Der Dax steht vor guten Monaten
Von Werner Rüppel, Frankfurt
In den zurückliegenden Wochen hat der Dax deutlich zugelegt und gleich mehrmals ein neues Rekordhoch erreicht. Inzwischen liegt der deutsche Leitindex mehr als 5% über dem Stand von Ende 2020, der 13719 Punkte betrug. Viele Marktteilnehmer fragen sich jetzt: Kann sich die Hausse des Dax fortsetzen, wird der Index noch zulegen? Die Antwort vorweg: Die Chancen, dass der Dax weiter klettert, stehen ausgesprochen gut. Denn neben positiven Fundamentalfaktoren erfährt das Börsenbarometer in den kommenden Monaten Unterstützung durch ein ausgeprägtes saisonales Muster.
Im langfristigen Durchschnitt über gut 30 Jahre, seit Berechnung des Dax ab Ende 1987, haben sich Winter und Frühjahr als ausgesprochen gute Monate für den Standardwerteindex erwiesen, wie die Grafik mit der monatlichen Indexperformance zeigt. Der Mai ist ab und zu etwas schwieriger, weist aber im Durchschnitt auch noch eine positive Performance auf. Dann setzt sich die Aufwärtsbewegung in der Regel bis Juli fort, wobei der Juli bisher oftmals sehr gut abgeschnitten hat. Schwierige Monate mit mitunter sehr heftigen Korrekturen sind dann aber der August und vor allem der „Horrormonat“ September. Danach, im Laufe des Oktobers, bessert sich das saisonale Muster für den Dax wieder. Insofern lautet die Erfolgsformel auf lange Sicht für den Dax: „Sell in July and say bye-bye.“ Und nicht vergessen, dann nach der Schwächeperiode wieder einzusteigen.
Der oft zitierte Spruch „Sell in May and go away“ ist für den Dax nicht unbedingt schlecht, entgehen Investoren damit doch den häufigen Korrekturen im August und September. Nur entwickelt sich der Dax eben auch noch in den Monaten Mai bis Juli im Durchschnitt gut. Daher war es bisher besser, erst per Ende Juli auszusteigen oder vorsichtiger zu werden.
Gefährlich kann es insbesondere sein, vor dem Hintergrund der heftigen Einbrüche im Hochsommer massiv in den Dax einzusteigen. Diese Erfahrung mussten nicht nur Privatanleger, sondern auch Institutionelle machen.
Schub durch Dividenden
Für das ausgeprägte saisonale Muster des Dax gibt es einige Gründe. Wichtig sind die Zahlungsströme, die den deutschen Aktienmarkt im Jahresverlauf beeinflussen. So fließen hierzulande im Frühjahr den Aktionären üppige Dividenden zu, die dann auch oftmals wieder investiert werden. Im laufenden Jahr sind die Ausschüttungen nicht so hoch wie im Vorjahr, aber noch immer stattlich. So schütten im April die Deutsche Telekom, Vonovia und Münchener Rück große Summen aus. Anfang Mai folgen dann Allianz und Deutsche Post. Solange die Dividenden fließen, kann der Aktienmarkt auch Neuemissionen und Kapitalerhöhungen (KEs) gut verkraften. Bleiben die Dividenden dann aber ab der Jahresmitte weitgehend aus, wird die Situation für den Dax weitaus schwieriger. Dann belasten auch IPOs und KEs stärker.
Ein wesentlicher Einflussfaktor für den Dax sind nicht zuletzt auch die Analysten. Diese beurteilen Unternehmen zu Jahresbeginn häufig relativ positiv. Nach den Halbjahresberichten kehrt dann mitunter Ernüchterung ein, und allzu hohe Gewinnprognosen müssen zurückgenommen werden.
Der Dax ist ein sehr zyklischer Index, und seine Schwankungen in guten und in schlechten Phasen sind erheblich. Seine besten Monate wie im April 2003 mit einer Performance von 21,4%, im Dezember 1999 mit 18% oder im November 2020 mit 15% erzielte er aber stets in einem saisonal günstigen Phase. Während der größte Monatsverlust mit 25,4% im Jahr 2002 im September erfolgte.
Das saisonale Muster verstärkt offensichtlich einen fundamentalen Trend. Hat sich eine Blase herausgebildet, so platzt diese am häufigsten im Zeitraum von August bis Oktober. Sprechen die Fundamentalfaktoren hingegen für eine Höherbewertung des Dax, so vollzieht sich diese vor allem im Zeitraum von November bis Juli.
Daher gilt es bei der Analyse der Perspektiven des Dax neben dem saisonalen Muster auch die Fundamentals zu betrachten. Und da sieht es trotz des jüngsten Anstiegs der US-Renditen nach wie vor ausgesprochen gut aus. Denn die Weltwirtschaft befindet sich im Aufwärtstrend, wovon die zyklischen Dax-Werte überdurchschnittlich stark profitieren dürften. So geht Analyst Michael Bissinger von der DZBank davon aus, dass die Unternehmen gute Jahre vor sich haben und die Gewinne kräftig steigen. Zudem habe in Deutschland die Mehrheit der Bürger viel Geld zur Seite gelegt. „Für die Aktienmärkte ist das ein ideales Umfeld für Kurssteigerungen“, sagt Bissinger. „Auch weil es an den Finanzmärkten kaum noch andere Möglichkeiten gibt, Kapital gewinnbringend anzulegen.“
Die Geldpolitik der großen Notenbanken wird in einer Situation, in der die Pandemie noch nicht vollständig überwunden ist und eine relativ hohe Arbeitslosigkeit, oder deren Anstieg, droht, weiterhin sehr expansiv sein. Von daher bleiben Zinsen und Renditen in Euroland niedrig, was für den Dax spricht. „Der Anstieg der Teuerungsrate im Januar 2021 hatte vor allem technische Gründe“, erläutert Bissinger. „Das ist aber nicht der Beginn eines Inflationstrends.“
Über 17000 Punkte möglich
Da die Fundamentals stimmen, könnte der Dax mit der Unterstützung durch den saisonalen Faktor also gerade in den kommenden Monaten kräftig zulegen. Dies zumal er mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15,4 (2021e) und 13,4 (2022e) nach Berechnungen der DZBank keineswegs teuer oder sehr hoch bewertet ist. Übertreibungen sehen anders aus.
Als sehr zyklischer Index weist der Dax übrigens auch relativ starke Jahresschwankungen auf. Eine Performance von 20% und mehr ist in guten Jahren nichts Außergewöhnliches. Angesichts der aufgezeigten positiven Fundamentals dürfte 2021 ein gutes Jahr werden. Dann würde der Dax in diesem Jahr bei einem Anstieg von 20% gegenüber dem Ultimo 2020 auf 16463 Punkte klettern. Bei einem Anstieg von 30% wären es 17834 Zähler. Dies zeigt, was möglich ist und dass die Prognosen der Strategen derzeit immer noch recht verhalten ausfallen.
Die besten Monate im Dax* | |
Monat | Performance (%) |
April 2003 | 21,4 |
Dezember 1999 | 18,0 |
Juli 1997 | 17,3 |
April 2009 | 16,8 |
Februar 1988 | 15,4 |
November 2020 | 15,0 |
*) seit Ende 1987 Quelle: eigene BerechnungenBörsen-Zeitung |