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Der Dollar, ein riskanter sicherer Hafen

Von Stefan Schaaf, Frankfurt Börsen-Zeitung, 6.12.2018 Ob die Geschichte uns etwas für die Gegenwart lehren kann, ist immer wieder umstritten. Im Hinblick auf sogenannte "historische Daten", die meist weniger historisch als vielmehr ein Blick auf...

Der Dollar, ein riskanter sicherer Hafen

Von Stefan Schaaf, FrankfurtOb die Geschichte uns etwas für die Gegenwart lehren kann, ist immer wieder umstritten. Im Hinblick auf sogenannte “historische Daten”, die meist weniger historisch als vielmehr ein Blick auf die vergangenen Jahre sind, herrscht zumindest an den Finanzmärkten die Überzeugung vor, aus ihnen Erkenntnisse für die künftige Kursentwicklung ableiten zu können. Im Fall des Dollar gestaltet sich dies mit Blick auf die beiden vergangenen Jahre jedoch kompliziert. Dabei ist die Antwort durchaus relevant, sie könnte nämlich erklären, ob der Dollar ein sicherer Hafen oder sogar der ultimative sichere Hafen an den Währungsmärkten ist.Wie schaut also der empirische Befund aus? In diesem Jahr, oder genauer seit dem Frühjahr/Frühsommer, zeigt sich eine inverse Korrelation zwischen den Aktienmärkten und dem Dollar, wobei hier die Rede vom global wichtigsten Aktienindex S&P 500 ist, und der “Dollar” sowohl am Euro-Dollar- und Dollar-Yen-Kurs wie auch am Dollar-Index gemessen werden kann. Letzterer umfasst einen Korb von sechs wichtigen Industrieländerwährungen im Verhältnis zur US-Valuta und wird vom Euro dominiert.Aktienkurse gelten zudem am Kapitalmarkt als Ausdruck für die Risikobereitschaft des globalen Investoren-Schwarms. Steigen der S&P 500 oder der deutsche Dax, gehen Anleger also ins Risiko, fallen die Kurse, so gehen diese aus dem Risiko heraus – und typischerweise in Staatsanleihen oder Cash. Zuletzt ist der Dollar oft gestiegen, während die Aktienkurse sanken und umgekehrt. Die US-Währung hat somit ein Verhalten an den Tag gelegt, das mit einem sogenannten sicheren Hafen bezeichnet wird: ein Asset, das in Stressphasen angesteuert wird, weil es Sicherheit verspricht. Als der Euro sicher schienDieses Verhalten zeigte der Dollar jedoch insbesondere über weite Strecken des Jahres 2018. Im Vorjahr war es noch anders, da wurde der Dollar oftmals als Risikoanlage gehandelt. Mit anderen Worten: Fiel der Aktienmarkt, so ging die US-Währung ebenfalls in die Knie. Angesteuert wurden der klassische sichere Währungshafen Yen – und über weite Strecken auch der Euro, so dass sich eine recht enge Korrelation des Euro-Dollar-Kurses mit dem Dax ergab.Dabei richtet sich die Einstufung eines sicheren Hafens oft nicht so sehr nach den Fundamentaldaten, sonst würde mit dem Yen nicht die Währung des bis über die Halskrause verschuldeten Japan als solcher gehandelt. Es geht vielmehr um Zinsdifferenzen, denn sie sind letztlich ein wesentlicher Treiber für Währungsbewegungen. Für die Einstufung als sicherer Hafen gelten aber auch geringe politische Risiken wie im Fall der Schweiz sowie die Sicherheit und Liquidität von Assets, was Euro und Dollar (über Bundesanleihen bzw. Treasuries) in unsicheren Phasen helfen kann.Der klassische Niedrigzinshafen ist der Yen. In ihm verschulden sich Marktakteure, um dann in höher verzinsten Währungen einen Mehrertrag, einen Carry, zu erzielen. Da Währungsschwankungen die Erträge dieser Carry-Trades leicht wieder zunichtemachen, werden sie in unsicheren Phasen schnell wieder abgewickelt, so dass sich aus historischen Daten die Korrelation zwischen steigenden Aktienkursen und schwachem Yen ergab.Im Fall des Dollar ist es anders, dieser ist quasi, wie die BayernLB dieser Tage bemerkte, ein “hochverzinster Save Hafen”. Wie konnte es kommen, dass sich innerhalb recht kurzer Zeit die Rolle des Dollar am Währungsmarkt derart verändern konnte? Die beiden offensichtlichen Antworten lauten Italien und Donald Trump. Seitdem in Italien eine populistische und latent euroskeptische Regierung an der Macht ist, welche die Regeln der Währungsunion vorsätzlich verletzen will, wird der Euro wieder mit einem deutlichen Risikoabschlag gehandelt. Davon profitiert quasi automatisch der Dollar.Allerdings wird dieser auch wegen Trumps protektionistischer Politik angesteuert. Dies zeigt eine Studie von BoA Merrill Lynch Global Research. Sie zeigt, dass der Dollar “nicht immer” ein sicherer Hafen ist, sondern nur im speziellen Fall des Handelskonflikts mit China. In der Studie heißt es: “Der US-Dollar ist nur dann ein einheitlicher sicherer Hafen, wenn der China-Faktor zu einem Risk-off-Modus führt. In dem Maße, in dem Handelskriegssorgen und die Verlangsamung des chinesischen Wachstums in jüngster Zeit dominierende Faktoren waren, erklärt dies teilweise die Widerstandsfähigkeit des Dollars.” Yen schlägt FrankenGeht der Risk-off-Modus jedoch von einem anderen Faktor als vom Handelsstreit aus, so profitierten davon der Yen und der Schweizer Franken. Der Studie zufolge hat sich der Yen bei Sorgen um die Eurozone besser entwickelt als der Franken. Der Euro, der im Jahr 2017 zeitweilig als Niedrigzinswährung gehandelt wurde, weise derzeit bei europabezogenen Sorgen die schwächste Entwicklung auf.Doch dem Dollar droht auch Gegenwind von zu Hause, insbesondere aus dem sich ausweitenden aggregierten Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit (vgl. Grafik). Es deutet auf eine deutliche Abwertung des Greenback hin. Für sicherheitsorientierte Anleger heißt dies, dass sie sich nicht auf den Dollar als sicheren Hafen verlassen sollten, schon gar nicht, wenn sie außerhalb der Vereinigten Staaten leben.