Der Carry-Trade, der eigentlich nicht funktionieren dürfte
Die Zinsparitätstheorie ist eine auf den Ökonomen Irvin Fisher um 1896 zurückgehende Theorie, die davon ausgeht, dass das Anlegerverhalten durch die Höhe der zu erzielenden Rendite gesteuert wird. Höhere Rendite in einer Anlageklasse mit vergleichbarem Risiko zu einer anderen mit tieferer Rendite rufen gemäß der Theorie Arbitrageure auf den Plan, welche diesen „Free Lunch” zunichtemachen. Demzufolge dürfte eine Strategie wie der „Carry Trade” eigentlich nicht funktionieren, da Währungen mit einem höherem Zinsvorteil („carry”) im Umfang des Zinsvorteils abwerten sollten.
Nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods und dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen konnte die empirische Forschung der 80er Jahre die These der Zinsparität jedoch nicht bestätigen. Hedgefonds waren in den 90er Jahren die ersten, die aus diesem Befund eine kommerzielle Anlagestrategie, den Carry Trade, machten. Nachdem Investmentbanken das gestiegene gehandelte Volumen des Carry Trades ihrer Hedgefonds-Kunden beobachteten, wurden zunehmend „Carry-Zertifikate” und ETF durch Investmentbanken seit Ende der 90er Jahre aufgelegt. Die dadurch gestiegene Investierbarkeit dieser Strategie für das breite Publikum trug in den 2000er Jahren zu der hohen Beliebtheit des Carry Trades bei. Im Anschluss an die Finanzmarktkrise brach die Performance des Carry Trades jedoch zusammen. Erst seit 2019 ist die Überschussrendite von Carry Trade-Strategien wieder auf Niveaus von vor der Finanzmarktkrise gestiegen.
Ende des Tiefzinsumfelds beflügelt den Carry Trade
Seit den 70er Jahren ist zu beobachten, dass der Hauptanteil des Ertrags über den Zinsvorteil erzielt wurde und die Währung an sich einen vernachlässigbaren, wenn nicht sogar negativen Beitrag leistete. Daher ist es nicht überraschend, dass der Carry Trade im Tiefzinsumfeld keine erfolgsbringende Strategie gewesen ist. Allerdings sehen wir wenig Anzeichen für den Rückfall in ein Niedrigzinsumfeld, damit wächst die Attraktivität des Carry Trades in den kommenden Jahren wieder. Für diese Einschätzung sprechen unter anderem die angespannten Staatshaushalte in Ländern wie den USA, in Kombination mit enormen Investitionsprojekten der öffentlichen Hand in den nächsten Jahren (Verteidigung, Klimaneutralität, etc.). All das lässt ein massives Absacken der Inflation und der Zinsen nicht erwarten. Auch im Vergleich zu anderen Anlageklassen kann sich der Carry Trade durchaus sehen lassen, da mit ca. 8% annualisierter Rendite (vor Transaktionskosten) seit den 70er Jahren eine ähnliche Überschussrendite wie bei US-Aktien erzieht werden konnte.
Japanischer Yen Leittragender des „Carry Trades”
Eines der größten Risiken des Carry Trades ist das sogenannte „Crash Risiko”. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort, dass der „Carry Trader” in einem positiven Marktumfeld die Treppe (kleine stetige Gewinne) nach oben, im risikoaversen Umfeld jedoch den Fahrstuhl (große Verluste innerhalb weniger Handelstage) nach unten nimmt. Diese Erfahrung mussten kürzlich auch die Besitzer von „Short”-Yen-Positionen machen. In vielen „Carry Strategie”-Modellen wurde der Yen seit Sommer 2022 ununterbrochen als Short-Position vorgeschlagen. Mit den schlechten Arbeitsmarktdaten Ende Juli hat die Stimmung jedoch gedreht, wobei die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) mittlerweile spekulative Netto-Long-Yen-Positionen vermeldet. Die 10-prozentige Aufwertung des Yens seit Mitte Juli könnte jedoch mehr als ein Warnschuss für Short-Yen-Investoren gewesen sein. Aus makroökonomischer Sicht war diese Korrektur sogar überfällig, schließlich hat die japanische Zentralbank ihre Politik der negativen Zinsen und Zinskurvenkontrolle abgestreift und ist eine der wenigen Zentralbanken welche die Zinsen erhöht und nicht senkt. Aus fundamentaler Sicht (Kaufkraftparität) sollte der Yen eher bei 120 Yen per Dollar handeln und nicht bei 143. Somit dürfte der Yen in Carry Trade-Portfolios in den kommenden Monaten eine weniger dominante Rolle auf der Short-Seite spielen. Das Umfeld für den Carry Trade an sich dürfte jedoch interessant bleiben.
Eine sehr einfache „Carry”-Strategie, welche in dieser Grafik verfolgt wurde, investiert in diejenigen 48 Industrie- und Schwellenländer mit dem höchsten (insgesamt 6) und verkauft diejenigen (ebenfalls 6) mit dem tiefsten Zinssatz („Carry” oder „Forward Prämie”) im vergangenen Monat.