IM INTERVIEW: BERNHARD EBERT, BETHMANN BANK

"Der Aktienzyklus kann noch lange anhalten"

Steigende Bondmarktrenditen nicht als Gefahr für Dividendentitel gesehen - Euro zum Jahresende bei 1,15 Dollar erwartet

"Der Aktienzyklus kann noch lange anhalten"

Die Aktienrally ist vorerst unterbrochen, was Fragen aufwirft, ob sie nach einer Korrektur wieder auflebt. Bernhard Ebert, Leiter der Anlagestrategie und der Vermögensverwaltung der Bethmann Bank, erläutert die Perspektiven.- Herr Ebert, die Bemerkungen des EZB-Präsidenten Mario Draghi unter anderem zur Inflation haben an den Märkten für Wirbel gesorgt. Was sagen Sie dazu?Zum Thema Inflation möchte ich etwas ausholen. Wir hatten uns daran gewöhnt, dass die Aktienmärkte gut laufen, die Konjunktur sich verbessert und die Märkte auf Wahlen sehr moderat reagieren. Was uns die ganze Zeit beschäftigte, war eben das Thema Inflation. Von November 2016 bis Februar 2017 ist die Teuerung etwa in Deutschland von 0,8 % auf 2,2 % geklettert. Da hat der statistische Effekt der Ölpreisentwicklung zugeschlagen. Die Märkte, nicht zuletzt die Anleihemärkte, haben negativ reagiert. Seit Februar befindet sich die Inflation wieder auf dem Rückzug, und der Ölpreis ist zwischenzeitlich wieder deutlich zurückgefallen.- Was erwarten Sie für den Ölpreis?Er lag Ende 2016 bei fast 60 Dollar, und unsere Prognose für dieses Jahr liegt ebenfalls bei 60 Dollar, jeweils für Brent. Neben dem Ölpreis sind aber noch weitere Einflussgrößen wichtig. Ein entscheidender Faktor für eine höhere Teuerung sind anziehende Löhne. Das passiert aber nicht, noch nicht einmal in den USA, wo die Arbeitslosenrate von 10 % auf knapp über 4 % gesunken ist. Eigentlich hatte man hier einen deutlichen Lohnanstieg erwartet, nicht zuletzt auch aufgrund der Ankündigung von Donald Trump, illegale Einwanderer auszuweisen. Nachdem sie seit September 2014 verhalten gestiegen sind, hat die Dynamik zuletzt nachgelassen.- Werden sie wieder anziehen?Der Rückgang ist möglicherweise ein statistischer Ausreißer. Global gibt es vielfältige Faktoren, die inflationsdämpfend wirken. Wir haben nach wie vor weltweit Überkapazitäten. Die Digitalisierung erschwert die Verhandlungsposition von Arbeitskräften, Internet-Vergleichsportale setzen Preise unter Druck.- Was heißt das nun für die Notenbanken?Nachdem die Fed im Juni ihren Leitzins erhöht hat, sind leichte Zweifel aufgekommen, ob es zu der dritten Leitzinsanhebung in diesem Jahr überhaupt kommen wird. Bis vor kurzem herrschte die Einschätzung vor, dass die Europäische Zentralbank (EZB) vorerst die Wende nicht einleitet. Im Frühjahr hat Mario Draghi gesagt, dass die Deflation vom Tisch ist. Zuletzt hat er sich zum Wachstum positiv geäußert und damit indirekt ein Ende der expansiven Geldpolitik in Aussicht gestellt. Zudem hat er über Tapering geredet. Das hat die Bundrenditen und den Euro hochgetrieben.- Wie sieht Ihr Fahrplan beziehungsweise die Prognose für die EZB aus?Die EZB wird bis zum Jahresende weiterhin Anleihen für 60 Mrd. Euro monatlich kaufen. Wir glauben, dass sie anschließend ihre Käufe Monat für Monat um jeweils 10 Mrd. Euro reduzieren wird, das heißt, dass das Programm bis Mitte 2018 auf null heruntergefahren wird. Der für die Banken problematische Einlagenzins von – 0,40 % wird im September 2018 auf – 0,30 % “erhöht”, was aber nur ein symbolischer Schritt ist.- Wird der Euro wieder zurückfallen?Die Währung befindet sich nun schon seit über zwei Jahren in einer Bandbreite von 1,05 bis 1,15 Dollar. 1,15 Dollar sind somit eine wichtige Marke, an der der Euro nach der Draghi-Rede angeklopft hat. Viele hatten eine deutliche Erstarkung des Dollar unter dem Einfluss der wirtschaftspolitischen Pläne von Donald Trump erwartet und sich entsprechend positioniert. Unstrittig war dies nicht. Denn Trumps Pläne, massiv Steuern zu senken und in die Infrastruktur zu investieren, wären zu Lasten der Verschuldung gegangen, und so etwas kann eine Währung auch schwächen. Hinzu kamen den Euro stützende Entwicklungen. Die Konjunktur im Euroraum läuft gut, die EU-Risiken sind entschärft, durch Trump wurde die EU sogar ein Stück weit zusammengeschweißt. Hinzu kam das fast schon traditionell schwache erste Quartal in den USA. Das Wachstum lag bei 0,35 % gegenüber dem Vorquartal, in der Eurozone war es mit 0,6 % deutlich höher. Die Eurozone holt auf. Gerade in den Peripherieländern fiel das Wachstum stark aus. In Spanien lag es bei 0,8 %, in Portugal bei 1 %.- Wie lauten Ihre Wachstumsprognosen für das Gesamtjahr?Unsere Prognose liegt für die USA bei 2,3 % und für die Eurozone bei 2,1 %. Damit die USA auf 2,3 % kommen, müssen sie natürlich im Laufe des Restjahres einiges nachholen. Sie sind auch in den zurückliegenden Jahren im zweiten Quartal zurückgekommen. Die US-BIP-Zahlen erscheinen Ende Juli. Unsere Erwartung war bisher, dass es zu einer letzten Phase der Dollar-Stärke kommen würde, wenn die Zahlen gut aussehen. Nun ist aber Mario Draghi dazwischengekommen und hat den Euro stark gemacht. Es wird spannend zu verfolgen, ob der Euro durch die 1,15er Marke durchbricht oder der Dollar nochmal anzieht. Derzeit lautet unsere Prognose für den Euro für das vierte Quartal 2017 auf 1,15 und für das Jahresende 2018 auf 1,20 Dollar.- Bedeutet das fortgeschrittene Alter des Konjunkturzyklus ein Risiko?Der Konjunkturzyklus und auch der Aktienzyklus dauern schon sehr lange, und das wird irgendwann zu Ende gehen. Investoren werden deswegen allmählich unruhig, auch wegen der Bewertungen an den Aktienmärkten. Wir glauben aber, dass der Zyklus noch länger erhalten bleiben wird, insbesondere weil die Zinsen relativ niedrig liegen. Zudem ist der aktuelle Welthandelszyklus seit 2012 deutlich flacher als der Zyklus 2002 bis 2008. Und wir haben nun nach Jahren erstmals wieder einen gleichgerichteten Aufschwung. Im Euroraum stagnierte die Konjunktur lange. Auch Teile der Schwellenländer entwickelten sich wegen der Rohstoffschwäche nur verhalten. Jetzt erst wird der Aufschwung synchron. In der Folge verbessert sich auch die Gewinnentwicklung der Unternehmen. Für den Euroraum und die USA kann man sich ein zweistelliges Gewinnwachstum vorstellen. Eine Wachstumsschwäche wird jetzt nicht mehr als Bedrohung für den Aktienmarkt empfunden. Stattdessen gibt es jetzt Sorgen über die Zinsen.- Was passiert mit Aktien, wenn die Zinsen steigen?Wir glauben weiterhin nicht, dass die Aktienmarktentwicklung durch beginnende Zinsanstiege nachhaltig beeinträchtigt wird. Dafür bedürfte es einer echten Alternative zu Aktien. Bei dem gegenwärtigen Verhältnis von Anleihen- zu Dividendenrendite kann davon keine Rede sein. Riskant wird es erst bei einer deutlich über der Dividendenrendite liegenden Anleiheverzinsung, und davon sind wir weit entfernt. In Anleihen zu investieren, ergibt zudem doch nur Sinn, wenn man erwartet, dass die Zinsen eben nicht steigen, denn sonst erleidet man Kursverluste.- Wie wird sich der Dax Ihrer Einschätzung nach entwickeln?Solange sich der Markt synchron mit der Gewinnentwicklung bewegt, kann der Aktienzyklus noch lange anhalten. Ich kann mir vorstellen, dass der Dax in der zweiten Jahreshälfte auf neue Hochs steigt.- Wie gewichten Sie Aktien?Wir sind in Aktien deutlich übergewichtet. Zu Beginn des Jahres hatten wir noch keine regionalen Präferenzen. Im März haben wir unsere Positionierung zu Lasten der USA in Europa und den Emerging Markets verstärkt. Die mit Trump verbundenen Wachstumshoffnungen haben sich bislang nicht erfüllt. Zudem haben die USA Europa in den zurückliegenden zehn Jahren deutlich outperformt, so dass wir jetzt aufgrund der positiven Entwicklungen im Euroraum mit einer Gegenbewegung rechnen. Für in Euro rechnende Anleger war die Outperformance aufgrund der Dollar-Stärke noch um einiges höher. Hinzu kommen die erwähnten positiven Entwicklungen im Euroraum.- Wie positionieren Sie sich am Bondmarkt?Wir erwarten die zehnjährige Bundrendite zum Jahresende bei 0,80 %. Legt man eine Ausgangsbasis von 0,40 % zugrunde, würde dies einen deutlichen Kursverlust bedeuten. Das sollten Anleger umgehen. Wir setzen auf eine moderate Duration und eine starke Diversifizierung, etwa in Floater, Linker und Hochzinsanleihen. Einen starken Schwerpunkt legen wir auf Unternehmensanleihen. Aufgrund der guten Konjunktur- und Gewinnentwicklung sehen wir noch einiges Potenzial, dass sich die Risikoprämien von Unternehmensanleihen zurückbilden.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.