"Der Brexit ist kein Game Changer"

Bantleon erwartet steigende Aktienkurse und hohe Volatilität - Niedrigere Bundrenditen prognostiziert

"Der Brexit ist kein Game Changer"

Die Bantleon Bank ist für die Aussichten der Weltwirtschaft und damit auch der Aktienmärkte zuversichtlich. Allerdings erwartet das Institut unruhige Phasen und damit anhaltend hohe Volatilität. Bundesanleihen traut es zunächst noch weitere Kursgewinne zu.ck Frankfurt – Die Bantleon Bank glaubt, dass die Verunsicherung nach dem Brexit-Votum übertrieben ist, und beurteilt die Aussichten der Weltwirtschaft und der Aktienmärkte optimistisch. Harald Preißler, Leiter Anlagemanagement und Chefvolkswirt des Instituts, verwies in einem Pressegespräch am Dienstag darauf, dass sich die Brexit-Wortführer zurückgezogen haben. Es sei angesichts der vielfältigen Unsicherheiten über den Brexit nicht sicher, ob nicht noch ein Ausweg gefunden werde, um Großbritannien in der EU zu halten. Mit Lehman nicht vergleichbar”Der Brexit ist kein Game Changer”, so Preißler. Vier Gründe sprächen dagegen, dem Votum eine mit dem Lehman-Kollaps vergleichbare Bedeutung zuzumessen. So stehe noch nicht fest, dass es den Austritt geben bzw. in welcher Form er erfolgen werde. Das Gleiche gelte für eine Rezession in Großbritannien, die für viele bereits ausgemachte Sache sei. Das europäische Festland werde möglicherweise von Investitionen profitieren, die aus Großbritannien umgelenkt würden. Ferner sei die konjunkturelle Ausgangslage derzeit wesentlich besser als nach dem Lehman-Kollaps.Preißler ist überzeugt, dass die nächsten Leitzinsanhebungen der Fed nur aufgeschoben sind und in Tempo und Ausmaß die Markterwartungen übertreffen werden. Nach dem enttäuschenden Arbeitsmarktbericht vom Mai und angesichts der Brexit-Unsicherheiten werde die Fed zunächst stillhalten. Leitzinserhöhungen seien aber nicht vom Tisch; der Frühindikator für die USA habe nach oben gedreht. Die Fed könne erhöhen, werde das aber langsamer tun als in früheren Zyklen. Eine Anhebung im September sei vorstellbar, gefolgt von zwei bis drei weiteren Schritten im kommenden Jahr, so dass der Leitzins dann bei 1,25 % bis 1,5 % liegen werde. Der Markt erwarte den nächsten Schritt nun erst im Jahr 2018. Das sei falsch.Neben den USA werde auch China eine Stütze des globalen Wachstums sein; das BIP werde um 6,5 % bis 6,75 % wachsen, getrieben von staatlichen Investitionen, welche die Flaute im Privatsektor teilweise kompensierten. Kurzfristig sei China kein Sorgenkind, so Preißler, der betonte, dass das Institut mittelfristig skeptisch ist. “Im nächsten Jahr können wir froh sein, wenn das Wachstum bei etwas über 6 % liegt.”Die Erholung der Rohstoffe sei ein guter Indikator dafür, dass es den Schwellenländern besser gehe. Brasilien komme aus der Rezession raus, und die Konjunkturkrise Russlands sei durch die Erholung der Ölpreise vorbei. 2016 und 2017 sei wieder mit einem überdurchschnittlichen Wachstum der Schwellenländer zu rechnen, wenn auch nicht im Ausmaß der Vergangenheit.Das gute globale Wachstum werde den Brexit kompensieren, so Preißler, der das Wachstum des Euroraums durch Exporte und die anziehende Binnenkonjunktur für gut gestützt hält. Er geht von einer leichten Abschwächung aus. Die Ausfuhren nach Großbritannien würden sinken, die USA und China sich aber stärker entwickeln. Auch die russische Nachfrage werde anziehen.Die Inflation habe wenig Aufwärtspotenzial, da die Kapazitäten immer noch nicht ausgelastet seien. “Wir können froh sein, wenn sich die Inflation in den nächsten ein bis zwei Jahren Richtung 1 bis 1,5 % bewegen wird.” Das sei ein Problem für die EZB. Das Wachstum bleibe stabil, aber die Inflation komme nicht in Gang, so der Chefvolkswirt, der eine Aufstockung und eine Verlängerung des Anleihekaufprogramms bis zum September 2018 erwartet. Allerdings sei dies angesichts der schwindenden Masse kaufbarer Anleihen nicht mehr darstellbar. Derzeit beschränke sich das kaufbare Volumen an Bundes- und Länderanleihen auf 130 Mrd. Euro. Die EZB werde ihre Regeln wahrscheinlich ändern, etwa in der Form der Aufhebung der Zinsuntergrenze oder der Erhöhung des Limits pro Emission von 33 auf 50 %. Überreaktionen”Wir erleben seit einiger Zeit eine Abfolge von Krisen”, so Preißler weiter. Vielfach seien es eingebildete Krisen. Aufgrund der sehr niedrigen Zinsen komme es zu Überreaktionen. Die Marktteilnehmer müssten schneller reagieren, wodurch die Volatilität erhöht werde. Für die Aktienmärkte spreche unter anderem die globale Liquidität. Der Dax werde neue zyklische Höchststände von 11 000 erreichen. Derzeit ist Bantleon in Europa und den Emerging Markets übergewichtet, in den USA aber leicht untergewichtet. Der US-Markt sei am weitesten gelaufen und verfüge durch die Geldpolitik der Fed über wenig Aufwärtspotenzial. Im Herbst erwartet Preißler für den Aktienmarkt dann eine stürmische Phase, anschließend eine Aufwärtsbewegung auf neue Dax-Höchststände. Spread-EinengungenDie Renditen der Bundesanleihen haben dem Experten zufolge noch Abwärtspotenzial. Es gebe kaum noch Anleihen, welche die EZB kaufen könne; das Sparprogramm reduziere den Bestand. Für die zehnjährige Bundrendite sagte er eine Spanne von – 0,20 % bis – 0,50 % voraus. Bei einem neuen Schock könne sie auch noch tiefer sinken.Allerdings gebe es zwei Risiken. So sei möglich, dass es wie im zurückliegenden Jahr zu Notverkäufen von Staatsfonds komme, wenn eine längere Phase der Dollar-Stärke einsetze. Zudem würde eine Änderung der Regeln des Anleihekaufprogramms der EZB nach Meinung von Preißler zu einem vorübergehenden Anstieg der Bundrenditen führen, weil dadurch der Bestand kaufbarer Anleihen stark steigen würde. Das Institut erwartet darüber hinaus Spread-Einengungen und hält Anleihen der Peripheriestaaten und Unternehmensanleihen für attraktiv. Für Treasuries ist es angesichts der relativ robusten Konjunktur und der Fed-Geldpolitik eher skeptisch.