IM INTERVIEW: GÜNTHER SCHMITT, RAIFFEISEN CAPITAL MANAGEMENT

"Der ATX wird durch den Osteuropavorteil getrieben"

Fondsmanager: Österreichische Aktien haben Chance auf anhaltend überdurchschnittliche Entwicklung - Vor allem in Immobilientiteln übergewichtet

"Der ATX wird durch den Osteuropavorteil getrieben"

Der österreichische Aktienmarkt glänzt im laufenden Jahr mit einer sehr starken Entwicklung. Sein Standardwerteindex ATX hat kürzlich mit 3 211 Zählern den höchsten Stand seit dem September 2008 erreicht, mit dem Stand von aktuell 3 209 Punkten hat er im laufenden Jahr bereits um 23 % zugelegt. Auch nach dieser starken Performance ist Günther Schmitt, der den Raiffeisen- Österreich-Aktien-Fonds bei Raiffeisen Capital Management verantwortet, davon überzeugt, dass der Aktienmarkt weiterhin überdurchschnittlich abschneiden kann.- Herr Schmitt, der ATX hat in diesem Jahr einen guten Lauf und zuletzt Rekordhöhen. Was treibt den Markt an?Der ATX entwickelt sich seit zwei Jahren überdurchschnittlich stark, stärker als der Dax. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass der österreichische Aktienmarkt davor eine lange Phase der Underperformance hatte. Eine Erklärung ist, dass damals internationale Anleger, wenn sie in Europa investiert haben, leichter zugängliche Märkte mit liquiden Futures wie den deutschen bevorzugt haben. Im Verlauf haben sie sich die Marktteilnehmer aber Märkte wie den österreichischen angeschaut, die noch nicht stark gelaufen waren und auch günstiger bewertet waren. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis für das laufende Jahr von 14 hat der Index die Bewertungslücke zum Dax inzwischen geschlossen. Auf Basis des Kurs-Buchwert-Verhältnisses ist der ATX mit 1,3 aber noch deutlich günstiger als der Dax mit 1,8. Ferner wird der ATX durch den Osteuropavorteil getrieben. Die Region wächst mit zwischen 2 und 3 % stärker als Westeuropa, und davon profitieren Unternehmen mit hohem Geschäftsanteil in Osteuropa.- Wie hoch ist der Anteil Osteuropas am Geschäft österreichischer Unternehmen?Die ATX-Unternehmen beziehen einen Großteil ihrer Erträge aus Osteuropa. Einschließlich Österreichs liegt der Anteil beispielsweise bei der Raiffeisen Bank bei 100 %.- Wie schätzen Sie das weitere Aufwärtspotenzial des österreichischen Aktienmarkts ein?Österreich wird sich nicht massiv von den anderen Märkten abkoppeln können. Steigen sie weiter, wird auch der ATX weiter steigen. Entsprechendes gilt für Korrekturbewegungen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass der Markt aufgrund des Osteuropafaktors die Chance auf eine anhaltend überdurchschnittliche Entwicklung hat.- Was wird für das Gewinnwachstum der Unternehmen erwartet?Für die ATX-Gesellschaften wird für dieses Jahr ein Wachstum von 15 % erwartet. Bis vor kurzem war man davon ausgegangen, dass die Gewinne damit stärker steigen würden als in anderen Regionen. Die Berichtssaison zum ersten Quartal hat aber gezeigt, dass die anderen Regionen einen ähnlich hohen Gewinnanstieg erzielen.- Welche Branche bevorzugen Sie?Ich bin derzeit in den Immobilienaktien stark übergewichtet. Die österreichischen Immobilienaktien sind mit Abstand die günstigsten in Europa. Bis auf Buwog weisen sie durchweg ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von unter 1 auf. Bei den deutschen Titeln des Sektors liegt das Kurs-Buchwert-Verhältnis dagegen über 2. Wir halten beispielsweise CA Immo, S Immo und UBM. Die Branche ist die stärkste Übergewichtung in unserem Fonds.- Die fundamentalen Rahmenbedingungen für den deutschen Immobilienmarkt werden nach wie vor sehr positiv eingeschätzt. Wie gestaltet sich die Lage in Österreich?Alles, was man für Deutschland sagt, gilt auch für die österreichischen Immobilienwerte. Denn sie sind stark in Deutschland engagiert. CA Immo hält einen Großteil ihrer Immobilien in Berlin und München. Die Immobilien der österreichischen Unternehmen befinden zu jeweils rund 30 % in Deutschland, Österreich und Polen. Letztlich gelten für die österreichischen Gesellschaften dieselben positiven fundamentalen Rahmenbedingungen wie für die deutschen, dies aber zu wesentlich günstigeren Bewertungen.- Wie viele Aktien enthält Ihr Fonds, und welche Aktie ist die Top-Position in Ihrem Fonds?In unserem Raiffeisen-Österreich-Aktien-Fonds halten wir gegenwärtig ungefähr 35 Titel. Unsere größten Positionen sind Erste Bank mit fast 9 % und Raiffeisen Bank mit ebenfalls ungefähr 9 %. Wir sind für beide sehr positiv gestimmt, haben aber eine deutliche Untergewichtung zum Index, in dem beispielsweise Erste Bank mit rund 20 % gewichtet ist. Zwar würden wir die Position in beiden Instituten gerne ausbauen, aber aufgrund des Investmentfondsgesetzes liegt der maximale Anteil, den eine einzelne Aktie in einem Fonds haben darf, bei 10 %. Unsere weiteren Top-Positionen sind CA Immobilien mit 8 %, Strabag mit 5,5 %, OMV mit mehr als 5 %, Lenzing mit 5 % und Wienerberger mit 4 %.- Halten Sie in nennenswertem Umfang auch Industriewerte?Der einzige Industriewert, der bei uns stark gewichtet ist, ist die nicht im ATX enthaltene Palfinger mit 4 %. In Andritz sind wir untergewichtet. Zum einen ist dieser Wert schon sehr hoch bewertet, zum anderen ist das Wachstumspotenzial des Unternehmens bescheiden. Es ist in den Branchen Wasserkrafttechnik und Papiermaschinen tätig, in denen die Wachstumsaussichten nicht so gut sind.- Warum haben Sie eine so große Position in Palfinger?Palfinger ist ein Hersteller von Hebe- und Ladevorrichtungen, darunter auf Lastkraftwagen montierte Kräne. Die entscheidenden Märkte für das Unternehmen sind die USA und China. In China hat Palfinger ein Joint Venture mit einem chinesischen Kranhersteller. Dieses Gemeinschaftsunternehmen ist langsam gestartet, kommt jetzt aber allmählich in die Gänge. In den zurückliegenden beiden Jahren hat das Joint Venture wenig zum Gewinn des Unternehmens beigetragen. Das wird sich nun jedoch massiv ändern. Zudem war das Geschäft in den Vereinigten Staaten in den zurückliegenden Jahren meistens defizitär. Palfinger hat aber umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen ergriffen, die greifen werden. Durch die beiden Märkte ergibt sich für die Ertragsaussichten des Unternehmens ein erheblicher Hebeleffekt.- Was gefällt Ihnen an Lenzing?Wir haben diese Aktie schon seit vielen Jahren in unserem Portfolio. Das Unternehmen ist ein Hersteller von Viskosefasern. Lenzing hat es in den zurückliegenden Jahren geschafft, sich von einem Hersteller von Commodity-Produkten in einen Spezialfaserproduzenten zu verwandeln, das heißt in einen Hersteller von patentgeschützten Produkten. Diese Produkte werfen deutlich höhere Margen ab. Dazu zählt Tencel, die neueste Art von holzbasierten Cellulosefasern. Lenzing hat den Anteil der Spezialfasern an ihren Erlösen in den zurückliegenden Jahren deutlich erhöhen können, was die Marge hochgetrieben hat. Die Aktie ist in den letzten beiden Jahren zugegebenermaßen sehr stark gestiegen beziehungsweise hat sich im Wert verdreifacht. Das Unternehmen ist jedoch mit seiner Ergebnisentwicklung in die Bewertung hineingewachsen.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.