TECHNISCHE ANALYSE

Der Brexit kennt viele Verlierer

Von Petra von Kerssenbrock *) Börsen-Zeitung, 21.11.2018 Der britische Aktienmarkt hatte seit dem Brexit-Votum im Juni 2016 eine mittelfristige relative Schwäche im europäischen Vergleich. In den vergangenen Wochen hat sich jedoch in wesentlich...

Der Brexit kennt viele Verlierer

Von Petra von Kerssenbrock *)Der britische Aktienmarkt hatte seit dem Brexit-Votum im Juni 2016 eine mittelfristige relative Schwäche im europäischen Vergleich. In den vergangenen Wochen hat sich jedoch in wesentlich differenzierteres technisches Gesamtbild ergeben. Die relative Stärke technisch defensiver Sektoren wie Öl & Gas und Healthcare mit ihren Index-Schwergewichten sorgt dafür, dass diese zweijährige relative Schwäche insgesamt ausgelaufen ist, so dass sich eine technische Konturschärfe mit Blick auf Werte, die besonders vom Brexit belastet sind, ergibt. Technische EintrübungenNeben dem britischen Bankensektor, in dem die aktuellen und ehemaligen Stoxx-50-Titel ihre jeweiligen Baisse-Trends fortsetzen, haben auch britische Versicherungen wie z. B. Prudential und Aviva mit technischen Eintrübungen zu kämpfen.Dies gilt auch besonders für britische Mid Caps und dort für die Sektoren Real Estate mit dem technischen Beispiel Land Securities sowie für den bereits von strukturellen Veränderungen betroffenen Retail-Sektor mit dem technischen Beispiel Kingfisher. Langfristiges RecoveryDie britische Aviva, die bis September 2007 auch im Stoxx 50 enthalten war, startete im März 2009 – nach der Baisse der Vorjahre und dem Kurseinbruch von 888 Pence auf 160 Pence – ein langfristiges, moderates technisches Recovery. Trotz der Phasen hoher Volatilität konnte sich die Aktie nur bis auf Kurse um 580 Pence per März 2015 erholen. In den darauffolgenden drei Jahren etablierte der Titel die gestaffelte, langfristige Resistance-Zone von 545 Pence bis 580 Pence. Die ausgeprägte Kursschwäche im Umfeld des Brexit-Votums mit dem Kurseinbruch bis auf 290 Pence signalisierte bereits die Skepsis des Marktes bezüglich der möglichen Auswirkungen des Brexits auf die Aktie.Zwar konnte sich auch Aviva – getragen von der moderaten Gesamtmarkterholung und der Schwäche des britischen Pfundes – wieder bis an die langfristige Resistance ab 545 Pence erholen. Jedoch ergab sich in den letzten zwei Jahren nur eine Seitwärtspendelbewegung mit der gestaffelten Support-Zone von 480 Pence bis 490 Pence und der Resistance-Zone ab 540 Pence. Zuletzt ist Aviva mit einem neuen technischen Verkaufssignal nach unten aus dieser Trading-Range herausgefallen und hat eine ausgeprägte relative Schwäche innerhalb des Versicherungssektors und insbesondere im Vergleich zu kontinentaleuropäischen Versicherungen aufgebaut. Als Konsequenz empfiehlt sich eine defensive technische Haltung beziehungsweise ein Switch. Musterbeispiel LandDer Immobilieninvestor und Immobilienverwalter Land Securities, der zurzeit nach Free-Float-Marktkapitalisierung der größte britische Immobilienwert ist, stellt ein technisches Musterbeispiel für einen Brexit-Verlierer dar. Zunächst startete die Aktie im März 2009 beim Baisse-Low um 344 Pence eine langfristige Aufwärtsbewegung. Hierbei bildete die Aktie ab dem Jahreswechsel 2011/2012 einen Hausse-Trend heraus, der den Titel im Mai 2015 auf die Hausse-Tops um 1 363 Pence führte.Unterhalb dieser Tops steckte Land Securities im Jahr 2015 in einer Trading-Range (Support um 1 190 Pence), die den Charakter einer Top-Formation aufweist. Im Dezember 2015 wurde diese Top-Formation und gleichzeitig der mehrjährige Hausse-Trend mit einem übergeordneten Verkaufssignal verlassen. Seitdem bewegt sich die Aktie in einer technischen Baisse, wobei der gut dreijährige Baisse-Trend aktuell bei ca. 945 Pence angekommen ist. Zuletzt ist Land Securities mit einem weiteren Verkaufssignal unter den mittelfristigen Support um 913 Pence gerutscht, so dass technische Hinweise auf den Eintritt in die Bodenformation fehlen.Das Baumarktunternehmen Kingfisher hatte die idealtypische Hausse – von Juli 2008 bis April 2014, die einen Kursanstieg von 89 Pence auf 446 Pence einbrachte – im Sommer 2014 zur Seite verlassen. Anschließend ergab sich eine mehrjährige Seitwärtspendelbewegung mit der Support-Zone um 290 Pence und der Resistance-Zone um 390 Pence. Übergeordnetes KaufsignalDie Kursschwäche im Umfeld des Brexit-Votums hatte die Aktie nicht aus dieser Seitwärtspendelbewegung herausgedrückt. In den letzten Wochen hat sich das technische Gesamtbild jedoch grundlegend eingetrübt, und die mehrjährige Seitwärtspendelbewegung hat den Charakter einer mittelfristigen technischen Top-Formation erhalten.Deshalb überrascht es nicht, dass Kingfisher zuletzt mit einem neuen übergeordneten Verkaufssignal (Rutsch unter die Support-Zone um 290 Pence) aus dieser mehrjährigen technischen Top-Formation herausgefallen ist. Neuer Baisse-TrendAls technische Konsequenz hat die Aktie einen neuen technischen Baisse-Trend etabliert, der sich zeitlich und räumlich ausweiten sollte. Es wird noch einige Quartale dauern, bis die technisch defensive Haltung gegenüber Kingfisher gelockert werden kann.—-*) Petra von Kerssenbrock ist bei der Commerzbank im Bereich Technische Analyse & Index Research tätig.