteinsschichten gepresst, um Risse zu erzeugen, die die Gas- und Öldurchlässigkeit der Gesteinsschichten erhöhen. Dadurch strömen die Energieträger leichter zur Entnahmebohrung. Preise unter DruckDiese neuen Fördertechniken haben bereits die Öl- und Gasindustrie in Nordamerika – und das dortige Preisniveau – stark verändert. Mangelnde Pipeline-Kapazitäten und Exportterminals an der Küste haben zeitweise dafür gesorgt, dass die Preise der Energieträger in den USA stark unter Druck standen. Der Preisunterschied zwischen der amerikanischen Benchmark-Ölsorte West Texas Intermediate, deren Preis für den Übergabepunkt in Cushing (Oklahoma) im Landesinneren berechnet wird, und der wichtigsten europäischen Sorte Brent Crude war aufgrund der fallenden Notierungen in den USA zeitweise auf 20 Dollar je Barrel gestiegen. Derzeit ist er mit 12,80 Dollar immer noch vergleichsweise groß. Auch die Gaspreise sind in den USA stark gefallen.An diesem für die USA äußerst positiven und für Europa eher negativen Szenario der praktisch ungegrenzten und billigen Energie in den USA gibt es inzwischen aber zunehmend Zweifel. Wie es scheint, waren die Angaben aus der Branche zum Ausmaß der Vorkommen in Nordamerika möglicherweise stark übertrieben. Studien sprechen von einer Überzeichnung der Realität um das bis zu Fünffache. Schwierige BerechnungDahinter streckt freilich nicht immer die böse Absicht der Förderunternehmen, die zur Verfügung stehenden Reserven übertrieben anzugeben, um Investoren anzulocken. Bei in Gestein gebundenem Gas und Öl ist es sehr schwierig, die Vorkommen zu berechnen. Ein gutes Beispiel ist das Marcellus-Schiefergasfeld im Nordosten der USA, in das sich der US-Energieriese Chevron eingekauft hatte. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass nur 30 % der ursprünglich erhofften Gasmenge gefördert werden können. Der geologische Dienst der US-Regierung hält es im schlimmsten Fall sogar für möglich, dass nur 10 % genutzt werden können.Hinzu kommt, dass die sinkenden Energiepreise die Profitabilität der vergleichsweise teuren Förderung unkonventioneller Energieträger gefährden. Zwar ist von Produktionskosten die Rede, die auf bis zu 25 Dollar je Barrel zurückgehen könnten. Nach einer Studie des Think Tank Rand Corporation kostet die Produktion eines Barrels Öl aus Schiefer aber zwischen 70 und 95 Dollar. Damit ist davon auszugehen, dass ein weiter sinkender Ölpreis Investoren dazu bewegen wird, Projekte zu stoppen. Bei Schiefergas lässt sich das bereits beobachten, da die Erdgaspreise in den USA besonders stark nachgegeben haben. Nach Berechnungen des US-Consulting-Unternehmens IHS Herold sind 2011 noch 35 Mrd. Dollar in die Schiefergasförderung investiert worden. 2012 waren es dann knapp 7 Mrd. Dollar und 2013 gar nur noch 3,4 Mrd. Dollar. Hintergrund war, dass der US-Gaspreis, der im Mai 2008 noch 13 Dollar je Million British Thermal Units (BTU) betragen hatte, bis auf 2 Dollar je Million BTU im Jahr 2012 gefallen war. Niedergang ab 2016Inzwischen mehren sich somit die Anzeichen, dass der Boom bei Schiefergas und Schieferöl in den USA ein Strohfeuer sein könnte. Selbst die auf Basis der mittlerweile als zu optimistisch geltenden Zahlen rechnende Energieagentur geht davon aus, dass der US-Energieboom schon gegen 2025 zu Ende geht. Experten unabhängiger Institute wie vom amerikanischen Post Carbon Institute halten es gar für wahrscheinlich, dass der Niedergang schon 2016 beginnt.—– Weiterer Bericht Seite 17